Immer mehr Menschen buhlen über spezielle Internetplattformen um Kundschaft auf der ganzen Welt. Ihre Aufträge erledigen sie zu Zeiten und an Orten, die eben gerade ins Leben passen.
München - Wenn Gary Swart Recht behält, wird in wenigen Jahren jeder Dritte nicht mehr ins Büro gehen. Die Menschen werden sich zu Hause an den Schreibtisch oder im Internetcafé an den Computer setzen. Frühmorgens, tagsüber oder nachts, wann es ihnen passt. Sie werden Webseiten programmieren, Bücher übersetzen und Werbekampagnen entwerfen. Sie werden sich in Videokonferenzen mit Menschen besprechen, die an diesem Tag oder auch für einige Monate Kollegen oder Vorgesetzte sind. Wenn das Projekt abgeschlossen ist, werden sie sich nach neuen Aufträgen umsehen. Ihr Arbeitsleben wird ausschließlich im Internet stattfinden.
Arbeiten in der Zukunft - immer und überall.
Swart ist Chef der Online-Arbeitsvermittlung Odesk, die weltweit Berufstätige und Unternehmen zusammenbringt. Es gehört also zu seinem Job, den virtuellen Arbeitsalltag vorherzusagen. Doch in einer Gesellschaft, in der sich immer mehr Beschäftigungsverhältnisse vom Acht-Stunden-Tag entfernen, in der Menschen ihre Arbeit zunehmend flexibel gestalten wollen, ist es durchaus vorstellbar, dass sich auch das Büro in den virtuellen Raum verschiebt. Odesk hat im vergangenen Jahr 35Millionen Arbeitsstunden abgerechnet, achtmal mehr als noch vor drei Jahren. Auch über Elance, eine ähnliche Plattform, suchten Unternehmen 2012 mehr Arbeitskräfte online, die Nachfrage stieg im Vergleich zum Vorjahr um 50 Prozent.
Es ist eine Arbeitswelt, in der nicht mehr nur Rohstoffe nach Bedarf geordert werden - sondern auch Arbeitskraft. Unternehmen profitieren davon. Über die Vermittlungsportale finden sie Fachkräfte in aller Welt, ohne sie fest anstellen zu müssen. Das Technologie-Start-up im Silicon Valley muss dann nicht um die begehrten und vor allem teuren Programmierer buhlen, die an den Universitäten in der Region ihren Abschluss machen. Es kann die Aufträge auch an Entwickler in Indien vergeben. Und der deutsche Mittelständler tut sich leichter, bestimmte Projekte auch mal außerhalb des eigenen Unternehmens erledigen zu lassen. Die Mehrheit der Auftraggeber auf Odesk seien Unternehmen mit weniger als 100 Beschäftigten, die sich schwertun, den festen Mitarbeiterstamm in ihrer Region auch mal kurzfristig nach Auftragslage aufzustocken, sagt Swart. Odesk sammelt bei ihnen das Geld ein und leitet es an die Mitarbeiter weiter. Dafür bekommt die Plattform eine Provision: zehn Prozent, die auf den Lohn für jede bezahlte Stunde aufgeschlagen werden. Bislang haben sich etwa 550000 Firmen und drei Millionen Mitarbeiter weltweit angemeldet.
Auch für Arbeitnehmer bringt das Vorteile: Den Bewerbungsprozess verändern Arbeitsvermittlungen im Internet radikal, Unternehmen wählen Mitarbeiter auf den Portalen nicht mehr hauptsächlich nach Noten und Berufserfahrung aus, sondern danach, wie andere Auftraggeber deren Arbeit bewerten: ob sie Projekte pünktlich und zuverlässig erledigt haben. Marian Heddesheimer aus Lübeck beispielsweise hat sich viele Kenntnisse selbst beigebracht. Bei Odesk bietet er an, Internetseiten und Softwaremodule zu entwickeln. 'Wenn ich mich bewerbe, schicke ich dem Auftraggeber die besten Seiten, die ich gebaut habe', sagt er.
Als fest angestellter IT-Berater hatte er immer wieder gespürt, dass es nicht zu seinem Arbeitsrhythmus passte, acht Stunden im Büro zu sitzen, egal ob viel zu tun war oder auch mal nichts. Auch deshalb hat er sich selbständig gemacht. Vor etwa drei Jahren seien die Aufträge wegen der Krise ausgeblieben. Heddesheimer meldete sich bei Online-Vermittlungen an - und konnte plötzlich auch für Unternehmen in den USA oder Australien arbeiten. Um mit ihnen zu sprechen, arbeitet er auch mal früh am Morgen oder spät am Abend. Tagsüber macht er dafür mehr Pausen.
Mit der Auswahl an Kunden stieg für Heddesheimer die Konkurrenz. Ein großer Teil der Menschen, die bei Odesk angemeldet sind, lebt in Schwellenländern. Viele Programmierer aus China, Indien und von den Philippinen verlangen weniger als zehn US-Dollar als Stundenlohn. Heddesheimer kann davon nicht leben. Anfangs hat er 15 Dollar pro Stunde genommen, inzwischen kann er 29Dollar verlangen. 'Das ist ein Kompromiss zwischen den Billigpreisen von anderen und dem, was ich eigentlich verdienen sollte.' So viel Geld wie mit einer festen Anstellung könne er über das Portal nicht verdienen. Aber er verreise kaum, habe kein Auto.
Auch die Arbeitsabläufe im virtuellen Raum unterscheiden sich von denen im realen Büro. Telefon, E-Mails, Chat und Videokonferenzen ersetzen persönliche Kontakte, bei jedem Projekt kann es sein, dass man mit neuen Kollegen zusammenarbeitet, die man im echten Leben nie getroffen hat. 'Das zwingt alle dazu, sich klarer auszudrücken', sagt Heddesheimer. Schwammige Anweisungen wie 'Überarbeiten Sie das noch mal!' blieben aus.
Völlig frei in ihrer Arbeit sind Mitarbeiter aber auch im virtuellen Raum nicht. Über Odesk bekommt der Auftraggeber sechsmal in der Stunde ein Foto des Bildschirms des Mitarbeiters übermittelt. So kann er sehen, wie sich das Projekt entwickelt. Oder ob der Beschäftigte gerade Zeit bei Facebook verbringt, die ihm nicht bezahlt werden muss. Kontrolle, sagt Gary Swart, sei das nicht, die Mitarbeiter hätten nichts dagegen: 'Die Leute möchten jemandem berichten.' Die Beziehung zum Chef und zu Kollegen ist dennoch unverbindlicher, wenn man sich nicht täglich im Büro begegnet. 'Besonders Unternehmer-Typen, die nicht immer einen Schubser brauchen, werden mit dieser Arbeit glücklich', sagt Jan Ansink. Sein Start-up Expertcloud ist ein virtuelles Callcenter, selbständige Mitarbeiter beantworten von zu Hause aus Kundenanfragen. Über Facebook, eine eigene Plattform und Gespräche mit Teamleitern, die auch mal in die Kundentelefonate reinhören, will Expertcloud ein Gemeinschaftsgefühl unter den Mitarbeitern aufbauen: 'Sie sollen sich nicht verlassen fühlen, wir wollen keine Einzelkämpfer', sagt Ansink.
Im virtuellen Raum müssten Unternehmen stärker um die Mitarbeiter werben, weil sie ihnen keine feste Beschäftigung mit Aufstiegschancen bieten, sagt er. Das kann allerdings nur aufgehen, solange die Auftragnehmer nicht unmittelbar miteinander konkurrieren. Expertcloud vermittelt die Jobs, bei Odesk treten Unternehmen und Mitarbeiter direkt in Kontakt. Marian Heddesheimer jedenfalls kann nicht darauf warten, dass Unternehmen ihn umgarnen. Er sucht sich seine Projekte selbst.
München - Wenn Gary Swart Recht behält, wird in wenigen Jahren jeder Dritte nicht mehr ins Büro gehen. Die Menschen werden sich zu Hause an den Schreibtisch oder im Internetcafé an den Computer setzen. Frühmorgens, tagsüber oder nachts, wann es ihnen passt. Sie werden Webseiten programmieren, Bücher übersetzen und Werbekampagnen entwerfen. Sie werden sich in Videokonferenzen mit Menschen besprechen, die an diesem Tag oder auch für einige Monate Kollegen oder Vorgesetzte sind. Wenn das Projekt abgeschlossen ist, werden sie sich nach neuen Aufträgen umsehen. Ihr Arbeitsleben wird ausschließlich im Internet stattfinden.
Arbeiten in der Zukunft - immer und überall.
Swart ist Chef der Online-Arbeitsvermittlung Odesk, die weltweit Berufstätige und Unternehmen zusammenbringt. Es gehört also zu seinem Job, den virtuellen Arbeitsalltag vorherzusagen. Doch in einer Gesellschaft, in der sich immer mehr Beschäftigungsverhältnisse vom Acht-Stunden-Tag entfernen, in der Menschen ihre Arbeit zunehmend flexibel gestalten wollen, ist es durchaus vorstellbar, dass sich auch das Büro in den virtuellen Raum verschiebt. Odesk hat im vergangenen Jahr 35Millionen Arbeitsstunden abgerechnet, achtmal mehr als noch vor drei Jahren. Auch über Elance, eine ähnliche Plattform, suchten Unternehmen 2012 mehr Arbeitskräfte online, die Nachfrage stieg im Vergleich zum Vorjahr um 50 Prozent.
Es ist eine Arbeitswelt, in der nicht mehr nur Rohstoffe nach Bedarf geordert werden - sondern auch Arbeitskraft. Unternehmen profitieren davon. Über die Vermittlungsportale finden sie Fachkräfte in aller Welt, ohne sie fest anstellen zu müssen. Das Technologie-Start-up im Silicon Valley muss dann nicht um die begehrten und vor allem teuren Programmierer buhlen, die an den Universitäten in der Region ihren Abschluss machen. Es kann die Aufträge auch an Entwickler in Indien vergeben. Und der deutsche Mittelständler tut sich leichter, bestimmte Projekte auch mal außerhalb des eigenen Unternehmens erledigen zu lassen. Die Mehrheit der Auftraggeber auf Odesk seien Unternehmen mit weniger als 100 Beschäftigten, die sich schwertun, den festen Mitarbeiterstamm in ihrer Region auch mal kurzfristig nach Auftragslage aufzustocken, sagt Swart. Odesk sammelt bei ihnen das Geld ein und leitet es an die Mitarbeiter weiter. Dafür bekommt die Plattform eine Provision: zehn Prozent, die auf den Lohn für jede bezahlte Stunde aufgeschlagen werden. Bislang haben sich etwa 550000 Firmen und drei Millionen Mitarbeiter weltweit angemeldet.
Auch für Arbeitnehmer bringt das Vorteile: Den Bewerbungsprozess verändern Arbeitsvermittlungen im Internet radikal, Unternehmen wählen Mitarbeiter auf den Portalen nicht mehr hauptsächlich nach Noten und Berufserfahrung aus, sondern danach, wie andere Auftraggeber deren Arbeit bewerten: ob sie Projekte pünktlich und zuverlässig erledigt haben. Marian Heddesheimer aus Lübeck beispielsweise hat sich viele Kenntnisse selbst beigebracht. Bei Odesk bietet er an, Internetseiten und Softwaremodule zu entwickeln. 'Wenn ich mich bewerbe, schicke ich dem Auftraggeber die besten Seiten, die ich gebaut habe', sagt er.
Als fest angestellter IT-Berater hatte er immer wieder gespürt, dass es nicht zu seinem Arbeitsrhythmus passte, acht Stunden im Büro zu sitzen, egal ob viel zu tun war oder auch mal nichts. Auch deshalb hat er sich selbständig gemacht. Vor etwa drei Jahren seien die Aufträge wegen der Krise ausgeblieben. Heddesheimer meldete sich bei Online-Vermittlungen an - und konnte plötzlich auch für Unternehmen in den USA oder Australien arbeiten. Um mit ihnen zu sprechen, arbeitet er auch mal früh am Morgen oder spät am Abend. Tagsüber macht er dafür mehr Pausen.
Mit der Auswahl an Kunden stieg für Heddesheimer die Konkurrenz. Ein großer Teil der Menschen, die bei Odesk angemeldet sind, lebt in Schwellenländern. Viele Programmierer aus China, Indien und von den Philippinen verlangen weniger als zehn US-Dollar als Stundenlohn. Heddesheimer kann davon nicht leben. Anfangs hat er 15 Dollar pro Stunde genommen, inzwischen kann er 29Dollar verlangen. 'Das ist ein Kompromiss zwischen den Billigpreisen von anderen und dem, was ich eigentlich verdienen sollte.' So viel Geld wie mit einer festen Anstellung könne er über das Portal nicht verdienen. Aber er verreise kaum, habe kein Auto.
Auch die Arbeitsabläufe im virtuellen Raum unterscheiden sich von denen im realen Büro. Telefon, E-Mails, Chat und Videokonferenzen ersetzen persönliche Kontakte, bei jedem Projekt kann es sein, dass man mit neuen Kollegen zusammenarbeitet, die man im echten Leben nie getroffen hat. 'Das zwingt alle dazu, sich klarer auszudrücken', sagt Heddesheimer. Schwammige Anweisungen wie 'Überarbeiten Sie das noch mal!' blieben aus.
Völlig frei in ihrer Arbeit sind Mitarbeiter aber auch im virtuellen Raum nicht. Über Odesk bekommt der Auftraggeber sechsmal in der Stunde ein Foto des Bildschirms des Mitarbeiters übermittelt. So kann er sehen, wie sich das Projekt entwickelt. Oder ob der Beschäftigte gerade Zeit bei Facebook verbringt, die ihm nicht bezahlt werden muss. Kontrolle, sagt Gary Swart, sei das nicht, die Mitarbeiter hätten nichts dagegen: 'Die Leute möchten jemandem berichten.' Die Beziehung zum Chef und zu Kollegen ist dennoch unverbindlicher, wenn man sich nicht täglich im Büro begegnet. 'Besonders Unternehmer-Typen, die nicht immer einen Schubser brauchen, werden mit dieser Arbeit glücklich', sagt Jan Ansink. Sein Start-up Expertcloud ist ein virtuelles Callcenter, selbständige Mitarbeiter beantworten von zu Hause aus Kundenanfragen. Über Facebook, eine eigene Plattform und Gespräche mit Teamleitern, die auch mal in die Kundentelefonate reinhören, will Expertcloud ein Gemeinschaftsgefühl unter den Mitarbeitern aufbauen: 'Sie sollen sich nicht verlassen fühlen, wir wollen keine Einzelkämpfer', sagt Ansink.
Im virtuellen Raum müssten Unternehmen stärker um die Mitarbeiter werben, weil sie ihnen keine feste Beschäftigung mit Aufstiegschancen bieten, sagt er. Das kann allerdings nur aufgehen, solange die Auftragnehmer nicht unmittelbar miteinander konkurrieren. Expertcloud vermittelt die Jobs, bei Odesk treten Unternehmen und Mitarbeiter direkt in Kontakt. Marian Heddesheimer jedenfalls kann nicht darauf warten, dass Unternehmen ihn umgarnen. Er sucht sich seine Projekte selbst.