Die Band Frei.Wild wird nach dem Protest zweier konkurrierender Gruppen an diesem Donnerstag keinen 'Echo' erhalten - trotz ihres Erfolgs. Deutschlands Musikindustrie hat beschlossen, die Südtiroler auszugrenzen.
Wenn es eine Auszeichnung für Duckmäuserei und volle Hosen gäbe, die Phono-Akademie der deutschen Musikindustrie hätte sie sich verdient. Da wird die Südtiroler Band Frei.Wild automatisch für einen 'Echo'-Musikpreis nominiert - weil sie 2012 so viele Alben verkauft hat. Daraufhin drohen Mia und Kraftklub, zwei ebenfalls nominierte Bands, mit einem Boykott der Verleihung, falls die erste Band mit von der Partie ist: weil deren Weltbild 'zum Kotzen' sei. Und was macht die Phono-Akademie als Veranstalter? Wirft Frei.Wild kurzerhand aus dem Wettbewerb. Ohne die Betroffenen vorher anzuhören. Gegen die eigenen, bis eben noch geltenden Regularien. Und mit einer Erklärung, die so schwiemelig ist, dass man erst mal denkt, es handle sich um einen Sketch: 'Um zu verhindern, dass der Echo zum Schauplatz einer öffentlichen Debatte um das Thema der politischen Gesinnung wird, hat sich der Vorstand nach intensiven Diskussionen dazu entschlossen, in die Regularien des Preises einzugreifen und die Band Frei.Wild von der Liste der Nominierten zu nehmen.'
Frei.Wild hat trotz des Erfolges keinen Echo erhalten
Wie soll man das nennen? Zensur? Ein Zensor sagt wenigstens: Ihr seid raus, ihr habt die falsche Gesinnung. Die Deutsche Phono-Akademie sagt nur: raus. Nicht weil dahinter eine Haltung stünde, sondern aus purer Angst. Und da liegt das Problem.
Frei.Wild, die im vergangenen Jahr mit 'Feinde deiner Feinde' eines der bestverkauften Rock/Alternative-Alben veröffentlicht haben, gilt als rechts. Nicht extrem oder radikal, aber irgendwie rechts. Die Rede ist von einer Grauzone, und die Attribute, die der Band vor allem von linken Netzaktivisten und Sozialwissenschaftlern verpasst werden, wechseln zwischen 'rechtsoffen', 'rechtslastig' und 'ultrapatriotisch'. Das klingt erst mal schwammig, so als wüssten die Kritiker nicht genau, was sie sagen wollen. Aber hinter der Vagheit steckt Absicht. Es geht um einen Stempel, der haften bleiben und abschrecken soll.
Irgendwie rechts. Der erste Beleg dafür ist die Vergangenheit des Sängers Philipp Burger, der als Teenager, wie er selbst sagt, ein 'rechter Skinhead' war und später auf Bezirksebene für die rechtspopulistische Partei Die Freiheitlichen aktiv wurde, dann aber ausstieg. Der zweite Beleg sind Texte, in denen die Band ihre glühende Heimatliebe beschwört. Besonders gerne wird das Lied 'Südtirol' vom 2003 erschienenen Album 'Wo die Sonne wieder lacht' zitiert: 'Südtirol, du bist noch nicht verlor"n, in der Hölle sollen deine Feinde schmor"n.' Oder 'Das Land der Vollidioten' aus dem Jahr 2009. Da heißt es spöttisch: 'Kreuze werden aus Schulen entfernt, aus Respekt vor den andersgläubigen Kindern.' Musikalisch geht es mal schunkelig, mal punkig zu, mit heiserem Gesang und stampfenden Off-Beats; nichts Ambitioniertes, aber solider Mitgröhlrock.
Zu den bekanntesten Kritikern der Band gehört der Autor Thomas Kuban, der jahrelang verdeckt im neonazistischen Rechtsrockmilieu recherchiert hat. Seine gruseligen Berichte über halbnackte Skinheadhorden, die bei Konzerten besoffen den Führer hochleben lassen, sind auch schon in der SZ gedruckt worden. In seinem 2012 erschienenen Buch 'Blut muss fließen: Undercover unter Nazis' hat Kuban - der in Wahrheit anders heißt und bei Auftritten stets eine Perücke, falschen Bart und Sonnenbrille trägt - der Band Frei.Wild ein ganzes Kapitel gewidmet. Titel: 'Wie braun ist die Grauzone?' Das Fragezeichen ist dabei rhetorisch gemeint. Frei.Wild-Sänger Philipp Burger sei kein Geläuterter, sondern bewege sich in Wahrheit 'wie ein Chamäleon' zwischen Braun- und Grauzone, meint Kuban. Er tue das nicht explizit, aber mit Anspielungen, die jeder echte Neonazi sofort verstünde.
Die Mitglieder und auch die Fans von Frei.Wild weisen solche Vorwürfe vehement und auf allen Kanälen von Youtube bis Facebook zurück. Man sei überzeugt von konservativen Werten wie 'Freundschaft, Familie, Loyalität, Gerechtigkeit, Tradition und Kultur', heißt es bei der Band - aber gegen jede Form von Extremismus. Man arbeite von der Security bis zur Produktion mit Menschen aller Hautfarben zusammen, teilte Sänger Philipp Burger der SZ am Mittwoch auf Nachfrage mit: 'Für uns gibt es keinen Unterschied nach Herkunft, Religion, Sprache oder einer anderen Form der Zugehörigkeit. Was zählt, sind die menschlichen Qualitäten und die fachliche Qualifikation. Darüber hinaus sind wir doch alle gleich.'
Bei Konzerten brüllt der Sänger regelmäßig 'Nazis raus', und auch die Ordner werden angewiesen, keine Neonazis in die Hallen zu lassen. Ein Logo der Band zeigt eine dunkle Hand vor einem Stoppschild, daneben steht: 'Frei.Wild gegen Rassismus und Extremismus.' Unter ihren Videos im Netz kommentiert die Bande sogar die Nutzerkommentare. Ein aktuelles Beispiel: 'Es sollte schon zu denken geben, dass die NPD eine Mahnwacht bei ihnen durchführt', schrieb diese Woche ein Nutzer. Antwort der Band: 'Die NPD plant eine Mahnwache bei der Echo- Verleihung. Von dieser haben wir uns bereits klar distanziert.'
Der SZ sagte Burger, dass seine Band an diesem Donnerstag anlässlich der Echo-Verleihung ebenfalls in Berlin sein würde, um sich von dem Umarmungsversuch der NPD zu befreien: 'Wir würden das nicht einmal als Gegen-Demo bezeichnen, sondern sehen es als unvermeidbares Zeichen gegen eine Instrumentalisierung unsererseits durch politisch extreme Gruppierungen. Wir wollen einzig und allein Präsenz zeigen, und zwar auf eine Art und Weise, die deutlich macht, dass wir nicht bei den einen und auch nicht bei den anderen Extremisten zu finden sind. Wir haben unseren eigenen Platz, und wir werden in aller Stille, in Besonnenheit Flagge zeigen, ohne uns provozieren zu lassen.'
Der eigene Platz: Er ist in diesem Fall ganz schön wackelig. Auf der einen Seite stehen Kritiker wie Kuban, die sinngemäß sagen: Ihr und Euer Gerede, alles Tarnung. Letztlich seid ihr genauso schlimm wie Sleipnir, Lunikoff und all die anderen bekennenden Rechtsrocker. Auf der anderen Seite lacht sich die NPD ins Fäustchen und bietet, wie damals bei Thilo Sarrazin, ihren sehr unerwünschten Beistand an. Und in der Mitte steht das Publikum, das hier und dort mal etwas aufgeschnappt hat, letztlich aber auch nicht weiß, was von alledem halten soll: Sind das jetzt verkappte Neonazis oder Opfer übertourter Nazijäger?
Wenn man sich etwas länger mit der Musik der Band beschäftigt, muss man sagen: Nein, der Beweis des Extremismus ist nicht erbracht. Natürlich kann man all die Hymnen auf die heilige Südtiroler Erde und gegen die angeblich überall lauernden linken Moralapostel fragwürdig und plump finden. Nur: Darf deshalb gleich die Naziglocke bimmeln? Darf der Spitzenverband der deutschen Musikindustrie, der sonst bei jeder Gelegenheit trompetet, wie wichtig die Freiheit der Meinungen und der Kunst doch sei, Musiker allein wegen eines Verdachts ausgrenzen? Oder, weg von den aktuellen Charts: Müssten dann nicht noch ganz andere Lieder verboten werden, etwa die schwer weißblaue Bayernhymne oder das Niedersachsenlied ('Wir sind die Niedersachsen, sturmfest und erdverwachsen, Heil Herzog Widukinds Stamm').
Weil Frei.Wild als 'irgendwie rechts' gilt, sind solche Fragen, die man dringend mal öffentlich diskutieren müsste, schon abgewürgt, ehe sie ausgesprochen sind. Denn mindestens so subversiv wie die unterstellte Strategie der musikalischen Mimikry wirkt auch das Gift der politischen Ausgrenzung. Das, was heute 'Kampf gegen rechts' heißt, mag einst als bitter notwendige Sache begonnen haben; vor allem im Osten, wo die Fremdenfeindlichkeit vielerorts immer noch groß ist. Doch anderswo ist dieser Kampf völlig aus dem Ruder gelaufen. Da geht es längst nicht mehr nur gegen Verfassungsfeinde, sondern gegen alles, was sich auch nur einen Hauch von der gefühlten Mitte der Gesellschaft wegwagt, angefangen mit der Sprache. Begriffe wie Volk oder Heimat sind längst verdächtig geworden. Und Heimatstolz: Das ruft nach Ansicht vieler Extremismusjäger schon laut nach dem Verfassungsschutz.
Wer"s nicht glaubt, muss sich nur die Reaktionen von Mia und Kraftklub anschauen, der Bands, die beim 'Echo' gedroht haben, auszusteigen, wenn Frei.Wild mitmachen darf. 'Kein Kommentar', lässt das Management der Chemnitzer Indie-Rocker Kraftklub auf Anfrage ausrichten. Dabei war die Band beim Echo 2012 noch so mutig, sich zusammen mit dem Rapper Casper auf der Bühne über Frei.Wild lustig zu machen - vermutlich, weil die Band nicht anwesend war. 'Es gibt absolut nichts zu sagen', heißt es beim Label von Mia, einer Band die vor zehn Jahren selbst mal wegen eines zaghaft patriotischen Liedes ('Was es ist') wochenlang verprügelt und einmal sogar mit Eiern beworfen wurde.
Schade. Sehr gerne hätte man Mieze Katz, die sonst so resolut auftretende Mia-Sängerin, gefragt, warum sie nur über und noch nie mit Frei.Wild geredet hat. Oder warum deren Weltbild 'zum Kotzen' ist, sie als dezidiert linke und sozial engagierte Künstlerin aber kein Problem mit dem 'Zuhälterrap' von Kollegah und Farid Bang hat. Die beiden Düsseldorfer sind ebenfalls für einen Echo nominiert, und wenn in ihren Liedern von Frauen die Rede ist, dann gehören 'Nutte' und 'Schlampe' noch zu den freundlichen Anreden.
Immerhin eine Kritikerin hat sich geäußert. Die Sängerin und Schauspielerin Anna Loos wurde vergangene Woche von der Deutschen Presse-Agentur mit den Worten zitiert, auch sie 'begrüße' den Frei.Wild-Ausschluss vom Echo. An diesem Montag nun sah sich Silly, die Band der Sängerin, genötigt, eine eigene Meldung herauszugeben. 'Ihr Lieben, die in einigen Medien verbreiteten Meldungen (...) zum Rauswurf der Band Frei.Wild beim Echo implizieren ein falsches Bild.' Ein Zitat von Loos gegen 'nationalistische Spielereien' sei einem 'allgemeinen Gespräch' entsprungen und habe sich definitiv nicht auf Frei.Wild bezogen. Deren Texte und Musik kenne man gar nicht.
Schaut man nun, ein paar Tage später, ins Netz, findet man von dieser Korrektur: nichts. Auf Hunderten Nachrichtenseiten heißt es weiter, dass 'auch Anna Loos' jetzt gegen Frei.Wild sei. Wie das so ist mit solchen Stempeln. Sie bleiben haften, auch dann, wenn alles gar nicht so gemeint war.
Wenn es eine Auszeichnung für Duckmäuserei und volle Hosen gäbe, die Phono-Akademie der deutschen Musikindustrie hätte sie sich verdient. Da wird die Südtiroler Band Frei.Wild automatisch für einen 'Echo'-Musikpreis nominiert - weil sie 2012 so viele Alben verkauft hat. Daraufhin drohen Mia und Kraftklub, zwei ebenfalls nominierte Bands, mit einem Boykott der Verleihung, falls die erste Band mit von der Partie ist: weil deren Weltbild 'zum Kotzen' sei. Und was macht die Phono-Akademie als Veranstalter? Wirft Frei.Wild kurzerhand aus dem Wettbewerb. Ohne die Betroffenen vorher anzuhören. Gegen die eigenen, bis eben noch geltenden Regularien. Und mit einer Erklärung, die so schwiemelig ist, dass man erst mal denkt, es handle sich um einen Sketch: 'Um zu verhindern, dass der Echo zum Schauplatz einer öffentlichen Debatte um das Thema der politischen Gesinnung wird, hat sich der Vorstand nach intensiven Diskussionen dazu entschlossen, in die Regularien des Preises einzugreifen und die Band Frei.Wild von der Liste der Nominierten zu nehmen.'
Frei.Wild hat trotz des Erfolges keinen Echo erhalten
Wie soll man das nennen? Zensur? Ein Zensor sagt wenigstens: Ihr seid raus, ihr habt die falsche Gesinnung. Die Deutsche Phono-Akademie sagt nur: raus. Nicht weil dahinter eine Haltung stünde, sondern aus purer Angst. Und da liegt das Problem.
Frei.Wild, die im vergangenen Jahr mit 'Feinde deiner Feinde' eines der bestverkauften Rock/Alternative-Alben veröffentlicht haben, gilt als rechts. Nicht extrem oder radikal, aber irgendwie rechts. Die Rede ist von einer Grauzone, und die Attribute, die der Band vor allem von linken Netzaktivisten und Sozialwissenschaftlern verpasst werden, wechseln zwischen 'rechtsoffen', 'rechtslastig' und 'ultrapatriotisch'. Das klingt erst mal schwammig, so als wüssten die Kritiker nicht genau, was sie sagen wollen. Aber hinter der Vagheit steckt Absicht. Es geht um einen Stempel, der haften bleiben und abschrecken soll.
Irgendwie rechts. Der erste Beleg dafür ist die Vergangenheit des Sängers Philipp Burger, der als Teenager, wie er selbst sagt, ein 'rechter Skinhead' war und später auf Bezirksebene für die rechtspopulistische Partei Die Freiheitlichen aktiv wurde, dann aber ausstieg. Der zweite Beleg sind Texte, in denen die Band ihre glühende Heimatliebe beschwört. Besonders gerne wird das Lied 'Südtirol' vom 2003 erschienenen Album 'Wo die Sonne wieder lacht' zitiert: 'Südtirol, du bist noch nicht verlor"n, in der Hölle sollen deine Feinde schmor"n.' Oder 'Das Land der Vollidioten' aus dem Jahr 2009. Da heißt es spöttisch: 'Kreuze werden aus Schulen entfernt, aus Respekt vor den andersgläubigen Kindern.' Musikalisch geht es mal schunkelig, mal punkig zu, mit heiserem Gesang und stampfenden Off-Beats; nichts Ambitioniertes, aber solider Mitgröhlrock.
Zu den bekanntesten Kritikern der Band gehört der Autor Thomas Kuban, der jahrelang verdeckt im neonazistischen Rechtsrockmilieu recherchiert hat. Seine gruseligen Berichte über halbnackte Skinheadhorden, die bei Konzerten besoffen den Führer hochleben lassen, sind auch schon in der SZ gedruckt worden. In seinem 2012 erschienenen Buch 'Blut muss fließen: Undercover unter Nazis' hat Kuban - der in Wahrheit anders heißt und bei Auftritten stets eine Perücke, falschen Bart und Sonnenbrille trägt - der Band Frei.Wild ein ganzes Kapitel gewidmet. Titel: 'Wie braun ist die Grauzone?' Das Fragezeichen ist dabei rhetorisch gemeint. Frei.Wild-Sänger Philipp Burger sei kein Geläuterter, sondern bewege sich in Wahrheit 'wie ein Chamäleon' zwischen Braun- und Grauzone, meint Kuban. Er tue das nicht explizit, aber mit Anspielungen, die jeder echte Neonazi sofort verstünde.
Die Mitglieder und auch die Fans von Frei.Wild weisen solche Vorwürfe vehement und auf allen Kanälen von Youtube bis Facebook zurück. Man sei überzeugt von konservativen Werten wie 'Freundschaft, Familie, Loyalität, Gerechtigkeit, Tradition und Kultur', heißt es bei der Band - aber gegen jede Form von Extremismus. Man arbeite von der Security bis zur Produktion mit Menschen aller Hautfarben zusammen, teilte Sänger Philipp Burger der SZ am Mittwoch auf Nachfrage mit: 'Für uns gibt es keinen Unterschied nach Herkunft, Religion, Sprache oder einer anderen Form der Zugehörigkeit. Was zählt, sind die menschlichen Qualitäten und die fachliche Qualifikation. Darüber hinaus sind wir doch alle gleich.'
Bei Konzerten brüllt der Sänger regelmäßig 'Nazis raus', und auch die Ordner werden angewiesen, keine Neonazis in die Hallen zu lassen. Ein Logo der Band zeigt eine dunkle Hand vor einem Stoppschild, daneben steht: 'Frei.Wild gegen Rassismus und Extremismus.' Unter ihren Videos im Netz kommentiert die Bande sogar die Nutzerkommentare. Ein aktuelles Beispiel: 'Es sollte schon zu denken geben, dass die NPD eine Mahnwacht bei ihnen durchführt', schrieb diese Woche ein Nutzer. Antwort der Band: 'Die NPD plant eine Mahnwache bei der Echo- Verleihung. Von dieser haben wir uns bereits klar distanziert.'
Der SZ sagte Burger, dass seine Band an diesem Donnerstag anlässlich der Echo-Verleihung ebenfalls in Berlin sein würde, um sich von dem Umarmungsversuch der NPD zu befreien: 'Wir würden das nicht einmal als Gegen-Demo bezeichnen, sondern sehen es als unvermeidbares Zeichen gegen eine Instrumentalisierung unsererseits durch politisch extreme Gruppierungen. Wir wollen einzig und allein Präsenz zeigen, und zwar auf eine Art und Weise, die deutlich macht, dass wir nicht bei den einen und auch nicht bei den anderen Extremisten zu finden sind. Wir haben unseren eigenen Platz, und wir werden in aller Stille, in Besonnenheit Flagge zeigen, ohne uns provozieren zu lassen.'
Der eigene Platz: Er ist in diesem Fall ganz schön wackelig. Auf der einen Seite stehen Kritiker wie Kuban, die sinngemäß sagen: Ihr und Euer Gerede, alles Tarnung. Letztlich seid ihr genauso schlimm wie Sleipnir, Lunikoff und all die anderen bekennenden Rechtsrocker. Auf der anderen Seite lacht sich die NPD ins Fäustchen und bietet, wie damals bei Thilo Sarrazin, ihren sehr unerwünschten Beistand an. Und in der Mitte steht das Publikum, das hier und dort mal etwas aufgeschnappt hat, letztlich aber auch nicht weiß, was von alledem halten soll: Sind das jetzt verkappte Neonazis oder Opfer übertourter Nazijäger?
Wenn man sich etwas länger mit der Musik der Band beschäftigt, muss man sagen: Nein, der Beweis des Extremismus ist nicht erbracht. Natürlich kann man all die Hymnen auf die heilige Südtiroler Erde und gegen die angeblich überall lauernden linken Moralapostel fragwürdig und plump finden. Nur: Darf deshalb gleich die Naziglocke bimmeln? Darf der Spitzenverband der deutschen Musikindustrie, der sonst bei jeder Gelegenheit trompetet, wie wichtig die Freiheit der Meinungen und der Kunst doch sei, Musiker allein wegen eines Verdachts ausgrenzen? Oder, weg von den aktuellen Charts: Müssten dann nicht noch ganz andere Lieder verboten werden, etwa die schwer weißblaue Bayernhymne oder das Niedersachsenlied ('Wir sind die Niedersachsen, sturmfest und erdverwachsen, Heil Herzog Widukinds Stamm').
Weil Frei.Wild als 'irgendwie rechts' gilt, sind solche Fragen, die man dringend mal öffentlich diskutieren müsste, schon abgewürgt, ehe sie ausgesprochen sind. Denn mindestens so subversiv wie die unterstellte Strategie der musikalischen Mimikry wirkt auch das Gift der politischen Ausgrenzung. Das, was heute 'Kampf gegen rechts' heißt, mag einst als bitter notwendige Sache begonnen haben; vor allem im Osten, wo die Fremdenfeindlichkeit vielerorts immer noch groß ist. Doch anderswo ist dieser Kampf völlig aus dem Ruder gelaufen. Da geht es längst nicht mehr nur gegen Verfassungsfeinde, sondern gegen alles, was sich auch nur einen Hauch von der gefühlten Mitte der Gesellschaft wegwagt, angefangen mit der Sprache. Begriffe wie Volk oder Heimat sind längst verdächtig geworden. Und Heimatstolz: Das ruft nach Ansicht vieler Extremismusjäger schon laut nach dem Verfassungsschutz.
Wer"s nicht glaubt, muss sich nur die Reaktionen von Mia und Kraftklub anschauen, der Bands, die beim 'Echo' gedroht haben, auszusteigen, wenn Frei.Wild mitmachen darf. 'Kein Kommentar', lässt das Management der Chemnitzer Indie-Rocker Kraftklub auf Anfrage ausrichten. Dabei war die Band beim Echo 2012 noch so mutig, sich zusammen mit dem Rapper Casper auf der Bühne über Frei.Wild lustig zu machen - vermutlich, weil die Band nicht anwesend war. 'Es gibt absolut nichts zu sagen', heißt es beim Label von Mia, einer Band die vor zehn Jahren selbst mal wegen eines zaghaft patriotischen Liedes ('Was es ist') wochenlang verprügelt und einmal sogar mit Eiern beworfen wurde.
Schade. Sehr gerne hätte man Mieze Katz, die sonst so resolut auftretende Mia-Sängerin, gefragt, warum sie nur über und noch nie mit Frei.Wild geredet hat. Oder warum deren Weltbild 'zum Kotzen' ist, sie als dezidiert linke und sozial engagierte Künstlerin aber kein Problem mit dem 'Zuhälterrap' von Kollegah und Farid Bang hat. Die beiden Düsseldorfer sind ebenfalls für einen Echo nominiert, und wenn in ihren Liedern von Frauen die Rede ist, dann gehören 'Nutte' und 'Schlampe' noch zu den freundlichen Anreden.
Immerhin eine Kritikerin hat sich geäußert. Die Sängerin und Schauspielerin Anna Loos wurde vergangene Woche von der Deutschen Presse-Agentur mit den Worten zitiert, auch sie 'begrüße' den Frei.Wild-Ausschluss vom Echo. An diesem Montag nun sah sich Silly, die Band der Sängerin, genötigt, eine eigene Meldung herauszugeben. 'Ihr Lieben, die in einigen Medien verbreiteten Meldungen (...) zum Rauswurf der Band Frei.Wild beim Echo implizieren ein falsches Bild.' Ein Zitat von Loos gegen 'nationalistische Spielereien' sei einem 'allgemeinen Gespräch' entsprungen und habe sich definitiv nicht auf Frei.Wild bezogen. Deren Texte und Musik kenne man gar nicht.
Schaut man nun, ein paar Tage später, ins Netz, findet man von dieser Korrektur: nichts. Auf Hunderten Nachrichtenseiten heißt es weiter, dass 'auch Anna Loos' jetzt gegen Frei.Wild sei. Wie das so ist mit solchen Stempeln. Sie bleiben haften, auch dann, wenn alles gar nicht so gemeint war.