Felicia Zellers Satire 'X Freunde', rasant uraufgeführt in Frankfurt
Die Frankensteins der Gegenwart züchten ihre Monster nicht mehr im Labor, sondern in sich selbst. Zusammengesetzt sind diese Untoten nicht aus Leichenteilen, sondern aus Ansprüchen, und zum Leben erweckt werden sie vom schlechten Gewissen. Ein solch schlafloses Wesen des Arbeits- und Selbstbehauptungsstresses ist Anne Holz, die Hauptfigur in Felicia Zellers neuem Stück 'X Freunde'.
Mit ihrer 'genialen' Idee von einer profitorientierten Weltverbesserung gründet Anne Holz die Agentur 'Private Aid', die den modernen Mensch mit den Tools 'Trend, Forschung, Maximierung' zu mehr Initiative bei der Rettung des Planeten animieren soll. Ihre Kampagne heißt 'Anti-Gleichgültigkeitskonzept' und setzt leider maximale Gleichgültigkeit gegenüber zwischenmenschlichen Belangen voraus. Das bekommen nicht nur die 'absolut unfähigen' Mitarbeiter ihrer Firma zu spüren, sondern vor allem der Ehemann zu Hause, der Ex-Chef einer superangesagten Cateringfirma, der leider mit ein paar faulen Shrimps zwei Angestellte eines Telekommunikationsunternehmens getötet hat und seitdem arbeitslos ist.
Das Monster in sich selbst züchten - und am Frankfurter Schauspiel inszenieren
Zeller benötigt nur noch eine dritte Person, den gemeinsamen Freund, den antriebsblockierten Bildhauer Peter Pilz, um die Dreifaltigkeit des Leids an der 'selbstbestimmten' Arbeit auszumalen. Auf die ihnen gemeinsame Panik, vorgestellten Ansprüchen nicht zu genügen, entwickeln diese Figuren exemplarisch unterschiedliche Reaktionen: Unterwürfigkeit und Selbstaufgabe beim Hausmann, Pendeln zwischen Depressionen und Größenwahn beim Künstler und schließlich vollkommene Selbstversklavung unter der Herrschaft der Termine bei Anne Holz. Ein stabiles Dreieck der Angst, in dessen Zentrum das Auge des schlechten Gewissens wacht.
In ihrem rasant abgehackten Sprachstil der unvollständigen Sätze komponiert Zeller mit diesen wenigen Zutaten eine wunderbar böse und dabei präzise Satire auf die Hysterie der Fremdbestimmung. Vor allem die totale Selbstflexibilisierung der Anne Holz, die im emotionalen Bankrott endet, steigert Zeller durch das Stück mit wirklich ätzend komischem Spott. Und die Uraufführungsregisseurin Bettina Bruinier, die 'X Freunde' jetzt an den Kammerspielen des Frankfurter Schauspiels inszeniert hat, verlebendigt diese Parabel vom Untergang der Würde im Tempo mit kongenialer Gemeinheit und treffsicheren Charakteren. Claude de Demo als Anne Holz trägt das iPhone wie ein Hundehalsband und benützt das Aufklappen ihres Macbooks als Guillotine für jedes Gespräch und atmosphärischen Keuschheitsgürtel. Anfänglich noch die sympathisch Nervöse, die ihre Freiheit in der Selbständigkeit sucht, mutiert sie mit jeder weiteren Verlagerung ihres Lebenssinns in die Arbeit zum Zombie: 'Was soll das werden? Ein Dialog?', kontert sie den letzten verzweifelten Versuch ihres Gatten, über die Ruine ihrer Beziehung zu sprechen.
Viktor Tremmel spielt diesen beruflich gescheiterten Gatten zunächst mit der einfältigen Ehe-Kumpeligkeit, wie sie in langen Beziehungen entsteht, läuft aber mit jedem Candle-Light-Dinner, das Anne Holz wegen Terminen schmeißt, zu Fettleibigkeit und tragischer Größe auf. Schließlich bringt er sich als riesiger Fress-Hulk durch eine Überdosis von Annes Schlaftabletten um (zu einem für ihre Pläne sehr 'ungelegenen' Zeitpunkt, wie sie gegenüber der Polizei bemerkt). Seinen besten Freund Peter Pilz (als gestörte Kunsttype ebenfalls überzeugend: Christoph Pütthoff) inspiriert dieser Selbstmord zu einem Staubhaufen, mit dem er seine Schaffenskrise beendet und zurück in die Erfolgsspur findet. Das letzte Wort aber hat Anne Holz: Auf einer mit Blut, Erdnuss-Flips und Golfbällen übersäten Bühne stellt sie fest: 'Ich habe Erfolg. Und ich zahle den Preis dafür.'
Der frenetische Applaus, den diese temporeiche, komische und treffende Satire über den Terror von Ehrgeiz und Erreichbarkeit erzeugte, hat sicherlich damit zu tun, dass diese Hysterie heute niemanden mehr verschont. Mit der totalen Entgrenzung der Arbeit ins Private entkommt man der Selbstaufgabe unterm Apfelmond nur noch in der handyfreien Zone des Theaters. Zeller und Bruinier haben dieses analoge Reservat gekonnt benutzt für eine fröhliche Warnung: Wir alle haben Talent, als Apple"s Monster zu enden. Falls Ihr Partner also mit Ihnen reden möchte, klappen Sie ruhig den Laptop zu.
Die Frankensteins der Gegenwart züchten ihre Monster nicht mehr im Labor, sondern in sich selbst. Zusammengesetzt sind diese Untoten nicht aus Leichenteilen, sondern aus Ansprüchen, und zum Leben erweckt werden sie vom schlechten Gewissen. Ein solch schlafloses Wesen des Arbeits- und Selbstbehauptungsstresses ist Anne Holz, die Hauptfigur in Felicia Zellers neuem Stück 'X Freunde'.
Mit ihrer 'genialen' Idee von einer profitorientierten Weltverbesserung gründet Anne Holz die Agentur 'Private Aid', die den modernen Mensch mit den Tools 'Trend, Forschung, Maximierung' zu mehr Initiative bei der Rettung des Planeten animieren soll. Ihre Kampagne heißt 'Anti-Gleichgültigkeitskonzept' und setzt leider maximale Gleichgültigkeit gegenüber zwischenmenschlichen Belangen voraus. Das bekommen nicht nur die 'absolut unfähigen' Mitarbeiter ihrer Firma zu spüren, sondern vor allem der Ehemann zu Hause, der Ex-Chef einer superangesagten Cateringfirma, der leider mit ein paar faulen Shrimps zwei Angestellte eines Telekommunikationsunternehmens getötet hat und seitdem arbeitslos ist.
Das Monster in sich selbst züchten - und am Frankfurter Schauspiel inszenieren
Zeller benötigt nur noch eine dritte Person, den gemeinsamen Freund, den antriebsblockierten Bildhauer Peter Pilz, um die Dreifaltigkeit des Leids an der 'selbstbestimmten' Arbeit auszumalen. Auf die ihnen gemeinsame Panik, vorgestellten Ansprüchen nicht zu genügen, entwickeln diese Figuren exemplarisch unterschiedliche Reaktionen: Unterwürfigkeit und Selbstaufgabe beim Hausmann, Pendeln zwischen Depressionen und Größenwahn beim Künstler und schließlich vollkommene Selbstversklavung unter der Herrschaft der Termine bei Anne Holz. Ein stabiles Dreieck der Angst, in dessen Zentrum das Auge des schlechten Gewissens wacht.
In ihrem rasant abgehackten Sprachstil der unvollständigen Sätze komponiert Zeller mit diesen wenigen Zutaten eine wunderbar böse und dabei präzise Satire auf die Hysterie der Fremdbestimmung. Vor allem die totale Selbstflexibilisierung der Anne Holz, die im emotionalen Bankrott endet, steigert Zeller durch das Stück mit wirklich ätzend komischem Spott. Und die Uraufführungsregisseurin Bettina Bruinier, die 'X Freunde' jetzt an den Kammerspielen des Frankfurter Schauspiels inszeniert hat, verlebendigt diese Parabel vom Untergang der Würde im Tempo mit kongenialer Gemeinheit und treffsicheren Charakteren. Claude de Demo als Anne Holz trägt das iPhone wie ein Hundehalsband und benützt das Aufklappen ihres Macbooks als Guillotine für jedes Gespräch und atmosphärischen Keuschheitsgürtel. Anfänglich noch die sympathisch Nervöse, die ihre Freiheit in der Selbständigkeit sucht, mutiert sie mit jeder weiteren Verlagerung ihres Lebenssinns in die Arbeit zum Zombie: 'Was soll das werden? Ein Dialog?', kontert sie den letzten verzweifelten Versuch ihres Gatten, über die Ruine ihrer Beziehung zu sprechen.
Viktor Tremmel spielt diesen beruflich gescheiterten Gatten zunächst mit der einfältigen Ehe-Kumpeligkeit, wie sie in langen Beziehungen entsteht, läuft aber mit jedem Candle-Light-Dinner, das Anne Holz wegen Terminen schmeißt, zu Fettleibigkeit und tragischer Größe auf. Schließlich bringt er sich als riesiger Fress-Hulk durch eine Überdosis von Annes Schlaftabletten um (zu einem für ihre Pläne sehr 'ungelegenen' Zeitpunkt, wie sie gegenüber der Polizei bemerkt). Seinen besten Freund Peter Pilz (als gestörte Kunsttype ebenfalls überzeugend: Christoph Pütthoff) inspiriert dieser Selbstmord zu einem Staubhaufen, mit dem er seine Schaffenskrise beendet und zurück in die Erfolgsspur findet. Das letzte Wort aber hat Anne Holz: Auf einer mit Blut, Erdnuss-Flips und Golfbällen übersäten Bühne stellt sie fest: 'Ich habe Erfolg. Und ich zahle den Preis dafür.'
Der frenetische Applaus, den diese temporeiche, komische und treffende Satire über den Terror von Ehrgeiz und Erreichbarkeit erzeugte, hat sicherlich damit zu tun, dass diese Hysterie heute niemanden mehr verschont. Mit der totalen Entgrenzung der Arbeit ins Private entkommt man der Selbstaufgabe unterm Apfelmond nur noch in der handyfreien Zone des Theaters. Zeller und Bruinier haben dieses analoge Reservat gekonnt benutzt für eine fröhliche Warnung: Wir alle haben Talent, als Apple"s Monster zu enden. Falls Ihr Partner also mit Ihnen reden möchte, klappen Sie ruhig den Laptop zu.