Ein Streit um den Nachlass nimmt kein Ende
Franz Kafka war ein Leser von Charles Dickens. Zu den Bildern, die einem bei seinem Roman 'Der Process' in den Sinn kommen, gehört auch der Leser Kafka, der aus Dickens" Roman 'Bleak House' das düstere Aroma des Gerichtsgebäudes, die Aktenberge und die labyrinthischen Windungen des Jarndyce-Prozesses, der alle Beteiligten überlebt und die Papiermassen unaufhörlich anwachsen lässt, in sich aufnimmt.
Seit Jahren werden Teile der Hinterlassenschaft Kafkas in einen Prozess vor dem Familiengericht in Tel Aviv hineingezogen, den die Israelische Nationalbibliothek im Sommer 2009 gegen Eva Hoffe und Ruth Wiesler angestrengt hat, die Töchter und Erbinnen der langjährigen Sekretärin Max Brods, Ilse Ester Hoffe, die 2007 hochbetagt in Tel Aviv gestorben war. Ihre Tochter Ruth Wiesler ist im Frühjahr 2012 verstorben. Am Sonntag hat die Richterin das Urteil verkündet: Eva Hoffe soll die in ihrem Besitz befindlichen Dokumente - es geht um den Nachlass Max Brods, der in Israel liegt, und um Handschriften und Zeichnungen Kafkas, die in Zürich in einem Banktresor liegen - der Nationalbibliothek übergeben. Eva Hoffe und ihre Schwester wollten die Dokumente an das Deutsche Literaturarchiv in Marbach verkaufen.
Wirbel um den Nachlass von Franz Kafka
Brod hatte seiner Sekretärin zu Lebzeiten die Handschriften geschenkt, die Kafka ihm mit der Bitte übergeben hatte, alle unveröffentlichten Manuskripte nach seinem Tod zu vernichten. Dieser Bitte kam Brod bekanntlich nicht nach und trug so entscheidend zum Weltruhm Kafkas bei. Brod brachte, als er 1939 vor den Nazis flüchtete, die Manuskripte aus Prag mit nach Tel Aviv. Er war aber auch selbst ein höchst produktiver Autor und Briefeschreiber mit einem umfangreichen Archiv. Als seine Nachlassverwalterin setzte er in seinem Testament vom Juni 1961 ebenfalls Ilse Ester Hoffe ein, die also nach Brods Tod im Jahre 1968 sowohl über den Brod-Nachlass wie die Kafka Handschriften verfügte.
Aber nicht unangefochten. Schon Anfang der Siebzigerjahre versuchte der israelische Staat, ihre Erbberechtigung anzufechten. Doch bestätigte 1974 ein Richter unter Verweis auf das Testament Max Brods das Recht seiner Sekretärin, zeitlebens über den Brod-Nachlass wie über die Kafka-Handschriften zu verfügen. Das Testament war aber der Ansatzpunkt auch der nun erfolgreichen Klage der Nationalbibliothek. Denn es legt in seinem Artikel 11 fest, Ilse Ester Hoffe solle dafür sorgen, dass die Dokumente nach ihrem Tod 'der Bibliothek der Hebräischen Universität Jerusalem oder der Stadtbücherei Tel Aviv oder einem anderen öffentlichen Archiv im Inland oder Ausland zur Aufbewahrung übergeben werden sollen'.
Die Tel Aviver Richterin folgte nun der Auffassung der vormaligen Universitätsbibliothek Jerusalem und nunmehrigen Nationalbibliothek, dies sei eine klare Hierarchie. Es gibt aber einen Passus im Testament, der alle genannten Optionen der Voraussetzung unterstellt, Ilse Ester Hoffe habe 'nicht zu Lebzeiten ein anderes Arrangement getroffen'. Das tat sie, als sie 1988 das 'Process'-Manuskript für etwa 3,5 Millionen Mark nach Marbach verkaufte.
Eva Hoffe, die Tochter, wollte mit ihrer verstorbenen Schwester an diese Option anknüpfen. Sie hat nun angekündigt, in Revision zu gehen. Das Marbacher Literaturarchiv enthält sich jeder Stellungnahme. Man will dort erst einmal das hebräisch verfasste, knapp sechzig Seiten umfassende Urteil übersetzen lassen und studieren.
Haggai Ben Schammai, akademischer Leiter der Nationalbibliothek, ist hocherfreut. Er sagte, das Urteil entspreche dem Willen Franz Kafkas, und fügte laut ARD hinzu: 'Franz Kafka hatte die Absicht, ins Land Israel einzuwandern. Wir haben in der Nationalbibliothek ein Heft, in dem er mit deutscher Übersetzung Worte auf Hebräisch aufgeschrieben hat.' Das fällt angesichts der Ambivalenz Kafkas gegenüber seinem Judentum und dem Zionismus ins absurde Fach, ganz abgesehen von seiner Vernichtungsanweisung an Brod. Es ist aber Teil der Begleitmusik des Prozesses in der israelischen Presse, etwa in Haaretz. Darin wurde Israel immer mehr zur postumen Heimat Kafkas. Die Sicherung seiner Handschriften und des Brod-Nachlasses gilt dort als nationale Aufgabe.
Hans-Gerd Koch, Herausgeber der Briefe Kafkas in der Kritischen Ausgabe bei S. Fischer, sagte der tageszeitung lapidar, wenn das Urteil Bestand habe, 'käme es einer Enteignung der rechtmäßigen Erben gleich'.
Franz Kafka war ein Leser von Charles Dickens. Zu den Bildern, die einem bei seinem Roman 'Der Process' in den Sinn kommen, gehört auch der Leser Kafka, der aus Dickens" Roman 'Bleak House' das düstere Aroma des Gerichtsgebäudes, die Aktenberge und die labyrinthischen Windungen des Jarndyce-Prozesses, der alle Beteiligten überlebt und die Papiermassen unaufhörlich anwachsen lässt, in sich aufnimmt.
Seit Jahren werden Teile der Hinterlassenschaft Kafkas in einen Prozess vor dem Familiengericht in Tel Aviv hineingezogen, den die Israelische Nationalbibliothek im Sommer 2009 gegen Eva Hoffe und Ruth Wiesler angestrengt hat, die Töchter und Erbinnen der langjährigen Sekretärin Max Brods, Ilse Ester Hoffe, die 2007 hochbetagt in Tel Aviv gestorben war. Ihre Tochter Ruth Wiesler ist im Frühjahr 2012 verstorben. Am Sonntag hat die Richterin das Urteil verkündet: Eva Hoffe soll die in ihrem Besitz befindlichen Dokumente - es geht um den Nachlass Max Brods, der in Israel liegt, und um Handschriften und Zeichnungen Kafkas, die in Zürich in einem Banktresor liegen - der Nationalbibliothek übergeben. Eva Hoffe und ihre Schwester wollten die Dokumente an das Deutsche Literaturarchiv in Marbach verkaufen.
Wirbel um den Nachlass von Franz Kafka
Brod hatte seiner Sekretärin zu Lebzeiten die Handschriften geschenkt, die Kafka ihm mit der Bitte übergeben hatte, alle unveröffentlichten Manuskripte nach seinem Tod zu vernichten. Dieser Bitte kam Brod bekanntlich nicht nach und trug so entscheidend zum Weltruhm Kafkas bei. Brod brachte, als er 1939 vor den Nazis flüchtete, die Manuskripte aus Prag mit nach Tel Aviv. Er war aber auch selbst ein höchst produktiver Autor und Briefeschreiber mit einem umfangreichen Archiv. Als seine Nachlassverwalterin setzte er in seinem Testament vom Juni 1961 ebenfalls Ilse Ester Hoffe ein, die also nach Brods Tod im Jahre 1968 sowohl über den Brod-Nachlass wie die Kafka Handschriften verfügte.
Aber nicht unangefochten. Schon Anfang der Siebzigerjahre versuchte der israelische Staat, ihre Erbberechtigung anzufechten. Doch bestätigte 1974 ein Richter unter Verweis auf das Testament Max Brods das Recht seiner Sekretärin, zeitlebens über den Brod-Nachlass wie über die Kafka-Handschriften zu verfügen. Das Testament war aber der Ansatzpunkt auch der nun erfolgreichen Klage der Nationalbibliothek. Denn es legt in seinem Artikel 11 fest, Ilse Ester Hoffe solle dafür sorgen, dass die Dokumente nach ihrem Tod 'der Bibliothek der Hebräischen Universität Jerusalem oder der Stadtbücherei Tel Aviv oder einem anderen öffentlichen Archiv im Inland oder Ausland zur Aufbewahrung übergeben werden sollen'.
Die Tel Aviver Richterin folgte nun der Auffassung der vormaligen Universitätsbibliothek Jerusalem und nunmehrigen Nationalbibliothek, dies sei eine klare Hierarchie. Es gibt aber einen Passus im Testament, der alle genannten Optionen der Voraussetzung unterstellt, Ilse Ester Hoffe habe 'nicht zu Lebzeiten ein anderes Arrangement getroffen'. Das tat sie, als sie 1988 das 'Process'-Manuskript für etwa 3,5 Millionen Mark nach Marbach verkaufte.
Eva Hoffe, die Tochter, wollte mit ihrer verstorbenen Schwester an diese Option anknüpfen. Sie hat nun angekündigt, in Revision zu gehen. Das Marbacher Literaturarchiv enthält sich jeder Stellungnahme. Man will dort erst einmal das hebräisch verfasste, knapp sechzig Seiten umfassende Urteil übersetzen lassen und studieren.
Haggai Ben Schammai, akademischer Leiter der Nationalbibliothek, ist hocherfreut. Er sagte, das Urteil entspreche dem Willen Franz Kafkas, und fügte laut ARD hinzu: 'Franz Kafka hatte die Absicht, ins Land Israel einzuwandern. Wir haben in der Nationalbibliothek ein Heft, in dem er mit deutscher Übersetzung Worte auf Hebräisch aufgeschrieben hat.' Das fällt angesichts der Ambivalenz Kafkas gegenüber seinem Judentum und dem Zionismus ins absurde Fach, ganz abgesehen von seiner Vernichtungsanweisung an Brod. Es ist aber Teil der Begleitmusik des Prozesses in der israelischen Presse, etwa in Haaretz. Darin wurde Israel immer mehr zur postumen Heimat Kafkas. Die Sicherung seiner Handschriften und des Brod-Nachlasses gilt dort als nationale Aufgabe.
Hans-Gerd Koch, Herausgeber der Briefe Kafkas in der Kritischen Ausgabe bei S. Fischer, sagte der tageszeitung lapidar, wenn das Urteil Bestand habe, 'käme es einer Enteignung der rechtmäßigen Erben gleich'.