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Bei aller Freundschaft

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Das freundschaftliche Verhältnis zwischen Israel und den USA wird von den unterschiedlichen Interessen der Länder stark beeinflusst.

Es flattern die Fahnen der Freundschaft im Wind, und an jeder Ecke ist das Logo zu sehen, das eigens für diesen ach so ersehnten Besuch von US-Präsident Barack Obama in Israel entworfen wurde: 'Star and Stripes' ist das Motto, zu sehen sind die rot-weißen Streifen der amerikanischen Flagge mit einem blauen Davidstern. Symbolhaft aufgeladen, wird in diesen Tagen wieder das 'unzerbrechliche Bündnis' zwischen den Vereinigten Staaten und dem jüdischen Staat beschworen, so als sei Israel der 51. amerikanische Bundesstaat.


Obama heute nach seiner Rede im International Convention Center in Jerusalem

Tatsächlich gibt es wohl kein zweites internationales Bündnis wie das zwischen der Supermacht und dem nahöstlichen Zwerg mit knapp acht Millionen Einwohnern. Doch jenseits des sorgfältig choreografierten Weihefestes sollte niemand - vor allem nicht in Jerusalem - vergessen, dass am Ende Politik von Interessen bestimmt wird. Und Gegensätze, wie sie zwischen den USA und Israel unübersehbar sind, können selbst die stärkste Allianz ziemlich unter Spannung setzen.

Es lohnt sich also, daran zu erinnern, dass das heute so felsenfest erscheinende Bündnis ein relativ später Glücksfall in Israels Geschichte ist. Gewiss: Vom Pioniergeist bis hin zur Bedeutung des Heiligen Landes für die evangelikalen Christen in den USA verbindet die beiden Gesellschaften vieles. Selbst wenn man einmal den meist überschätzten, aber oft zitierten Einfluss der jüdischen Lobby auf die amerikanische Politik beiseite lässt, so sind die Schutzmacht und der Schützling auf vielfältige Weise miteinander verwoben. Doch diese besondere Beziehung ist nicht vom Himmel gefallen und nicht in Stein gemeißelt - sie ist das Ergebnis eines mühsamen und von Interessen geleiteten Annäherungsprozesses.

Nach Israels Staatsgründung vor 65Jahren hatte Washington noch ein Waffenembargo gegen den jüdischen Staat verhängt. Erst einige Zeit nach dem Sechstagekrieg von 1967 nahmen die USA allmählich die Rolle der Schutzmacht ein. Richard Nixon war der erste US-Präsident, der Israel besuchte, Barack Obama ist erst der fünfte. Die historische Basis also ist schmaler, als man gemeinhin denkt.

Bei aller gewachsenen Treue zu Israel sind die USA in ihrer Nahost-Politik zuvörderst immer daran interessiert, die Region zu befrieden. Einst war das wichtig für Amerikas Rohstoffversorgung, heute ist es essenziell für Amerikas Stellung in der Welt, deren Gleichgewicht vom Antagonismus zwischen dem Westen und den muslimischen Ländern bedroht wird. Präsident Jimmy Carter wurde deshalb 1979 zum Schutzpatron des Ausgleichs mit Ägypten, Bill Clinton hielt 1994 seine Hand über den Friedensschluss mit Jordanien - scheiterte aber bei dem Versuch, Israelis und Palästinenser zu versöhnen. Bis heute schwelt dieser Konflikt, er ist eine Aufgabe für Barack Obama geblieben. Doch auch seine Erfolgschancen sind nicht allzu groß, und sie werden nicht größer dadurch, dass sich mit den iranischen Atom-Ambitionen eine neue Bedrohung in den Vordergrund geschoben hat.

Denn weder in der Iran-Frage noch im Friedensprozess ziehen Washington und Jerusalem derzeit an einem Strang. Selbst die nun gefundenen Formelkompromisse können die Streitpunkte nicht übertünchen. Israels Premier Benjamin Netanjahu droht Iran mit einem militärischen Angriff, notfalls im Alleingang, und beruft sich auf Israels Recht zur Selbstverteidigung; Obama setzt auf Diplomatie, weil sich die von den Abenteuern in Afghanistan und Irak ermüdeten USA einen neuen Krieg nicht zumuten wollen.

Ähnlich kontrovers sind die Positionen im Friedensprozess. Netanjahu baut trotz ständiger Ermahnungen aus Washington die jüdischen Siedlungen im besetzten Westjordanland aus und torpediert damit alle internationalen Bemühungen. Obama aber hat den Palästinensern stets - und auch bei seinem Besuch in Ramallah am Donnerstag wieder - den eigenen Staat versprochen.

Israels Politik kann zu einer ernsten Bedrohung für Washingtons Interessen werden - und das werden die USA, bei aller Freundschaft, nicht zulassen. Weil die Kräfteverhältnisse in dieser Beziehung klar sind, gibt es nur zwei Möglichkeiten. Entweder Israel bewegt sich und passt sich zumindest teilweise den amerikanischen Positionen an, oder die USA werden über kurz oder lang mehr Distanz schaffen zum Verbündeten. Anzeichen dafür sind selbst bei dem gerade inszenierten Fest der Völkerfreundschaft zu beobachten. Denn als Höhepunkt der Reise hat der US-Präsident keine Rede vor der Knesset gehalten, wie dies die Führung in Jerusalem gern gehabt hätte. Er hat sich sein Publikum selber gesucht und vor Studenten seine Vision vom Frieden ausgebreitet; nicht vor den Politikern.

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