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Operation Parkverbot

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Schicke Optik, dröhnende Rhetorik - trotzdem steckt 'Inspire', das Magazin für den Al-Qaida-Nachwuchs, in der Krise.

Als Inspire im Sommer 2010 zum ersten Mal erschien, war das Dschihad-Magazin eine Sensation. Die neue Ausgabe hingegen ist eher peinlich - und sagt einiges über die aktuelle Situation von Al-Qaida aus. Am ersten März war es wieder soweit: Al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel veröffentlichte nach rund zehn Monaten Pause eine neue Ausgabe von Inspire, ihres englischsprachigen Online-Magazins. Sogleich stürzten sich Sicherheitsbehörden, Journalisten und Dschihadisten auf das Heft. Nach der Lektüre waren die einen erleichtert, die anderen vermutlich enttäuscht. Denn die zehnte Ausgabe wirkt eher wie eine Parodie früherer Ausgaben.



Schicke Optik, dröhnende Rhetorik -"Inspire", das Magazin für den Al-Qaida-Nachwuchs.

Interessant ist das aktuelle Heft vor allem für Autofahrer. Denn Al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel (AQAH) hat den Straßenverkehr zur neuen Kampfzone auserkoren: Nagelbretter und Öl auf der Fahrbahn sollen Unfälle provozieren, parkende Fahrzeuge seien in Brand zu stecken. Natürlich nur, wenn es sich dabei nicht um Autos von Muslimen handele. In der Logik der Dschihadisten sollen die durch diese Aktionen entstehenden Kosten zunächst die Versicherungen in den Ruin treiben und schließlich die Regierungen zwingen, ihre 'Tyrannei gegen die Muslime' zu beenden.

Diese Logik mag abstrus, die Ratschläge albern sein. Spätestens die Hinweise zum Anzünden von Autos - bei AQAH die 'Operation No Parking' - sind jedoch unfreiwillig komisch. Denn der Verfasser rät, sich beim Ausschütten von Benzin nicht selber zu übergießen. All das klingt mehr nach betreutem Arbeiten denn nach der Ausbildung potenzieller Attentäter.

Dennoch sollte man diese Vorschläge nicht auf die leichte Schulter nehmen. Denn sie erscheinen in einem anderen Licht, wenn man sich vor Augen führt, an wen sich diese Ratschläge richten: junge, bereits radikalisierte Muslime im Westen, die vor dem Schritt in die Militanz stehen. Für diese kann ein Magazin wie Inspire den entscheidenden Anstoß geben.

So wie im Fall von Keramat G., einem Deutsch-Afghanen, der im Februar 2011 einen Sprengkörper herzustellen versuchte. Die Anleitung dazu stammte aus der ersten Ausgabe von Inspire. In seinem Übereifer verwendete G. jedoch die zehnfache Menge an Sprengmaterial. Die Chemikalien explodierten bereits beim Mischen, G. verletzte sich schwer, seine Wohnung wurde stark beschädigt. Er muss sich derzeit vor dem Frankfurter Landgericht wegen der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat verantworten.

Einzeltäter wie Keramat G., die sogenannten einsamen Wölfe', sind von den Sicherheitsbehörden gefürchtet. Sie sind besonders schwer aufzuspüren, da sie keine Verbindungen in die Dschihad-Szene haben. Hinzu kommt, dass der Prozess ihrer Radikalisierung sehr schnell und von der Außenwelt unbemerkt verlaufen kann. Derartige Einzeltäter, die zum intellektuellen Fußvolk des Dschihadismus zählen, könnten sich auch von der neuen Ausgabe angesprochen fühlen. Neue Leser dürfte AQAH aber kaum gewinnen. Denn der geistige Niedergang von Inspire manifestiert sich auch in allen inhaltlichen Aspekten. Weder schicke Optik noch dröhnende Rhetorik können darüber hinwegtäuschen, dass das Heft nichts ist als ein müder Aufguss der sattsam bekannten Mischung aus Propaganda, praktischen Terror-Tipps und Reden von Al-Qaida-Führern, alles abgeschmeckt mit Dschihad-Lyrik.

Ein dominierendes Thema ist die französische Intervention in Mali, der sich gleich mehrere Texte widmen. Tenor: Die Intervention sei ein 'Kreuzzug' gegen den Islam, der Frankreich schaden werde: zu stark sei der Gegner, zu schwach die französische Wirtschaft. Und überhaupt: Im Jemen, in Mali, in Syrien - überall seien die Mudschahedin auf dem Vormarsch, weil sie den Kampf um die Herzen und Seelen der Menschen für sich entschieden.

Für Aufregung in der westlichen Öffentlichkeit soll vermutlich eine 'Fahndungsliste' mit prominenten Islamkritikern sorgen - prahlerisches Motto: 'Eine Kugel am Tag hält den Ungläubigen fern.' Doch auch hier kommt nichts Neues; die aufgeführten Personen stehen seit geraumer Zeit im Visier von Islamisten: der radikale US-Prediger Terry Jones, der dänische Zeichner Kurt Westergaard, ebenso Ayaan Hirsi Ali und Geert Wilders.

Jedoch offenbart das Heft bei näherer Betrachtung interessante Einsichten über den Zustand der Al-Qaida-Filiale im Jemen: Der dürftige Inhalt und eine verstärkte Betonung der Strategie des 'individuellen Dschihad' sind Indizien dafür, dass AQAH sich derzeit in der Defensive befindet - und ein Personalproblem hat.

Schuld daran ist in erster Linie der Drohnenkrieg, den die USA gegen die Dschihadisten im Jemen führen. Hinzu kommt das massive Vorgehen der jemenitischen Armee. Die Drohnenangriffe haben in den vergangenen Monaten stark zugenommen und große Lücken in die Reihen von AQAH gerissen; unter den Toten ist auch Führungspersonal wie Adil al-Abbab, ein hochrangiger Scharia-Gelehrten von AQAH.

Die Drohnen sorgten auch für den bis dato größten Verlust von Inspire: Im September 2011 töteten sie den populären Prediger Anwar al-Awlaki, der eine Art Galionsfigur der Zeitschrift war und bei Dschihadisten in der westlichen Welt enormes Ansehen genoss. Mit seinem Tod ist die Qualität der Terror-Postille spürbar gesunken, die Strahlkraft erloschen.

AQAH steht nun vor dem grundsätzlichen Problem, geeignetes Personal zu finden, das fließend Englisch spricht und über die notwendigen redaktionellen Kenntnisse verfügt. Derartigen Nachwuchs gibt es zwar, doch er wird inzwischen häufig schon während der Ausbildung getötet. Ein Beispiel für diese jemenitische Variante des brain drain ist Abu Yazeed al-Qatary. Er tauchte erstmals in einem AQAH-Video im Dezember 2011 auf und sorgte damals ob seiner ungeklärten Identität für Rätselraten bei den Sicherheitsbehörden. In der neunten Ausgabe erschien er dann erstmals als Autor. Ein langer Nachruf in der aktuellen Ausgabe belegt nun, dass seine publizistische Karriere nur eine Ausgabe lang währte.

Angesichts des hohes Verfolgungsdrucks und der Unfähigkeit, derzeit selber größere Anschläge durchzuführen, setzt AQAH nun umso mehr auf Einzeltäter, die im Westen Anschläge begehen sollen. Subtext: Lieber viele kleine Anschläge als überhaupt keine.

Hinter all der dröhnenden Propaganda schimmert eine leise Verzweiflung ob der eigenen Handlungsunfähigkeit. Da wären schon ein paar brennende Autos ein Erfolg. Doch am größten scheint die Furcht der Terroristen vor der Nichtbeachtung: Die ersten Ausgaben schlugen ein wie eine Bombe, das aktuelle Heft hingegen findet kaum öffentlichen Widerhall - zu Recht.

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