Die Aufständischen in Syrien brauchen Hilfe, um Assad zu stürzen. Doch in Deutschland passiert nicht viel.
Ferne Ereignisse, insbesondere schreckliche, können auch in der Innenpolitik Druck aufbauen. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat diese Lektion gelernt und sie nach der Atomkatastrophe von Fukushima mit einer rasanten Energiewende beherzigt. Jene Katastrophe aber, die sich seit zwei Jahren in Syrien entfaltet und 70000 Menschen das Leben gekostet hat, bewirkt in der Innenpolitik auf seltsame Weise: gar nichts. Die Kanzlerin und ihr Außenminister versichern, dass sie unter dem endlosen Morden leiden. Gewiss quält beide, was jeden fühlenden Menschen quälen muss. Sie stehen aber deshalb nicht etwa unter Druck. In Fragen von Krieg und Frieden wissen sich Angela Merkel und Guido Westerwelle einig mit dem allergrößten Teil der deutschen Bevölkerung. Worin? Darin, dass Deutschland gut sein und keine neue Schuld auf sich laden soll.
Assad hat genügend Waffen, die Opposition nicht.
Solange es um das Wünschen geht, ist auch klar, was das im Falle Syriens bedeutet. Die Herrschaft des Baschar al-Assad soll zu Ende gehen und das Morden aufhören. Die moderate Opposition soll die Macht im ganzen Land übernehmen und ein Gemetzel zwischen Volksgruppen und Religionen verhindern. Gotteskriegern soll nicht erlaubt werden, die ganze Region ins Unglück zu stürzen. Gute Ziele sind das. Ziele, die zumindest im Westen fast jeder teilt. Die Probleme beginnen beim Tun. Oder auch beim Nicht-Tun. Hier wird es tückisch, denn beides kann im Krieg Schuld nach sich ziehen. Der Streit über Waffenlieferungen an die syrische Opposition demonstriert, wie schwer es trotz bester Absichten sein kann, die richtige Seite zu finden.
Deutschland gehört bislang in der Europäischen Union zu jenen, die am Waffenembargo festhalten wollen. Es gibt dafür gute Gründe. Das Kriegsgerät kann in die Hände von Extremisten geraten, die in großer Zahl in Syrien versammelt sind. Es birgt die Gefahr, dass sich die Spirale der Gewalt noch schneller dreht und Nachbarländer in Mitleidenschaft gezogen werden. Waffenlieferungen könnten den Konflikt weiter anheizen, hat die Kanzlerin gewarnt. Das klingt danach, dass die Bundesregierung auf der sicheren, der guten Seite steht, die den Menschen in Syrien noch mehr Leid ersparen will. Auf dieser Seite ist jedenfalls die 'Kultur der militärischen Zurückhaltung' (Westerwelle) zu Hause und damit wohl auch die große Mehrheit der Bundesbürger.
Gegen die angeführten Argumente spricht nichts außer vielleicht die Wirklichkeit in Syrien. Die Aufständischen kontrollieren mittlerweile Teile des Landes, doch bisher sind sie nicht in der Lage, den Krieg für sich zu entscheiden. Der seit Monaten von Geheimdiensten, auch deutschen, prophezeite Zusammenbruch des Assad-Regimes lässt auf sich warten. Assad setzt derweil auf Massenmord, lässt Kämpfer wie Zivilisten mit Artillerie, Raketen und aus Flugzeugen beschießen. Er muss dabei nicht fürchten, dass ihm die Munition ausgeht. Er wird versorgt vom befreundeten Regime in Teheran und wohl auch von Russland. Das Embargo der EU hat eben diesen einen gewichtigen Haken: Es trifft nur die Opposition.
Die Politik des Westens im komplizierten syrischen Gemenge lässt sich ausführlich erklären. In den Ohren der syrischen Opposition wird sie knapp zusammengefasst, aber in etwa so klingen: 'Wir sind mit euch und wollen euren Sieg. Wir können militärisch aber nicht selbst eingreifen, weil ein Mandat des UN-Sicherheitsrates illusorisch wäre und wir ohnedies ein Desaster fürchten. Bedauerlicherweise können wir euch auch keine Waffen schicken, weil wir fürchten, dass das den Konflikt anheizt. Aber ansonsten tun wir, was wir können.' Es sollte nicht zu viel verlangt sein, die Wirkung dieser Worte auf jene zu bedenken, die in Homs oder Aleppo unter Beschuss stehen.
Das lässt die Gegenargumente nicht verschwinden, sollte aber doch die Gewissheit stören, mit der Verlängerung des Embargos zwingend Gutes zu tun. Waffenlieferungen sind nicht per se schlecht. Es gäbe heute keinen Staat Israel, dessen Sicherheit Deutschland zum Teil seiner Staatsraison erklären könnte, hätte nicht die Tschechoslowakei ihn im ersten Krieg gegen die arabischen Nachbarn umfänglich bewaffnet. Das heutige Deutschland ist einer der größten Waffenexporteure der Welt. Die Bundesregierung, übrigens nicht erst die jetzige, entwickelt große Kreativität, wann immer Rüstungsgeschäfte auch mit Diktaturen und Ländern in Spannungsgebieten zu begründen sind - mit Saudi-Arabien etwa, auf das beides zutrifft. Die Kultur der militärischen Zurückhaltung ist offenkundig auch eine der Flexibilität.
Es gibt also nicht den sicheren moralischen Grund, von dem aus Deutsche im Streit um das Embargo etwa über die Franzosen richten könnten. Wenn Präsident François Hollande sich für einen Wechsel in der Syrien-Politik ausspricht, so tut er das gewiss auch aus innenpolitischen Motiven. Das zeugt allerdings auch davon, dass in Frankreich die innenpolitische Diskussion eine andere ist und folglich auch der Druck größer. Im Land der Résistance ist das Verständnis für den Waffenbedarf Aufständischer augenscheinlich stärker ausgeprägt als in Deutschland oder auch in Österreich. An diesem Unterschied zeigt sich ein klassisches Problem, das europäische Außenpolitik zwar nicht unmöglich macht, aber doch sehr erschwert. Es droht nun im Embargostreit eine Blockade, die niemandem nützt außer natürlich Assad.
Beide Seiten sollten zugeben, dass niemand wirklich weiß, wie Krieg und Leiden in Syrien am schnellsten zu beenden sind. Dazu gehört das Eingeständnis einerseits, dass die aus Sicht des Westens Falschen, die Dschihadisten, ja längst bewaffnet werden von Saudi-Arabien und den Golfstaaten. Europäer könnten in dieser Lage also wenigstens versuchen, die Moderaten zu stärken. Nötig wäre auch das Eingeständnis andererseits, dass keine Macht der Welt garantieren kann, dass Waffen nur in die richtigen Hände geraten. In Libyen hat sich überdies gerade erst gezeigt, wie leicht Waffen ihren Weg zum nächsten Krieg finden - in diesem Fall nach Mali. Wer Waffen liefern will nach Syrien, muss daher Verantwortung übernehmen und zumindest alles Mögliche tun, um Missbrauch zu verhindern.
So oder so werden die meisten EU-Länder, darunter Deutschland, der Opposition auch künftig keine Waffen schicken. Es geht nur darum, ob Franzosen und womöglich Briten es doch tun können, ohne dass es in dieser Frage zum Eklat kommt. Andernfalls wäre Europa blamiert, und auch die gemeinsame Sanktionspolitik gegenüber Syrien ginge in die Brüche. Wer diesen Preis zu zahlen bereit ist, sollte sich seiner Sache sehr sicher sein.
Ferne Ereignisse, insbesondere schreckliche, können auch in der Innenpolitik Druck aufbauen. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat diese Lektion gelernt und sie nach der Atomkatastrophe von Fukushima mit einer rasanten Energiewende beherzigt. Jene Katastrophe aber, die sich seit zwei Jahren in Syrien entfaltet und 70000 Menschen das Leben gekostet hat, bewirkt in der Innenpolitik auf seltsame Weise: gar nichts. Die Kanzlerin und ihr Außenminister versichern, dass sie unter dem endlosen Morden leiden. Gewiss quält beide, was jeden fühlenden Menschen quälen muss. Sie stehen aber deshalb nicht etwa unter Druck. In Fragen von Krieg und Frieden wissen sich Angela Merkel und Guido Westerwelle einig mit dem allergrößten Teil der deutschen Bevölkerung. Worin? Darin, dass Deutschland gut sein und keine neue Schuld auf sich laden soll.
Assad hat genügend Waffen, die Opposition nicht.
Solange es um das Wünschen geht, ist auch klar, was das im Falle Syriens bedeutet. Die Herrschaft des Baschar al-Assad soll zu Ende gehen und das Morden aufhören. Die moderate Opposition soll die Macht im ganzen Land übernehmen und ein Gemetzel zwischen Volksgruppen und Religionen verhindern. Gotteskriegern soll nicht erlaubt werden, die ganze Region ins Unglück zu stürzen. Gute Ziele sind das. Ziele, die zumindest im Westen fast jeder teilt. Die Probleme beginnen beim Tun. Oder auch beim Nicht-Tun. Hier wird es tückisch, denn beides kann im Krieg Schuld nach sich ziehen. Der Streit über Waffenlieferungen an die syrische Opposition demonstriert, wie schwer es trotz bester Absichten sein kann, die richtige Seite zu finden.
Deutschland gehört bislang in der Europäischen Union zu jenen, die am Waffenembargo festhalten wollen. Es gibt dafür gute Gründe. Das Kriegsgerät kann in die Hände von Extremisten geraten, die in großer Zahl in Syrien versammelt sind. Es birgt die Gefahr, dass sich die Spirale der Gewalt noch schneller dreht und Nachbarländer in Mitleidenschaft gezogen werden. Waffenlieferungen könnten den Konflikt weiter anheizen, hat die Kanzlerin gewarnt. Das klingt danach, dass die Bundesregierung auf der sicheren, der guten Seite steht, die den Menschen in Syrien noch mehr Leid ersparen will. Auf dieser Seite ist jedenfalls die 'Kultur der militärischen Zurückhaltung' (Westerwelle) zu Hause und damit wohl auch die große Mehrheit der Bundesbürger.
Gegen die angeführten Argumente spricht nichts außer vielleicht die Wirklichkeit in Syrien. Die Aufständischen kontrollieren mittlerweile Teile des Landes, doch bisher sind sie nicht in der Lage, den Krieg für sich zu entscheiden. Der seit Monaten von Geheimdiensten, auch deutschen, prophezeite Zusammenbruch des Assad-Regimes lässt auf sich warten. Assad setzt derweil auf Massenmord, lässt Kämpfer wie Zivilisten mit Artillerie, Raketen und aus Flugzeugen beschießen. Er muss dabei nicht fürchten, dass ihm die Munition ausgeht. Er wird versorgt vom befreundeten Regime in Teheran und wohl auch von Russland. Das Embargo der EU hat eben diesen einen gewichtigen Haken: Es trifft nur die Opposition.
Die Politik des Westens im komplizierten syrischen Gemenge lässt sich ausführlich erklären. In den Ohren der syrischen Opposition wird sie knapp zusammengefasst, aber in etwa so klingen: 'Wir sind mit euch und wollen euren Sieg. Wir können militärisch aber nicht selbst eingreifen, weil ein Mandat des UN-Sicherheitsrates illusorisch wäre und wir ohnedies ein Desaster fürchten. Bedauerlicherweise können wir euch auch keine Waffen schicken, weil wir fürchten, dass das den Konflikt anheizt. Aber ansonsten tun wir, was wir können.' Es sollte nicht zu viel verlangt sein, die Wirkung dieser Worte auf jene zu bedenken, die in Homs oder Aleppo unter Beschuss stehen.
Das lässt die Gegenargumente nicht verschwinden, sollte aber doch die Gewissheit stören, mit der Verlängerung des Embargos zwingend Gutes zu tun. Waffenlieferungen sind nicht per se schlecht. Es gäbe heute keinen Staat Israel, dessen Sicherheit Deutschland zum Teil seiner Staatsraison erklären könnte, hätte nicht die Tschechoslowakei ihn im ersten Krieg gegen die arabischen Nachbarn umfänglich bewaffnet. Das heutige Deutschland ist einer der größten Waffenexporteure der Welt. Die Bundesregierung, übrigens nicht erst die jetzige, entwickelt große Kreativität, wann immer Rüstungsgeschäfte auch mit Diktaturen und Ländern in Spannungsgebieten zu begründen sind - mit Saudi-Arabien etwa, auf das beides zutrifft. Die Kultur der militärischen Zurückhaltung ist offenkundig auch eine der Flexibilität.
Es gibt also nicht den sicheren moralischen Grund, von dem aus Deutsche im Streit um das Embargo etwa über die Franzosen richten könnten. Wenn Präsident François Hollande sich für einen Wechsel in der Syrien-Politik ausspricht, so tut er das gewiss auch aus innenpolitischen Motiven. Das zeugt allerdings auch davon, dass in Frankreich die innenpolitische Diskussion eine andere ist und folglich auch der Druck größer. Im Land der Résistance ist das Verständnis für den Waffenbedarf Aufständischer augenscheinlich stärker ausgeprägt als in Deutschland oder auch in Österreich. An diesem Unterschied zeigt sich ein klassisches Problem, das europäische Außenpolitik zwar nicht unmöglich macht, aber doch sehr erschwert. Es droht nun im Embargostreit eine Blockade, die niemandem nützt außer natürlich Assad.
Beide Seiten sollten zugeben, dass niemand wirklich weiß, wie Krieg und Leiden in Syrien am schnellsten zu beenden sind. Dazu gehört das Eingeständnis einerseits, dass die aus Sicht des Westens Falschen, die Dschihadisten, ja längst bewaffnet werden von Saudi-Arabien und den Golfstaaten. Europäer könnten in dieser Lage also wenigstens versuchen, die Moderaten zu stärken. Nötig wäre auch das Eingeständnis andererseits, dass keine Macht der Welt garantieren kann, dass Waffen nur in die richtigen Hände geraten. In Libyen hat sich überdies gerade erst gezeigt, wie leicht Waffen ihren Weg zum nächsten Krieg finden - in diesem Fall nach Mali. Wer Waffen liefern will nach Syrien, muss daher Verantwortung übernehmen und zumindest alles Mögliche tun, um Missbrauch zu verhindern.
So oder so werden die meisten EU-Länder, darunter Deutschland, der Opposition auch künftig keine Waffen schicken. Es geht nur darum, ob Franzosen und womöglich Briten es doch tun können, ohne dass es in dieser Frage zum Eklat kommt. Andernfalls wäre Europa blamiert, und auch die gemeinsame Sanktionspolitik gegenüber Syrien ginge in die Brüche. Wer diesen Preis zu zahlen bereit ist, sollte sich seiner Sache sehr sicher sein.