Dies ist der 'Ort mit richtigem ehrlichen Schlamm': In der Utopie vom britischen Landleben verbinden sich aufs Merkwürdigste Ökobewusstsein, Treibjagdrausch und das konservative Rebellentum des Landadels.
Der europaweite Pferdefleischskandal hat nirgends mehr Empörung hervorgerufen als in Großbritannien. Das liegt zum einen daran, dass der Verzehr von Pferdefleisch dort ähnlich beleumundet ist wie der von Hundesteak - er erscheint vielen kaum weniger verwerflich als Kannibalismus. Zum anderen ist der Fund von Pferde-DNA in angeblichen Rindfleischprodukten Wasser auf die Mühlen derer, denen ein internationalisierter Lebensmittelmarkt ein Dorn im Auge ist: Man kritisiert, wie andernorts auch, die Industrialisierung der Fleischproduktion und die kaum mehr nachzuvollziehenden, langen Transportwege als unerträgliche ökologische Belastung. Man empfindet Fleischfabriken auf dem Festland als Hauptbedrohung der Existenz lokaler Produzenten. Vor allem aber fühlt man sich durch die Fehldeklarierung von Pferdefleisch bestärkt im Verdacht, dass ausländischen Nahrungsquellen grundsätzlich nicht zu trauen ist - schon gar nicht, wenn das Produkt aus Frankreich kommt.
Die "Countryside Alliance" ist gegen die Hetzjagd von Füchsen
Das umreißt ganz gut die Haltung jener Bewahrer eines 'British Way of Life', den sie mit einem Ideal ländlich-idyllischen Lebens identifizieren. Viele dieser Freunde des Ländlichen sammeln sich im Interessenverband der 'Countryside Alliance'. Die nach eigenen Angaben rund 100 000 Mitglieder starke Organisation verleiht jedes Jahr die so genannten 'Rural Oscars'. Der Preis, eine massive Messingplakette, ist als 'Feier ländlichen Lebens, ländlicher Produkte und Gemeinschaften' deklariert. In diesem Jahr wurde unter anderem eine Farm in Devon ausgezeichnet für ihre 'Förderung des Erbes regionalen Essens und ihre Unterstützung von Bauernhöfen in Familienbesitz, die seit Generationen das Fundament unserer ländlichen Gemeinden und Landschaften bilden.' Andere Gewinner waren eine Metzgerei, die seit 100 Jahren den Ort Glossop in Derbyshire mit Fleisch versorgt, sowie die Fotografin Kay Thompson, die vornehmlich Bilder von Jagdhundrudeln macht.
Mit Thompsons Lieblingsmotiven nähert man sich dem ursprünglichen Daseinsgrund der Countryside Alliance, gegründet 1997. Sie ist eine Lobbygruppe gegen das Verbot der Treibjagd: Der 'Hunting Act' von 2004 untersagt die Hetzjagd von Füchsen mit Hunderudeln. Diese Jagdform wird von Teilen der Landbevölkerung als besonders traditionsreich und bewahrenswert verehrt.
Siegfried Sassoon beschreibt den Rausch der Treibjagd im autobiografischen Roman 'Memoirs of a Fox-Hunting Man' (1928), in dem der Ruf 'Hoick-holler, Hoick-holler!' die Hunde zum 'Ausbruch von Gebell' reizt: 'Bald rasten sie begeistert durchs Dickicht. Und dann hörte ich zum ersten Mal jenes Geräusch, das Generationen von Fuchsjägern bis ins Mark erregt hat. Drüben vom Wald kam das lange, schrille Kreischen, welches anzeigt, dass einer der Treiber den Fuchs aus der Deckung hat kommen sehen. Aber noch bevor ich mir einen Begriff von seiner Bedeutung machen konnte, war Lord Dumborough schon losgaloppiert, und der Rest eilte ihm nach, als sollte nichts sie aufhalten.' Hier werden Pferde geritten, nicht gegessen.
Oscar Wilde fasste das trockener zusammen: 'Der englische Country Gentleman, der einem Fuchs hinterher galoppiert - das Unsägliche auf der Jagd nach dem Ungenießbaren.' Doch für die Mitglieder der Countryside Alliance gilt der 'blood sport' als Inbegriff englischen Landlebens, natürlicher Forstpflege und Tradition. Dahinter steht zunächst das Beharren auf uralten Privilegien: Die Jagd als Privatvergnügen der Reichen und Mächtigen, die auf ihrem Grund und Boden tun können, was sie wollen. Aber im Fetisch der Treibjagd manifestiert sich zugleich eine umfassendere Verlangen nach der vermeintlichen Stabilität geordneter früherer Verhältnisse, als die Untergebenen noch freudig ihre Rollen als Treiber und Hundeführer spielten.
Es ist die Tory-Utopie, die im TV-Landhaus 'Downton Abbey' ihren Wallfahrtsort gefunden hat: In der von Julian Fellowes erdachten Märchenwelt sind die Diener der Herrschaft zutiefst dankbar, weil sie ihnen Lohn und Brot gibt. Die Familie des in 'Downton Abbey' residierenden Earls sieht es ihrerseits als Pflicht an, für das einfache Volk und das Gut zu sorgen. Im Vergleich dazu war die Siebzigerjahre-Seifenoper 'Das Haus am Eaton Place' eine differenzierte Geschichtsbefragung.
Ebenso wichtig ist die Sehnsucht nach Entschleunigung, dem einfachen Leben und der Identifizierung mit Heim, Scholle und einer überschaubaren Gemeinschaft anspruchsloser Selbstversorger. 'Downton Abbey'-Autor Fellowes spricht vom Dorf 'Welt, in der die individuelle Stimme noch gehört werden muss, wo der individuelle Wunsch respektiert werden kann, wo die Verwirklichung des individuellen Traums angestrebt werden darf.' Selbst altmodischer Ansichten sonst unverdächtige Autoren wie Jeanette Winterson lobt die 'Farmer, Hufschmiede, Strohdachdecker und Wildhüter, die die unsichtbare Arbeit tun, damit wir das genießen können, was für viele die Quintessenz Englands darstellt. Menschen, die für eine Daseinsform stehen, in der Geld nicht alles ist, in der andere Werte noch wichtig sind.'
In der hoch-individualistischen Haltung des 'agricultural exceptionalism', der Ausnahmestellung ländlicher Lebensart, vermischen sich unvereinbare Sichtweisen: Vehemente Vertreter einer ökologischen nachhaltigen Landwirtschaft der kurzen Wege, die wissen, woher ihr Rindfleisch kommt, weil sie das Rind selbst zum Schlachter gebracht haben, schimpfen auf steigende Benzinpreise, die standesgemäßes Fahren ihrer nicht umweltfreundlichen Geländewagen immer kostspieliger machen. Sie stemmen sich gegen den Ausbau des Straßennetzes, damit nicht noch mehr Land unter Asphalt verschwindet. Sie ziehen den Neubau von Atomkraftwerken jederzeit der Windkraft vor, weil die Windräder die Landschaft verschandeln. Sie wollen Artenvielfalt, besonders liegen ihnen einheimische Vogelarten am Herzen. Die aus Amerika eingewanderten grauen Eichhörnchen sollen aber als fremde Schädlinge ausgerottet werden.
Da vermischt sich aufs Merkwürdigste die Vorstellung ökologischer Reinheit mit einer von Daily Mail und rechtspopulistischen Parteien wie der UK Independence Party befeuerten Angst vor illegalen Einwanderern. Eine Angst, die graue Nager und 'ausländische Wohlfahrtsschmarotzer' gleichermaßen umfasst.
Sie sind keine geborenen Rebellen, diese Menschen in schlammbespritztem Tweed voller Hundehaare und grünen Gummistiefeln, dem Einheitslook des Landadels, in dem auch die Queen sich am wohlsten fühlt. Doch wenn sie ihren way of life angegriffen sehen, entwickeln sie eine erstaunlich subversive Energie. Die Countryside Alliance organisierte 2004 eine große Demonstration in London, die überraschend schnell in Gewalt umschlug - darin der McDonald"s-Filialen zertrümmernden 'Confédération paysanne' im beargwöhnten Frankreich nicht unähnlich.
Führende Alliance-Mitglieder wie der pensionierte Generalleutnant Sir Barney White-Spunner beschweren sich nicht nur regelmäßig über den 'lächerlichen Hunting Act', der 'unsere Freiheit so unerträglich beschneidet.' Sie weisen auch auf das handfeste Problem der schwindenden Infrastruktur auf dem Land hin: 'Wir haben ein Fünftel unserer Postämter verloren und 600 Tankstellen, und wenn wir jagen gehen, droht uns eine Festnahme im Morgengrauen', klagt White-Spunner.
Man könnte meinen, diese Ruralisten seien eine antimoderne Bewegung. So einfach ist es nicht. Eine stabile Versorgung mit Breitband-Internet steht ebenso hoch auf der Prioritätenliste wie die Erhaltung verträumter Postämter. Denn viele derjenigen, die sich für das simple life einsetzen, verdienen das Geld, das sie für ihren zweiten Wohnsitz in den Cotswolds benötigen, in der Londoner City. Zu diesem Lebensstil gehört es, dass man sonntags nicht nur die Pferde striegelt und Fasane schießt, sondern dabei auch jederzeit checken kann, wie sich die Hegde-Fonds entwickeln.
Für die Verbindung des festen Glaubens fuchsjagender Banker an die Kraft der globalisierten Märkte mit dem Traum unverfälschter Ländlichkeit steht niemand augenfälliger als Premierminister David Cameron. In einem Gastbeitrag für das Countryside Alliance-Magazin preist er die Grafschaften als 'Ort mit richtigem ehrlichen Schlamm, einem echten Gemeinschaftsgefühl und unglaublich hart arbeitenden Menschen, die etwas aus ihrem Leben machen wollen.' Die Landwirtschaft, die de facto großenteils ohne Subventionen der verhassten EU gar nicht aufrecht zu erhalten wäre, ist laut Cameron 'das, was Großbritannien groß macht': 'Sie ist Teil unserer nationalen Seele, wichtig nicht nur für Landschaftspflege, Tourismus und Agrarwirtschaft, sondern auch für unsere Identität und unser Wohlbefinden.'
Eine Art der Selbstversicherung, die kürzlich durch eine fiktive nationale Ikone einen unverhofften Schub erhielt: Der James-Bond-Film 'Skyfall' ist nicht nur nach dem Landsitz in den schottischen Highlands benannt, in dem Bond seine Jugend verbrachte. Der Film erlebt dort auch seine dramatische Klimax. Nachdem sein (angemessen fremdländischer) Antagonist Silva es geschafft hat, in der Metropole London die Geheimdienstzentrale in die Luft zu jagen, stellt Bond sich hier, in ländlicher Abgeschiedenheit, zum letzten Gefecht. Nur mit ein paar Jagdflinten, Gaskartuschen und seinem alten Aston Martin gewappnet, besiegen 007 und der väterliche Wildhüter Kincade eine Armada bis an die Zähne bewaffneter Bösewichter.
So bildgewaltig ist das robuste Ideal selbstgenügsamer britischer Ländlichkeit noch nie gefeiert worden. Gäbe es den 'Skyfall'-Bond wirklich, die Countryside Alliance hätte ihm längst eine Ehrenmitgliedschaft angetragen.
Der europaweite Pferdefleischskandal hat nirgends mehr Empörung hervorgerufen als in Großbritannien. Das liegt zum einen daran, dass der Verzehr von Pferdefleisch dort ähnlich beleumundet ist wie der von Hundesteak - er erscheint vielen kaum weniger verwerflich als Kannibalismus. Zum anderen ist der Fund von Pferde-DNA in angeblichen Rindfleischprodukten Wasser auf die Mühlen derer, denen ein internationalisierter Lebensmittelmarkt ein Dorn im Auge ist: Man kritisiert, wie andernorts auch, die Industrialisierung der Fleischproduktion und die kaum mehr nachzuvollziehenden, langen Transportwege als unerträgliche ökologische Belastung. Man empfindet Fleischfabriken auf dem Festland als Hauptbedrohung der Existenz lokaler Produzenten. Vor allem aber fühlt man sich durch die Fehldeklarierung von Pferdefleisch bestärkt im Verdacht, dass ausländischen Nahrungsquellen grundsätzlich nicht zu trauen ist - schon gar nicht, wenn das Produkt aus Frankreich kommt.
Die "Countryside Alliance" ist gegen die Hetzjagd von Füchsen
Das umreißt ganz gut die Haltung jener Bewahrer eines 'British Way of Life', den sie mit einem Ideal ländlich-idyllischen Lebens identifizieren. Viele dieser Freunde des Ländlichen sammeln sich im Interessenverband der 'Countryside Alliance'. Die nach eigenen Angaben rund 100 000 Mitglieder starke Organisation verleiht jedes Jahr die so genannten 'Rural Oscars'. Der Preis, eine massive Messingplakette, ist als 'Feier ländlichen Lebens, ländlicher Produkte und Gemeinschaften' deklariert. In diesem Jahr wurde unter anderem eine Farm in Devon ausgezeichnet für ihre 'Förderung des Erbes regionalen Essens und ihre Unterstützung von Bauernhöfen in Familienbesitz, die seit Generationen das Fundament unserer ländlichen Gemeinden und Landschaften bilden.' Andere Gewinner waren eine Metzgerei, die seit 100 Jahren den Ort Glossop in Derbyshire mit Fleisch versorgt, sowie die Fotografin Kay Thompson, die vornehmlich Bilder von Jagdhundrudeln macht.
Mit Thompsons Lieblingsmotiven nähert man sich dem ursprünglichen Daseinsgrund der Countryside Alliance, gegründet 1997. Sie ist eine Lobbygruppe gegen das Verbot der Treibjagd: Der 'Hunting Act' von 2004 untersagt die Hetzjagd von Füchsen mit Hunderudeln. Diese Jagdform wird von Teilen der Landbevölkerung als besonders traditionsreich und bewahrenswert verehrt.
Siegfried Sassoon beschreibt den Rausch der Treibjagd im autobiografischen Roman 'Memoirs of a Fox-Hunting Man' (1928), in dem der Ruf 'Hoick-holler, Hoick-holler!' die Hunde zum 'Ausbruch von Gebell' reizt: 'Bald rasten sie begeistert durchs Dickicht. Und dann hörte ich zum ersten Mal jenes Geräusch, das Generationen von Fuchsjägern bis ins Mark erregt hat. Drüben vom Wald kam das lange, schrille Kreischen, welches anzeigt, dass einer der Treiber den Fuchs aus der Deckung hat kommen sehen. Aber noch bevor ich mir einen Begriff von seiner Bedeutung machen konnte, war Lord Dumborough schon losgaloppiert, und der Rest eilte ihm nach, als sollte nichts sie aufhalten.' Hier werden Pferde geritten, nicht gegessen.
Oscar Wilde fasste das trockener zusammen: 'Der englische Country Gentleman, der einem Fuchs hinterher galoppiert - das Unsägliche auf der Jagd nach dem Ungenießbaren.' Doch für die Mitglieder der Countryside Alliance gilt der 'blood sport' als Inbegriff englischen Landlebens, natürlicher Forstpflege und Tradition. Dahinter steht zunächst das Beharren auf uralten Privilegien: Die Jagd als Privatvergnügen der Reichen und Mächtigen, die auf ihrem Grund und Boden tun können, was sie wollen. Aber im Fetisch der Treibjagd manifestiert sich zugleich eine umfassendere Verlangen nach der vermeintlichen Stabilität geordneter früherer Verhältnisse, als die Untergebenen noch freudig ihre Rollen als Treiber und Hundeführer spielten.
Es ist die Tory-Utopie, die im TV-Landhaus 'Downton Abbey' ihren Wallfahrtsort gefunden hat: In der von Julian Fellowes erdachten Märchenwelt sind die Diener der Herrschaft zutiefst dankbar, weil sie ihnen Lohn und Brot gibt. Die Familie des in 'Downton Abbey' residierenden Earls sieht es ihrerseits als Pflicht an, für das einfache Volk und das Gut zu sorgen. Im Vergleich dazu war die Siebzigerjahre-Seifenoper 'Das Haus am Eaton Place' eine differenzierte Geschichtsbefragung.
Ebenso wichtig ist die Sehnsucht nach Entschleunigung, dem einfachen Leben und der Identifizierung mit Heim, Scholle und einer überschaubaren Gemeinschaft anspruchsloser Selbstversorger. 'Downton Abbey'-Autor Fellowes spricht vom Dorf 'Welt, in der die individuelle Stimme noch gehört werden muss, wo der individuelle Wunsch respektiert werden kann, wo die Verwirklichung des individuellen Traums angestrebt werden darf.' Selbst altmodischer Ansichten sonst unverdächtige Autoren wie Jeanette Winterson lobt die 'Farmer, Hufschmiede, Strohdachdecker und Wildhüter, die die unsichtbare Arbeit tun, damit wir das genießen können, was für viele die Quintessenz Englands darstellt. Menschen, die für eine Daseinsform stehen, in der Geld nicht alles ist, in der andere Werte noch wichtig sind.'
In der hoch-individualistischen Haltung des 'agricultural exceptionalism', der Ausnahmestellung ländlicher Lebensart, vermischen sich unvereinbare Sichtweisen: Vehemente Vertreter einer ökologischen nachhaltigen Landwirtschaft der kurzen Wege, die wissen, woher ihr Rindfleisch kommt, weil sie das Rind selbst zum Schlachter gebracht haben, schimpfen auf steigende Benzinpreise, die standesgemäßes Fahren ihrer nicht umweltfreundlichen Geländewagen immer kostspieliger machen. Sie stemmen sich gegen den Ausbau des Straßennetzes, damit nicht noch mehr Land unter Asphalt verschwindet. Sie ziehen den Neubau von Atomkraftwerken jederzeit der Windkraft vor, weil die Windräder die Landschaft verschandeln. Sie wollen Artenvielfalt, besonders liegen ihnen einheimische Vogelarten am Herzen. Die aus Amerika eingewanderten grauen Eichhörnchen sollen aber als fremde Schädlinge ausgerottet werden.
Da vermischt sich aufs Merkwürdigste die Vorstellung ökologischer Reinheit mit einer von Daily Mail und rechtspopulistischen Parteien wie der UK Independence Party befeuerten Angst vor illegalen Einwanderern. Eine Angst, die graue Nager und 'ausländische Wohlfahrtsschmarotzer' gleichermaßen umfasst.
Sie sind keine geborenen Rebellen, diese Menschen in schlammbespritztem Tweed voller Hundehaare und grünen Gummistiefeln, dem Einheitslook des Landadels, in dem auch die Queen sich am wohlsten fühlt. Doch wenn sie ihren way of life angegriffen sehen, entwickeln sie eine erstaunlich subversive Energie. Die Countryside Alliance organisierte 2004 eine große Demonstration in London, die überraschend schnell in Gewalt umschlug - darin der McDonald"s-Filialen zertrümmernden 'Confédération paysanne' im beargwöhnten Frankreich nicht unähnlich.
Führende Alliance-Mitglieder wie der pensionierte Generalleutnant Sir Barney White-Spunner beschweren sich nicht nur regelmäßig über den 'lächerlichen Hunting Act', der 'unsere Freiheit so unerträglich beschneidet.' Sie weisen auch auf das handfeste Problem der schwindenden Infrastruktur auf dem Land hin: 'Wir haben ein Fünftel unserer Postämter verloren und 600 Tankstellen, und wenn wir jagen gehen, droht uns eine Festnahme im Morgengrauen', klagt White-Spunner.
Man könnte meinen, diese Ruralisten seien eine antimoderne Bewegung. So einfach ist es nicht. Eine stabile Versorgung mit Breitband-Internet steht ebenso hoch auf der Prioritätenliste wie die Erhaltung verträumter Postämter. Denn viele derjenigen, die sich für das simple life einsetzen, verdienen das Geld, das sie für ihren zweiten Wohnsitz in den Cotswolds benötigen, in der Londoner City. Zu diesem Lebensstil gehört es, dass man sonntags nicht nur die Pferde striegelt und Fasane schießt, sondern dabei auch jederzeit checken kann, wie sich die Hegde-Fonds entwickeln.
Für die Verbindung des festen Glaubens fuchsjagender Banker an die Kraft der globalisierten Märkte mit dem Traum unverfälschter Ländlichkeit steht niemand augenfälliger als Premierminister David Cameron. In einem Gastbeitrag für das Countryside Alliance-Magazin preist er die Grafschaften als 'Ort mit richtigem ehrlichen Schlamm, einem echten Gemeinschaftsgefühl und unglaublich hart arbeitenden Menschen, die etwas aus ihrem Leben machen wollen.' Die Landwirtschaft, die de facto großenteils ohne Subventionen der verhassten EU gar nicht aufrecht zu erhalten wäre, ist laut Cameron 'das, was Großbritannien groß macht': 'Sie ist Teil unserer nationalen Seele, wichtig nicht nur für Landschaftspflege, Tourismus und Agrarwirtschaft, sondern auch für unsere Identität und unser Wohlbefinden.'
Eine Art der Selbstversicherung, die kürzlich durch eine fiktive nationale Ikone einen unverhofften Schub erhielt: Der James-Bond-Film 'Skyfall' ist nicht nur nach dem Landsitz in den schottischen Highlands benannt, in dem Bond seine Jugend verbrachte. Der Film erlebt dort auch seine dramatische Klimax. Nachdem sein (angemessen fremdländischer) Antagonist Silva es geschafft hat, in der Metropole London die Geheimdienstzentrale in die Luft zu jagen, stellt Bond sich hier, in ländlicher Abgeschiedenheit, zum letzten Gefecht. Nur mit ein paar Jagdflinten, Gaskartuschen und seinem alten Aston Martin gewappnet, besiegen 007 und der väterliche Wildhüter Kincade eine Armada bis an die Zähne bewaffneter Bösewichter.
So bildgewaltig ist das robuste Ideal selbstgenügsamer britischer Ländlichkeit noch nie gefeiert worden. Gäbe es den 'Skyfall'-Bond wirklich, die Countryside Alliance hätte ihm längst eine Ehrenmitgliedschaft angetragen.