Sollten Ladeninhaber nicht Eintritt nehmen? Die Leute kommen zwar noch zum Anprobieren in die Geschäfte - aber bestellen dann alles online
Joachim Bressler sitzt in seiner Wohnung in Prenzlauer Berg. Die Wohnung war kein Schnäppchen, fast eine halbe Million Euro hat sie gekostet. Bressler hatte geerbt und wollte das Geld gut angelegt wissen. 'Bevor es uns wie den Menschen auf Zypern geht', sagt er und lacht.
Ein Schnäppchen dagegen war die Küche, Induktionsherd von AEG und energiesparender High-Tech-Kühlschrank von Bosch, dem iPhone sei Dank. Und das ging so: In einem Küchengeschäft ließ sich Bressler Geräte zeigen und erklären, dann holte er sein Handy hervor und sah, 'dass mindestens zehn Online-Anbieter viel billiger waren als die Laden-Preise'. Er habe dann gefragt, ob man ihm 'entgegenkomme'. Die Erpressung hat gewirkt. Nach Rücksprache mit dem Chef bot der Verkäufer an: 'Für den Preis kriegen Sie die Sachen auch bei uns.'
Wenn man den Ladenbesitzer anruft, bittet er, dass man den Geschäftsnamen nicht nennt. Warum? 'Ich will nicht, dass dann alle kommen und zu Internetpreisen bei uns kaufen. Die Smartphones sind der Ruin für den Einzelhandel.' Das neue Phänomen hat auch einen Namen: Showrooming. Smartphone-Besitzer vergleichen noch in Geschäften die Preise von Bosch-Herden und Nike-Turnschuhen mit denen von Internet-Discountern und kaufen dann mit ihren Handys - geschnuppert wird also klassisch offline, gekauft online. In den USA sind Kaufhausketten wie 'Best Buy' vor der Billig-Gier längst eingeknickt. Der Elektronikgigant verkauft Computer und Kameras zum Preis, den Kunden online auf ihren Handys finden. Bei 'Walmart' kann man online bestellen, bezahlt und abgeholt werden muss die Ware aber im Laden. So werden Lieferkosten gespart - und die Erfahrung lehrt, dass ein Kunde, ist er erst einmal im Geschäft, vielleicht doch noch etwas anderes kauft.
Johannes Loew kennt die digitalen Schnäppchenjäger, er betreibt in Berlin-Mitte die Boutique 'De La Bru'. 'Die probieren Schuhe an und fotografieren sich mit unseren Taschen, und nach 20 Minuten Beratung sagen sie: Ich denke noch mal nach.' Und kauften den Schuh, die Tasche dann im Internet, wo sie glaubten, dass dort fast immer alles günstiger zu haben sei. Er habe auch schon Kunden dabei ertappt, wie sie ihre Handys auf die Strichcodes der Preisschildern hielten. Es gibt inzwischen Applikationen, die zeigen, wo es die gescannte Ware billiger gibt als im Laden.
Johannes Loew scherzt, irgendwann werde er Eintritt nehmen: 'Die Leute müssten dann zehn Euro hinterlegen. Wenn sie was kaufen, wird es natürlich verrechnet mit dem Preis der Ware.'
Immer mehr Geschäftsinhaber klagen über die Smartphone-Kundschaft, die Läden betritt, um anzufassen und anzuprobieren - dann aber die anprobierten Schuhe, Taschen und Hosen im Internet bestellt. 'Dahinter steckt eine Nehmer-Kultur', sagt Loew. 'Die Leute beanspruchen unsere Zeit und plötzlich sagen sie, ach, Sie haben die Tasche nicht in der Farbe Cognac? Und bestellen sie dann im Internet.' Dabei könnte Loew die Tasche auch in der Wunschfarbe bestellen.
'Ohne Scham', sagt er, 'probieren sie an und schauen noch in der Umkleidekabine auf ihren Handys, wo es das Teil billiger gibt.' Loew hat die Preisschilder seiner Schuhe und Kleider im Laden mit einem ladeninternen Strichcode versehen, den nur seine Ladenkasse entziffern kann. Dem Schnäppchenjäger-Trend begegnet er so: Er bietet Designer wie Ellen Eisemann an, deren Kleider nicht online zu haben sind. Und wenn ihm ein Kunde zeigt, dass die 'Cowboysbag' oder der 'Sorel'-Stiefel im Internet billiger zu haben ist, 'dann gehe ich eben noch mal 5 Euro runter'.
Loew schnappt oft frische Luft vor seinem Laden, er beobachtet gerne. In der Straße gibt es einen adidas-Shop, Schuhläden, Taschenläden, Jeansläden. Und jeden Tag sieht er, wie die Boten von DHL Pakete von Zalando bei den Anwohnern abliefern. Er versteht das nicht: 'Wieso gehen die Anwohner nicht die paar Treppen runter und kaufen hier bei uns ein, in ihrem Kiez?'
Wer sich in Mitte umhört, hört überall dieselbe Klage: 'Gegen die Smartphones kommen wir nicht an', sagt ein Verkäufer im Jeans-Store. Eine Verkäuferin eines Wohnaccessoires-Ladens sagt: 'Manchmal setzen sich Kunden mit ihrem Handy in einen Sessel, schauen, ob es den Sessel online billiger gibt, und wenn ich nicht mit dem Preis runtergehe, gehen die.' Solche Kunden kennt auch Thomas Nitschke, der im Boxhagener Kiez in Friedrichshain die Boutique 'Herr und Frau Nitschke' betreibt. Auch er hat inzwischen nur noch ladeninterne Strichcodes auf seinen Preisschildern, damit die Smartphone-Jäger nicht mit ihrer Scanner-App 'pic2shop' schauen können, ob es den Schuh oder die Jeans aus Japan online billiger gibt.
Es komme immer wieder vor, dass Kunden Sachen anprobieren und ihn fragen: 'Kannst Du mal ein Foto von mir machen, das muss ich meinem Freund zeigen.' Die verließen dann den Laden und sagten, sie könnten sich nicht entscheiden. Dabei, sagt Nitschke, sei die Entscheidung oft schon in der Kabine gefallen, mit dem Blick aufs Handy und Online-Shops. 'Die Natur des Menschen', sagt Nitschke, 'ist nun mal, Jäger zu sein.' Der Nachteil beim Online-Kauf sei doch: 'Da lächelt dich keiner an. Keiner sagt dir, dass das Kleid dir nicht steht.' Was die Jäger antreibt? Ein Wort schießt aus Nitschkes Mund: 'Geiz.'
Die Unternehmensberatung Roland Berger hat gerade eine Studie herausgegeben, ob Online-Geschäfte den Einzelhandel bedrohen. Forscher Björn Bloching sagt: 'Der Kampf zwischen Online- und stationärem Handel ist noch lange nicht entschieden.' Die Läden aber sollten vermehrt auf Haptik setzen, Beratung und bessere Nutzung von Kundendaten. Es sei ein Anreiz für Kunden, wenn sie auf der Internetseite eines Geschäfts lesen, ob ein Artikel im Laden verfügbar ist. 'Das wäre für viele Kunden schon ein starker Besucherimpuls.'
Johannes Loew sagt: 'Die Kunden entscheiden doch, in welcher Gesellschaft wir leben wollen. In einer, wo sie Online-Händlern wie Zalando ihr Geld geben oder Einzelhändlern.' Von Zuversicht ist Loew nicht erfüllt: 'In 20 Jahren', sagt er, 'gibt es das nicht mehr, bummeln und durch Geschäfte streunen, weil es dann kaum noch Geschäfte gibt, nur noch Online-Handel.'
Joachim Bressler sitzt in seiner Wohnung in Prenzlauer Berg. Die Wohnung war kein Schnäppchen, fast eine halbe Million Euro hat sie gekostet. Bressler hatte geerbt und wollte das Geld gut angelegt wissen. 'Bevor es uns wie den Menschen auf Zypern geht', sagt er und lacht.
Ein Schnäppchen dagegen war die Küche, Induktionsherd von AEG und energiesparender High-Tech-Kühlschrank von Bosch, dem iPhone sei Dank. Und das ging so: In einem Küchengeschäft ließ sich Bressler Geräte zeigen und erklären, dann holte er sein Handy hervor und sah, 'dass mindestens zehn Online-Anbieter viel billiger waren als die Laden-Preise'. Er habe dann gefragt, ob man ihm 'entgegenkomme'. Die Erpressung hat gewirkt. Nach Rücksprache mit dem Chef bot der Verkäufer an: 'Für den Preis kriegen Sie die Sachen auch bei uns.'
Wenn man den Ladenbesitzer anruft, bittet er, dass man den Geschäftsnamen nicht nennt. Warum? 'Ich will nicht, dass dann alle kommen und zu Internetpreisen bei uns kaufen. Die Smartphones sind der Ruin für den Einzelhandel.' Das neue Phänomen hat auch einen Namen: Showrooming. Smartphone-Besitzer vergleichen noch in Geschäften die Preise von Bosch-Herden und Nike-Turnschuhen mit denen von Internet-Discountern und kaufen dann mit ihren Handys - geschnuppert wird also klassisch offline, gekauft online. In den USA sind Kaufhausketten wie 'Best Buy' vor der Billig-Gier längst eingeknickt. Der Elektronikgigant verkauft Computer und Kameras zum Preis, den Kunden online auf ihren Handys finden. Bei 'Walmart' kann man online bestellen, bezahlt und abgeholt werden muss die Ware aber im Laden. So werden Lieferkosten gespart - und die Erfahrung lehrt, dass ein Kunde, ist er erst einmal im Geschäft, vielleicht doch noch etwas anderes kauft.
Johannes Loew kennt die digitalen Schnäppchenjäger, er betreibt in Berlin-Mitte die Boutique 'De La Bru'. 'Die probieren Schuhe an und fotografieren sich mit unseren Taschen, und nach 20 Minuten Beratung sagen sie: Ich denke noch mal nach.' Und kauften den Schuh, die Tasche dann im Internet, wo sie glaubten, dass dort fast immer alles günstiger zu haben sei. Er habe auch schon Kunden dabei ertappt, wie sie ihre Handys auf die Strichcodes der Preisschildern hielten. Es gibt inzwischen Applikationen, die zeigen, wo es die gescannte Ware billiger gibt als im Laden.
Johannes Loew scherzt, irgendwann werde er Eintritt nehmen: 'Die Leute müssten dann zehn Euro hinterlegen. Wenn sie was kaufen, wird es natürlich verrechnet mit dem Preis der Ware.'
Immer mehr Geschäftsinhaber klagen über die Smartphone-Kundschaft, die Läden betritt, um anzufassen und anzuprobieren - dann aber die anprobierten Schuhe, Taschen und Hosen im Internet bestellt. 'Dahinter steckt eine Nehmer-Kultur', sagt Loew. 'Die Leute beanspruchen unsere Zeit und plötzlich sagen sie, ach, Sie haben die Tasche nicht in der Farbe Cognac? Und bestellen sie dann im Internet.' Dabei könnte Loew die Tasche auch in der Wunschfarbe bestellen.
'Ohne Scham', sagt er, 'probieren sie an und schauen noch in der Umkleidekabine auf ihren Handys, wo es das Teil billiger gibt.' Loew hat die Preisschilder seiner Schuhe und Kleider im Laden mit einem ladeninternen Strichcode versehen, den nur seine Ladenkasse entziffern kann. Dem Schnäppchenjäger-Trend begegnet er so: Er bietet Designer wie Ellen Eisemann an, deren Kleider nicht online zu haben sind. Und wenn ihm ein Kunde zeigt, dass die 'Cowboysbag' oder der 'Sorel'-Stiefel im Internet billiger zu haben ist, 'dann gehe ich eben noch mal 5 Euro runter'.
Loew schnappt oft frische Luft vor seinem Laden, er beobachtet gerne. In der Straße gibt es einen adidas-Shop, Schuhläden, Taschenläden, Jeansläden. Und jeden Tag sieht er, wie die Boten von DHL Pakete von Zalando bei den Anwohnern abliefern. Er versteht das nicht: 'Wieso gehen die Anwohner nicht die paar Treppen runter und kaufen hier bei uns ein, in ihrem Kiez?'
Wer sich in Mitte umhört, hört überall dieselbe Klage: 'Gegen die Smartphones kommen wir nicht an', sagt ein Verkäufer im Jeans-Store. Eine Verkäuferin eines Wohnaccessoires-Ladens sagt: 'Manchmal setzen sich Kunden mit ihrem Handy in einen Sessel, schauen, ob es den Sessel online billiger gibt, und wenn ich nicht mit dem Preis runtergehe, gehen die.' Solche Kunden kennt auch Thomas Nitschke, der im Boxhagener Kiez in Friedrichshain die Boutique 'Herr und Frau Nitschke' betreibt. Auch er hat inzwischen nur noch ladeninterne Strichcodes auf seinen Preisschildern, damit die Smartphone-Jäger nicht mit ihrer Scanner-App 'pic2shop' schauen können, ob es den Schuh oder die Jeans aus Japan online billiger gibt.
Es komme immer wieder vor, dass Kunden Sachen anprobieren und ihn fragen: 'Kannst Du mal ein Foto von mir machen, das muss ich meinem Freund zeigen.' Die verließen dann den Laden und sagten, sie könnten sich nicht entscheiden. Dabei, sagt Nitschke, sei die Entscheidung oft schon in der Kabine gefallen, mit dem Blick aufs Handy und Online-Shops. 'Die Natur des Menschen', sagt Nitschke, 'ist nun mal, Jäger zu sein.' Der Nachteil beim Online-Kauf sei doch: 'Da lächelt dich keiner an. Keiner sagt dir, dass das Kleid dir nicht steht.' Was die Jäger antreibt? Ein Wort schießt aus Nitschkes Mund: 'Geiz.'
Die Unternehmensberatung Roland Berger hat gerade eine Studie herausgegeben, ob Online-Geschäfte den Einzelhandel bedrohen. Forscher Björn Bloching sagt: 'Der Kampf zwischen Online- und stationärem Handel ist noch lange nicht entschieden.' Die Läden aber sollten vermehrt auf Haptik setzen, Beratung und bessere Nutzung von Kundendaten. Es sei ein Anreiz für Kunden, wenn sie auf der Internetseite eines Geschäfts lesen, ob ein Artikel im Laden verfügbar ist. 'Das wäre für viele Kunden schon ein starker Besucherimpuls.'
Johannes Loew sagt: 'Die Kunden entscheiden doch, in welcher Gesellschaft wir leben wollen. In einer, wo sie Online-Händlern wie Zalando ihr Geld geben oder Einzelhändlern.' Von Zuversicht ist Loew nicht erfüllt: 'In 20 Jahren', sagt er, 'gibt es das nicht mehr, bummeln und durch Geschäfte streunen, weil es dann kaum noch Geschäfte gibt, nur noch Online-Handel.'