Eine Sparkasse im Norden Hessens hat sich für 750000 Euro einen High-Tech-Bus angeschafft, um Kunden auf dem flachen Land Geldgeschäfte zu ermöglichen.
Na so was aber auch. Der fast 90-jährige Kunde in Jogginghose und grünen Gummistiefeln erlebt gerade seine persönliche Bankenkrise. Er war heute schon einmal da, um Geld abzuheben. Und jetzt: 'Die Karte hab ich hier, aber das Geld nicht', sagt er zur Bankangestellten Carmen Morgenthal. Es gibt zwei Möglichkeiten. Er hat vergessen, die 400 Euro zu nehmen, und der Geldautomat hat sie kurz darauf eingezogen. Oder aber, weit schlimmer, der nächste Kunde hat sie mitgenommen. 'So was aber auch, bei mir wird"s auch immer schlimmer', sagt der Kunde.
Der Sparkassen-Bus ermöglicht mobile Geldgeschäfte
Würde es sich um eine normale Bankfiliale handeln, könnte Carmen Morgenthal jetzt den Geldautomaten aufsperren und nachsehen, ob die 400Euro eingezogen sind. Es handelt sich aber um eine besondere Filiale. Sie ist 13Meter lang, 2,50Meter breit und hat acht Räder. Der Überlandbus der Sparkasse Werra-Meißner in Nordhessen ist der modernste seiner Art in Deutschland. Er verfügt über eine Verbindung zum Rechenzentrum der Sparkassen per Satellit. Deshalb können Kunden in dem Bus jedes Bankgeschäft machen, bis hin zum Aktienkauf. Nur eines ist nicht möglich: 'Aus Sicherheitsgründen dürfen die Mitarbeiter keinen Kontakt mit Bargeld haben', sagt Bankchef Frank Nickel. 'Das heißt, dass sie auch keinen Schlüssel zum Geldautomaten haben.' Leider ist das die Funktion, die der Kunde in den grünen Gummistiefeln gerade am dringendsten bräuchte. Beraterin Morgenthal muss ihn vertrösten: 'Wir können erst später nachsehen, ob Ihr Geld eingezogen ist, Sie müssen nächste Woche wiederkommen.'
Der Bus steht an diesem Vormittag im 1200-Einwohner-Ort Rommerode. Am Nachmittag zieht er weiter nach Datterode. So geht das fünf Tage in der Woche, insgesamt steuert er zehn Orte mit je etwa 1000 Einwohnern an. Ältere Bundesbürger kennen Sparkassenbusse noch aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Nach der Wiedervereinigung erlebte der Bankbus eine Renaissance in den neuen Bundesländern. Inzwischen sind sie etwas in Vergessenheit geraten. Nur noch wenige Sparkassen oder Volks- und Raiffeisenbanken in Deutschland verfügen über einen Bus, mit dem sie kleine Orte anfahren.
Bankchef Nickel will sein Institut trotzdem mit einem Bus in die Zukunft führen. 'Es ist kein Sparbus, wie man sie noch von früher kennt, bei denen es im Wesentlichen Barauszahlungen und Überweisungen gab', sagt er. Im Überlandbus sei jedes Bankgeschäft möglich, wie in einer normalen Filiale. Es gibt einen Geldautomaten, ein Serviceterminal für Überweisungen oder Daueraufträge, einen weiteren Bildschirm, an dem der Berater dem Kunden helfen kann, und ein kleines Zimmer für Beratungsgespräche. Dort sitzt gerade ein anderer älterer Kunde, er hat einen Stapel unsortierter Versicherungsunterlagen mitgebracht. Carmen Morgenthal ist durch die Tür zu hören, wie sie sagt: 'Jetzt pass mal auf, Herbert.' Sie wird die Unterlagen hinterher für ihn ordnen, 'fair, menschlich, nah, wie ich bin', zitiert sie einen Sparkassen-Werbeslogan. Sie sei hier ein bisschen Mädchen für alles, 'ich helfe manchmal vielleicht mehr, als ich müsste'.
Eine Rentnerin aus Rommerode kommt in den Bus, um am Terminal eine Überweisung aufzugeben. 'Ich muss jetzt nicht mehr in die Filiale am nächsten Ort fahren, gerade im Winter ist das schwierig', sagt sie. Vor vier Jahren führte Nickel den Überlandbus ein. Er ließ ihn bei einem Spezialisten für Campingbusse anfertigen. 750000Euro kostete das Fahrzeug, jedes Jahr sind weitere rund 50000 Euro für laufende Kosten fällig. Den Bus fährt nicht der Bankberater, wie es früher der Fall war, sondern der Fahrer einer Spedition. 'Es ist ein Prototyp', sagt Nickel. Andere Bankchefs würden sich regelmäßig nach seinen Erfahrungen damit erkundigen. Mancher überlege, es ihm nachzumachen.
In Deutschland gab es Mitte der 1990er Jahre fast 70000Bank-Geschäftsstellen. Heute ist es gerade einmal noch die Hälfte davon. Das Filialsterben auf dem flachen Land ist gewaltig. Auch die Sparkasse Werra-Meißner hat vor zehn Jahren die Hälfte ihrer 40 Filialen geschlossen. Seitdem hat Bankchef Nickel aber die Erfahrung gemacht: 'Wo wir keine Geschäftsstelle haben, wachsen wir nicht.' Deshalb habe man sich gefragt: 'Wie kommen wir da wieder hin?' Eine kleine Filiale zu bauen, koste auch rund 750000 Euro. 'Hätten wir zehn Filialen eröffnet, hätten wir jetzt ein Kosten-Problem.'
Die Angestellte Morgenthal war damals schon dabei, 'als wir die Filiale hier ausgeräumt haben'. Der Unmut der Kunden sei groß gewesen. Seit es den Überlandbus gebe, hätten sich die Leute wieder beruhigt.
Betriebswirtschaftlich hat sich der Bus nicht gelohnt, das gibt Nickel zu. Aber man dürfe es nicht nur betriebswirtschaftlich sehen: Die Sparkassen hätten einen öffentlichen Versorgungsauftrag. 'Außerdem ist es ein ziemlich großer Imageträger, der da herumfährt', sagt der Bankchef. Er werde auch auf Messen und Gewerbeschauen eingesetzt. Man müsse das Ganze umgekehrt sehen: 'Was würden wir verlieren, wenn wir die Orte alle nicht mehr bedienen?'
Der Werra-Meißner-Kreis ist typisch für Deutschland außerhalb der Ballungsräume. Die Einwohnerzahl lag in den 1990er Jahren einmal bei 115000. Für das Jahr 2020 sind 95000 prognostiziert. Früher war es Zonenrandgebiet und bekam Fördergeld. Mit der Wiedervereinigung fiel das weg, Groß-Arbeitgeber wie Landmaschinenhersteller Massey Ferguson wurden viel kleiner oder wanderten ganz ab. 'In unserem Geschäftsgebiet ist es nicht so, dass man nur den Löffel raushalten muss, und es regnet Brei', sagt Nickel. Man müsse das Geschäft suchen wie ein Trüffelschwein. Das Bus könne dazu einen kleinen Beitrag leisten. 'Wir müssen wachsen, allein mit dem Halten der Marktanteile kommen wir nicht weiter', sagt Nickel. Wenn der Bus helfe, Kunden an die Bank zu binden, habe er seine Mission erfüllt.
Die betriebswirtschaftliche Bilanz nach einem Vormittag in Rommerode dürfte auch eher rot ausfallen. Die meisten Kunden haben Geld abgehoben oder Überweisungen veranlasst. Eine Rentnerin hat sich über Versicherungen beraten lassen, ohne einen Vertrag abzuschließen. Ein Rentner hat der Beraterin einen Packen Unterlagen zum Sortieren da gelassen. Und der alte Mann mit den Gummistiefeln erfährt erst nächste Woche, wie das mit seinen 400 Euro ausgegangen ist. 'So was, nein, das ist mir auch noch nicht passiert', sagt er. Aber das mit dem Bus, 'das ist schon okay'.
Na so was aber auch. Der fast 90-jährige Kunde in Jogginghose und grünen Gummistiefeln erlebt gerade seine persönliche Bankenkrise. Er war heute schon einmal da, um Geld abzuheben. Und jetzt: 'Die Karte hab ich hier, aber das Geld nicht', sagt er zur Bankangestellten Carmen Morgenthal. Es gibt zwei Möglichkeiten. Er hat vergessen, die 400 Euro zu nehmen, und der Geldautomat hat sie kurz darauf eingezogen. Oder aber, weit schlimmer, der nächste Kunde hat sie mitgenommen. 'So was aber auch, bei mir wird"s auch immer schlimmer', sagt der Kunde.
Der Sparkassen-Bus ermöglicht mobile Geldgeschäfte
Würde es sich um eine normale Bankfiliale handeln, könnte Carmen Morgenthal jetzt den Geldautomaten aufsperren und nachsehen, ob die 400Euro eingezogen sind. Es handelt sich aber um eine besondere Filiale. Sie ist 13Meter lang, 2,50Meter breit und hat acht Räder. Der Überlandbus der Sparkasse Werra-Meißner in Nordhessen ist der modernste seiner Art in Deutschland. Er verfügt über eine Verbindung zum Rechenzentrum der Sparkassen per Satellit. Deshalb können Kunden in dem Bus jedes Bankgeschäft machen, bis hin zum Aktienkauf. Nur eines ist nicht möglich: 'Aus Sicherheitsgründen dürfen die Mitarbeiter keinen Kontakt mit Bargeld haben', sagt Bankchef Frank Nickel. 'Das heißt, dass sie auch keinen Schlüssel zum Geldautomaten haben.' Leider ist das die Funktion, die der Kunde in den grünen Gummistiefeln gerade am dringendsten bräuchte. Beraterin Morgenthal muss ihn vertrösten: 'Wir können erst später nachsehen, ob Ihr Geld eingezogen ist, Sie müssen nächste Woche wiederkommen.'
Der Bus steht an diesem Vormittag im 1200-Einwohner-Ort Rommerode. Am Nachmittag zieht er weiter nach Datterode. So geht das fünf Tage in der Woche, insgesamt steuert er zehn Orte mit je etwa 1000 Einwohnern an. Ältere Bundesbürger kennen Sparkassenbusse noch aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Nach der Wiedervereinigung erlebte der Bankbus eine Renaissance in den neuen Bundesländern. Inzwischen sind sie etwas in Vergessenheit geraten. Nur noch wenige Sparkassen oder Volks- und Raiffeisenbanken in Deutschland verfügen über einen Bus, mit dem sie kleine Orte anfahren.
Bankchef Nickel will sein Institut trotzdem mit einem Bus in die Zukunft führen. 'Es ist kein Sparbus, wie man sie noch von früher kennt, bei denen es im Wesentlichen Barauszahlungen und Überweisungen gab', sagt er. Im Überlandbus sei jedes Bankgeschäft möglich, wie in einer normalen Filiale. Es gibt einen Geldautomaten, ein Serviceterminal für Überweisungen oder Daueraufträge, einen weiteren Bildschirm, an dem der Berater dem Kunden helfen kann, und ein kleines Zimmer für Beratungsgespräche. Dort sitzt gerade ein anderer älterer Kunde, er hat einen Stapel unsortierter Versicherungsunterlagen mitgebracht. Carmen Morgenthal ist durch die Tür zu hören, wie sie sagt: 'Jetzt pass mal auf, Herbert.' Sie wird die Unterlagen hinterher für ihn ordnen, 'fair, menschlich, nah, wie ich bin', zitiert sie einen Sparkassen-Werbeslogan. Sie sei hier ein bisschen Mädchen für alles, 'ich helfe manchmal vielleicht mehr, als ich müsste'.
Eine Rentnerin aus Rommerode kommt in den Bus, um am Terminal eine Überweisung aufzugeben. 'Ich muss jetzt nicht mehr in die Filiale am nächsten Ort fahren, gerade im Winter ist das schwierig', sagt sie. Vor vier Jahren führte Nickel den Überlandbus ein. Er ließ ihn bei einem Spezialisten für Campingbusse anfertigen. 750000Euro kostete das Fahrzeug, jedes Jahr sind weitere rund 50000 Euro für laufende Kosten fällig. Den Bus fährt nicht der Bankberater, wie es früher der Fall war, sondern der Fahrer einer Spedition. 'Es ist ein Prototyp', sagt Nickel. Andere Bankchefs würden sich regelmäßig nach seinen Erfahrungen damit erkundigen. Mancher überlege, es ihm nachzumachen.
In Deutschland gab es Mitte der 1990er Jahre fast 70000Bank-Geschäftsstellen. Heute ist es gerade einmal noch die Hälfte davon. Das Filialsterben auf dem flachen Land ist gewaltig. Auch die Sparkasse Werra-Meißner hat vor zehn Jahren die Hälfte ihrer 40 Filialen geschlossen. Seitdem hat Bankchef Nickel aber die Erfahrung gemacht: 'Wo wir keine Geschäftsstelle haben, wachsen wir nicht.' Deshalb habe man sich gefragt: 'Wie kommen wir da wieder hin?' Eine kleine Filiale zu bauen, koste auch rund 750000 Euro. 'Hätten wir zehn Filialen eröffnet, hätten wir jetzt ein Kosten-Problem.'
Die Angestellte Morgenthal war damals schon dabei, 'als wir die Filiale hier ausgeräumt haben'. Der Unmut der Kunden sei groß gewesen. Seit es den Überlandbus gebe, hätten sich die Leute wieder beruhigt.
Betriebswirtschaftlich hat sich der Bus nicht gelohnt, das gibt Nickel zu. Aber man dürfe es nicht nur betriebswirtschaftlich sehen: Die Sparkassen hätten einen öffentlichen Versorgungsauftrag. 'Außerdem ist es ein ziemlich großer Imageträger, der da herumfährt', sagt der Bankchef. Er werde auch auf Messen und Gewerbeschauen eingesetzt. Man müsse das Ganze umgekehrt sehen: 'Was würden wir verlieren, wenn wir die Orte alle nicht mehr bedienen?'
Der Werra-Meißner-Kreis ist typisch für Deutschland außerhalb der Ballungsräume. Die Einwohnerzahl lag in den 1990er Jahren einmal bei 115000. Für das Jahr 2020 sind 95000 prognostiziert. Früher war es Zonenrandgebiet und bekam Fördergeld. Mit der Wiedervereinigung fiel das weg, Groß-Arbeitgeber wie Landmaschinenhersteller Massey Ferguson wurden viel kleiner oder wanderten ganz ab. 'In unserem Geschäftsgebiet ist es nicht so, dass man nur den Löffel raushalten muss, und es regnet Brei', sagt Nickel. Man müsse das Geschäft suchen wie ein Trüffelschwein. Das Bus könne dazu einen kleinen Beitrag leisten. 'Wir müssen wachsen, allein mit dem Halten der Marktanteile kommen wir nicht weiter', sagt Nickel. Wenn der Bus helfe, Kunden an die Bank zu binden, habe er seine Mission erfüllt.
Die betriebswirtschaftliche Bilanz nach einem Vormittag in Rommerode dürfte auch eher rot ausfallen. Die meisten Kunden haben Geld abgehoben oder Überweisungen veranlasst. Eine Rentnerin hat sich über Versicherungen beraten lassen, ohne einen Vertrag abzuschließen. Ein Rentner hat der Beraterin einen Packen Unterlagen zum Sortieren da gelassen. Und der alte Mann mit den Gummistiefeln erfährt erst nächste Woche, wie das mit seinen 400 Euro ausgegangen ist. 'So was, nein, das ist mir auch noch nicht passiert', sagt er. Aber das mit dem Bus, 'das ist schon okay'.