Die Kairoer US-Botschaft löscht kurzfristig ihren Twitter-Account - wieder ein Beispiel, wie sich die Diplomatie im Netz verheddert
Was immer im Detail auch im Social-Media-Handbuch des amerikanischen Außenministeriums stehen mag, so jedenfalls hätte das sicher nicht laufen sollen: Da postet die Botschaft der Vereinigten Staaten in Ägypten am Dienstag auf ihrem Twitter-Konto einen Link zu einem Clip der satirischen 'Daily Show' vom Vorabend, in dem Moderator Jon Stewart seinem in Kairo verhafteten Kollegen, dem TV-Parodisten Bassem Youssef (auch bekannt als 'Ägyptens Jon Stewart'), zur Seite springt und die Regierung von Präsident Mursi bespöttelt. Die wiederum beschwert sich - vermutlich nicht nur, aber auch - auf Twitter: 'Es ist einer diplomatischen Mission unangemessen sich in derartiger negativer Propaganda zu ergehen.' Und in der Folge verschwindet nicht nur der streitgegenständliche Tweet, nein, die Botschaft löscht ihren gesamten Twitter-Auftritt. Was in der Welt der Sozialen Medien einer Selbstentleibung gleichkommt.
Die Kairoer US-Botschaft löschte kurzfristig ihren Twitter-Account.
Hat schon der Tweet Missfallen in Washington erregt, wie später die Agentur AP schreibt, zieht diese Brachiallösung offenbar erst recht 'den Zorn des State Departments' auf sich. Der Account geht später wieder online, der Tweet aber bleibt verschwunden. Ein Spektakel, bei dem sich dem außenstehenden Muslimbruder wie US-Steuerzahler der Eindruck aufdrängen muss, dass zwei - wenn nicht noch mehr - Sturköpfe einander so lange ins Steuer greifen, bis sie den Wagen mit Karacho in den Graben gesetzt haben. Daran gab es auch für die Sprecherin des State Departments nichts zu beschönigen. Es gebe offensichtlich 'Störungen' in der Social-Media-Arbeit der Botschaft, die man jetzt zu beheben bemüht sei, erklärte Victoria Nuland am Mittwoch der Washingtoner Presse.
Es ist nicht das erste Mal, dass sich US-Diplomaten in ihrer eigenen Social-Media-Politik augenfällig verheddern - etwa als die Kairoer Botschaft im September einen umstrittenen Tweet abgesetzt hatte, in dem sie sich von den Koranverbrennungen des Pastors Terry Jones distanzierte. Damals allerdings stand die Botschaft kurz vor der Erstürmung durch Demonstranten. Im aktuellen Fall scheint alles derart ohne jede Not geschehen zu sein, dass es auf ein bemerkenswertes Maß an internen Friktionen schließen lässt. Und zumindest Fragen dazu aufwirft, wie fest verankert die Online-Offensive wirklich schon in der Arbeit der US-Diplomatie ist.
Der aktive Gebrauch von Twitter oder Facebook durch die Botschaften in aller Welt gehört schließlich zu den Kernbestandteilen jener 21st Century Statecraft genannten Strategie für digitale Diplomatie, die unter der früheren Außenministerin Hillary Clinton zur Doktrin wurde. Das Mantra jener Berater, die unter der Leitung von Alec Ross (SZ-Interview vom 4.2.2013) an der Staatskunst für das Twitter-Zeitalter gezimmert haben, war dabei stets die Dezentralisierung der diplomatischen Kommunikation. Es brauche sich, so der Gedankengang, erst gar nicht in die sozialen Medien zu begeben, wer dort nur zentral gesteuerte, stets von ganz oben abgesegnete Botschaften verbreiten wolle. Die Diplomaten sollten sich auch im informellen Ton und der schnellen, dialogischen Kommunikationsweise den neuen Medien anpassen. 'Bei Social Media geht es nicht darum, seine Pressemitteilungen in Brocken von 140 Zeichen zu zerlegen', sagt Ben Scott, der bis letztes Jahr an Ross" Seite als Berater von Clinton gearbeitet hat und derzeit Visiting Fellow bei der Stiftung Neue Verantwortung in Berlin ist. Politik solle vermenschlicht werden.
Dass man sich dafür gelegentlich weit aus der diplomatischen Komfortzone herausbewegen muss, gehört zum Konzept. 'Ich finde es ziemlich bemerkenswert', sagt Scott zum Kairoer Kuddelmuddel, 'wie selten solche Kontroversen aufflammen.' Den Diplomaten vor Ort mehr kommunikative Freiräume zu gewähren, habe stets auch das Risiko bedeutet, dass Dinge schieflaufen könnten: 'Man bekommt den Lohn nicht ohne die Risiken. Und der Lohn wiegt schwerer als die Risiken.' Löschen müssen hätte man nach seiner Meinung im aktuellen Fall überhaupt nichts.
Die Logik der schnellen Netzkommunikation reibt sich aber doch manchmal sehr knirschend an den nötigen Rücksichtnahmen im diplomatischen Spiel.
Den Videoclip von Jon Stewarts Monolog etwa, online andernorts ohnehin x-fach auffindbar, hatten die Botschafts-Twitterer bloß weiterverbreitet. Ist ein solcher Retweet bei Twitter die alltäglichste Sache der Welt, so stellt er einen in der Sphäre auswärtiger Beziehungen vor eine heikle Frage: Machte man sich die Witze Stewarts über Mursi damit zu eigen, jedenfalls in den Augen des Gastlandes? Das Verständnis der Botschafterin Anne Patterson, ihres Twitter-Teams und der State-Department-Zentrale war da offenbar alles andere als deckungsgleich.
So zeigen das Kairoer Twitter-Debakel und die Einlassungen der Außenamtssprecherin, die offen bereits länger anhaltende Differenzen zwischen dem Social-Media-Team und den höherrangigen Diplomaten am Standort einräumte, wie sehr mancher im diplomatischen Korps mit den Risiken der digitalen Strategie noch immer fremdelt. Könnten diese Kräfte die Gunst der Gelegenheit für ein Rollback nutzen? Schließlich hat die netzaffine Hillary Clinton den Stab an John Kerry übergeben, und wichtige Köpfe hinter 21st Century Statecraft wie Alec Ross und Ben Scott haben das Ministerium verlassen. 'Es gibt eine echte Gefahr', meint Scott, dass man überkonservativ reagiere. Er ist dennoch überzeugt, dass Clintons Erbe zu fest verankert ist. Längst sei es ins Budget gegossen, zu viele erfahrene Top-Diplomaten seien selbst bei Twitter aktiv, unter ihnen, immerhin, gleich seit Amtsantritt auch Minister Kerry.
Über dem Twitter-Account der Kairoer Botschaft steht inzwischen ein kleiner Hinweis: 'RTs not endorsements' - 'Retweets bedeuten keine Zustimmung'.
Was immer im Detail auch im Social-Media-Handbuch des amerikanischen Außenministeriums stehen mag, so jedenfalls hätte das sicher nicht laufen sollen: Da postet die Botschaft der Vereinigten Staaten in Ägypten am Dienstag auf ihrem Twitter-Konto einen Link zu einem Clip der satirischen 'Daily Show' vom Vorabend, in dem Moderator Jon Stewart seinem in Kairo verhafteten Kollegen, dem TV-Parodisten Bassem Youssef (auch bekannt als 'Ägyptens Jon Stewart'), zur Seite springt und die Regierung von Präsident Mursi bespöttelt. Die wiederum beschwert sich - vermutlich nicht nur, aber auch - auf Twitter: 'Es ist einer diplomatischen Mission unangemessen sich in derartiger negativer Propaganda zu ergehen.' Und in der Folge verschwindet nicht nur der streitgegenständliche Tweet, nein, die Botschaft löscht ihren gesamten Twitter-Auftritt. Was in der Welt der Sozialen Medien einer Selbstentleibung gleichkommt.
Die Kairoer US-Botschaft löschte kurzfristig ihren Twitter-Account.
Hat schon der Tweet Missfallen in Washington erregt, wie später die Agentur AP schreibt, zieht diese Brachiallösung offenbar erst recht 'den Zorn des State Departments' auf sich. Der Account geht später wieder online, der Tweet aber bleibt verschwunden. Ein Spektakel, bei dem sich dem außenstehenden Muslimbruder wie US-Steuerzahler der Eindruck aufdrängen muss, dass zwei - wenn nicht noch mehr - Sturköpfe einander so lange ins Steuer greifen, bis sie den Wagen mit Karacho in den Graben gesetzt haben. Daran gab es auch für die Sprecherin des State Departments nichts zu beschönigen. Es gebe offensichtlich 'Störungen' in der Social-Media-Arbeit der Botschaft, die man jetzt zu beheben bemüht sei, erklärte Victoria Nuland am Mittwoch der Washingtoner Presse.
Es ist nicht das erste Mal, dass sich US-Diplomaten in ihrer eigenen Social-Media-Politik augenfällig verheddern - etwa als die Kairoer Botschaft im September einen umstrittenen Tweet abgesetzt hatte, in dem sie sich von den Koranverbrennungen des Pastors Terry Jones distanzierte. Damals allerdings stand die Botschaft kurz vor der Erstürmung durch Demonstranten. Im aktuellen Fall scheint alles derart ohne jede Not geschehen zu sein, dass es auf ein bemerkenswertes Maß an internen Friktionen schließen lässt. Und zumindest Fragen dazu aufwirft, wie fest verankert die Online-Offensive wirklich schon in der Arbeit der US-Diplomatie ist.
Der aktive Gebrauch von Twitter oder Facebook durch die Botschaften in aller Welt gehört schließlich zu den Kernbestandteilen jener 21st Century Statecraft genannten Strategie für digitale Diplomatie, die unter der früheren Außenministerin Hillary Clinton zur Doktrin wurde. Das Mantra jener Berater, die unter der Leitung von Alec Ross (SZ-Interview vom 4.2.2013) an der Staatskunst für das Twitter-Zeitalter gezimmert haben, war dabei stets die Dezentralisierung der diplomatischen Kommunikation. Es brauche sich, so der Gedankengang, erst gar nicht in die sozialen Medien zu begeben, wer dort nur zentral gesteuerte, stets von ganz oben abgesegnete Botschaften verbreiten wolle. Die Diplomaten sollten sich auch im informellen Ton und der schnellen, dialogischen Kommunikationsweise den neuen Medien anpassen. 'Bei Social Media geht es nicht darum, seine Pressemitteilungen in Brocken von 140 Zeichen zu zerlegen', sagt Ben Scott, der bis letztes Jahr an Ross" Seite als Berater von Clinton gearbeitet hat und derzeit Visiting Fellow bei der Stiftung Neue Verantwortung in Berlin ist. Politik solle vermenschlicht werden.
Dass man sich dafür gelegentlich weit aus der diplomatischen Komfortzone herausbewegen muss, gehört zum Konzept. 'Ich finde es ziemlich bemerkenswert', sagt Scott zum Kairoer Kuddelmuddel, 'wie selten solche Kontroversen aufflammen.' Den Diplomaten vor Ort mehr kommunikative Freiräume zu gewähren, habe stets auch das Risiko bedeutet, dass Dinge schieflaufen könnten: 'Man bekommt den Lohn nicht ohne die Risiken. Und der Lohn wiegt schwerer als die Risiken.' Löschen müssen hätte man nach seiner Meinung im aktuellen Fall überhaupt nichts.
Die Logik der schnellen Netzkommunikation reibt sich aber doch manchmal sehr knirschend an den nötigen Rücksichtnahmen im diplomatischen Spiel.
Den Videoclip von Jon Stewarts Monolog etwa, online andernorts ohnehin x-fach auffindbar, hatten die Botschafts-Twitterer bloß weiterverbreitet. Ist ein solcher Retweet bei Twitter die alltäglichste Sache der Welt, so stellt er einen in der Sphäre auswärtiger Beziehungen vor eine heikle Frage: Machte man sich die Witze Stewarts über Mursi damit zu eigen, jedenfalls in den Augen des Gastlandes? Das Verständnis der Botschafterin Anne Patterson, ihres Twitter-Teams und der State-Department-Zentrale war da offenbar alles andere als deckungsgleich.
So zeigen das Kairoer Twitter-Debakel und die Einlassungen der Außenamtssprecherin, die offen bereits länger anhaltende Differenzen zwischen dem Social-Media-Team und den höherrangigen Diplomaten am Standort einräumte, wie sehr mancher im diplomatischen Korps mit den Risiken der digitalen Strategie noch immer fremdelt. Könnten diese Kräfte die Gunst der Gelegenheit für ein Rollback nutzen? Schließlich hat die netzaffine Hillary Clinton den Stab an John Kerry übergeben, und wichtige Köpfe hinter 21st Century Statecraft wie Alec Ross und Ben Scott haben das Ministerium verlassen. 'Es gibt eine echte Gefahr', meint Scott, dass man überkonservativ reagiere. Er ist dennoch überzeugt, dass Clintons Erbe zu fest verankert ist. Längst sei es ins Budget gegossen, zu viele erfahrene Top-Diplomaten seien selbst bei Twitter aktiv, unter ihnen, immerhin, gleich seit Amtsantritt auch Minister Kerry.
Über dem Twitter-Account der Kairoer Botschaft steht inzwischen ein kleiner Hinweis: 'RTs not endorsements' - 'Retweets bedeuten keine Zustimmung'.