In Frankreich beeilen sich zahlreiche Politiker, ihre Vermögensverhältnisse offenzulegen. Der Grund: Die Internetzeitung Mediapart will einen "republikanischen Skandal" enthüllen.
Die Angst vor einem "fin de règne" beschleicht die regierenden Sozialisten in Paris. Präsident François Hollande empfängt im Élysée-Palast den Premier und wichtige Minister einzeln zu Krisengesprächen. Parteichef Harlem Désir schlägt vor, die Bürger sollten per Volksentscheid Regeln beschließen, um eine Moralisierung des öffentlichen Lebens zu erzwingen. Die Opposition überschlägt sich mit Rücktrittsforderungen. Derweil blicken alle gespannt auf die kleine Redaktion einer Internetzeitung im Bastille-Viertel. Mediapart hat angekündigt, bald einen neuen "republikanischen Skandal" aufzudecken.
Wen wird es als Nächstes treffen? Mediapart hatte mit seinen Enthüllungen über die Bettencourt-Affäre bereits die konservative Regierung unter Präsident Nicolas Sarkozy in Bedrängnis gebracht. Im Jahr 2010 witzelte der Oppositionspolitiker Hollande gegenüber Chefredakteur Edwy Plenel, wenn die Sozialisten an die Regierung kämen, werde Mediapart auch sie das Fürchten lehren. Aus dem Scherz ist Ernst geworden. Plenels Online-Zeitung hat den Budgetminister Jérôme Cahuzac wegen dessen Lügen über ein Auslandskonto zu Fall gebracht. Ertappt Mediapart einen weiteren Minister, dürfte die ganze Regierung stürzen.
2010 brachte die Internetzeitung Mediapart mit ihren Enthüllungen schon die Regierung unter Nicolas Sarkozy in Bedrängnis. Jetzt will sie erneut einen "republikanischen Skandal" aufgedeckt haben.
Noch hüllt sich Plenel in Schweigen, wohin die neuen Recherchen seiner Redaktion führen. Die Zeitung Libération, die wie Mediapart dem linken Pressespektrum angehört, berichtete am Montag, das Ziel sei kein Geringerer als der französische Außenminister Laurent Fabius. Libération schreibt, in der gesamten Regierung herrsche Aufregung, weil Mediapart Beweise für heimliche Auslandskonten des Ministers in der Schweiz haben könnte.
Fabius beruhigte noch am Wochenende seinen Präsidenten, an der Geschichte sei nichts dran. Zugleich sagte sein Anwalt: "Der Minister versichert, niemals Konten in der Schweiz oder in irgendeinem Steuerparadies gehabt zu haben." Fabius wolle gerichtlich gegen die Gerüchte vorgehen, die haltlos seien. Außerdem forderte er mehrere Schweizer Banken auf zu bestätigen, dass er kein Konto bei ihnen habe.
Ex-Budgetminister Cahuzac drohen aus der Schweiz weitere Enthüllungen. Der Minister hat bisher öffentlich nur eingestanden, dort ein geheimes Konto mit 600000 Euro besessen zu haben. Nun berichtete der staatliche Schweizer Sender Radio Télévision Suisse (RTS), Cahuzac habe 2009 versucht, 15 Millionen Euro in der Schweiz zu deponieren. Er habe deswegen ein "diskretes und sicheres" Genfer Geldinstitut kontaktiert. Er sei jedoch abgewiesen worden, weil er als exponierter Politiker ein zu großes Risiko gewesen wäre. Der Sender beruft sich dabei auf "Schweizer Bankenquellen".
Die Rechtsvertreter Cahuzacs, der einst als Chirurg und Chef einer Schönheitsklinik viel Geld verdient hat, dementierten die Vorwürfe. Einer der Anwälte sagte, selbst wenn Cahuzac saudischen Milliardären Haare verpflanzt hätte, hätte er keine solchen Summen verdient.
Präsident Hollande muss nun befürchten, durch immer neue echte oder angebliche Enthüllungen über Mitglieder seiner Regierung blockiert zu werden. Er will versuchen, sich mit einem großen Schlag zu befreien. Eine rasche Regierungsumbildung hat er dabei wohl bereits verworfen, weil dies als Eingeständnis des Scheiterns wahrgenommen würde. Stattdessen will Hollande am 24. April ein Gesetzesbündel vorschlagen, das mehr Lauterkeit in der Politik erzwingen und Interessenkonflikte vermeiden helfen soll. In Paris ist, in Anspielung an das Italien der Neunzigerjahre, von einer Aktion "saubere Hände" die Rede, und von einem "Ethik-Schock".
Hierzu kursieren bereits zahlreiche Vorschläge. So wird gefordert, Abgeordneten alle Nebentätigkeiten zu verbieten, die in Frankreich verbreitete Ämterhäufung zu untersagen und Politiker, die wegen Korruption angeklagt sind, von öffentlichen Ämtern auszuschließen. Finanzminister Pierre Moscovici will seinen europäischen Kollegen Vorschläge machen, wie der Steuerbetrug und die Geldwäsche besser bekämpft werden können. Er fordert beispielsweise einen automatischen Informationsaustausch.
Eine Folge Cahuzac-Affäre dürfte sein, dass die Vermögensverhältnisse französischer Minister und Parlamentarier künftig stärker durchleuchtet werden. Am Montag gingen bereits einige Politiker voran. Marie-Arlette Carlotti, die Ministerin für Behinderte, legte als erstes Regierungsmitglied ihr Vermögen - von der 130-Quadratmeter-Wohnung in Marseille bis zum gebrauchten Smart. Sie erklärte auch, wie sie zu ihrem Vermögen kam. "Ich kämpfe für Transparenz in der Politik", sagte Carlotti. Cahuzacs schwerer Fehler dürfe nicht alle Politiker in Misskredit bringen.
Auch Laurent Wauquiez, Vize-Parteichef und große Nachwuchshoffnung der konservativen UMP-Partei, veröffentlichte eine Liste seiner Besitztümer. Er sei nicht in die Politik gegangen, um ein Vermögen zu machen, sagte er. Die publizierten Zahlen geben ihm recht. Etliche andere Politiker kündigten an, dem Beispiel Carlottis und Wauquiezs zu folgen, unter ihnen viele Vertreter der Grünen. Premier Jean-Marc Ayrault versprach in einem Interview, per Gesetz eine "totale Transparenz bei den Vermögen" durchzusetzen. Bis Mitte April sollen Erklärungen über die Vermögensverhältnisse aller Minister veröffentlicht werden. Das Magazin Nouvel Observateur schrieb in seiner Internet-Ausgabe: "Die Operation saubere Hände hat begonnen."
In Frankreich wird aber auch Kritik an dem Enthüllungsreigen laut. Die Affären und Transparenz-Versprechen seien ein großes Theater, das von den Problemen des Landes ablenke, finden manche Beobachter. Der Philosophie-Professor Jean-Jacques Delfour spottet: "Ein neuer Pakt eint die politische Klasse - die glühende Liebe zur Wahrheit." Statt die Steuer- und Bankenpolitik der Regierung Hollande oder die Verschwendung öffentlichen Geldes zu durchleuchten, stürze man sich auf die privaten Verhältnisse der Politiker. Die Affäre Cahuzac sei nur eine Operette.
Die Angst vor einem "fin de règne" beschleicht die regierenden Sozialisten in Paris. Präsident François Hollande empfängt im Élysée-Palast den Premier und wichtige Minister einzeln zu Krisengesprächen. Parteichef Harlem Désir schlägt vor, die Bürger sollten per Volksentscheid Regeln beschließen, um eine Moralisierung des öffentlichen Lebens zu erzwingen. Die Opposition überschlägt sich mit Rücktrittsforderungen. Derweil blicken alle gespannt auf die kleine Redaktion einer Internetzeitung im Bastille-Viertel. Mediapart hat angekündigt, bald einen neuen "republikanischen Skandal" aufzudecken.
Wen wird es als Nächstes treffen? Mediapart hatte mit seinen Enthüllungen über die Bettencourt-Affäre bereits die konservative Regierung unter Präsident Nicolas Sarkozy in Bedrängnis gebracht. Im Jahr 2010 witzelte der Oppositionspolitiker Hollande gegenüber Chefredakteur Edwy Plenel, wenn die Sozialisten an die Regierung kämen, werde Mediapart auch sie das Fürchten lehren. Aus dem Scherz ist Ernst geworden. Plenels Online-Zeitung hat den Budgetminister Jérôme Cahuzac wegen dessen Lügen über ein Auslandskonto zu Fall gebracht. Ertappt Mediapart einen weiteren Minister, dürfte die ganze Regierung stürzen.
2010 brachte die Internetzeitung Mediapart mit ihren Enthüllungen schon die Regierung unter Nicolas Sarkozy in Bedrängnis. Jetzt will sie erneut einen "republikanischen Skandal" aufgedeckt haben.
Noch hüllt sich Plenel in Schweigen, wohin die neuen Recherchen seiner Redaktion führen. Die Zeitung Libération, die wie Mediapart dem linken Pressespektrum angehört, berichtete am Montag, das Ziel sei kein Geringerer als der französische Außenminister Laurent Fabius. Libération schreibt, in der gesamten Regierung herrsche Aufregung, weil Mediapart Beweise für heimliche Auslandskonten des Ministers in der Schweiz haben könnte.
Fabius beruhigte noch am Wochenende seinen Präsidenten, an der Geschichte sei nichts dran. Zugleich sagte sein Anwalt: "Der Minister versichert, niemals Konten in der Schweiz oder in irgendeinem Steuerparadies gehabt zu haben." Fabius wolle gerichtlich gegen die Gerüchte vorgehen, die haltlos seien. Außerdem forderte er mehrere Schweizer Banken auf zu bestätigen, dass er kein Konto bei ihnen habe.
Ex-Budgetminister Cahuzac drohen aus der Schweiz weitere Enthüllungen. Der Minister hat bisher öffentlich nur eingestanden, dort ein geheimes Konto mit 600000 Euro besessen zu haben. Nun berichtete der staatliche Schweizer Sender Radio Télévision Suisse (RTS), Cahuzac habe 2009 versucht, 15 Millionen Euro in der Schweiz zu deponieren. Er habe deswegen ein "diskretes und sicheres" Genfer Geldinstitut kontaktiert. Er sei jedoch abgewiesen worden, weil er als exponierter Politiker ein zu großes Risiko gewesen wäre. Der Sender beruft sich dabei auf "Schweizer Bankenquellen".
Die Rechtsvertreter Cahuzacs, der einst als Chirurg und Chef einer Schönheitsklinik viel Geld verdient hat, dementierten die Vorwürfe. Einer der Anwälte sagte, selbst wenn Cahuzac saudischen Milliardären Haare verpflanzt hätte, hätte er keine solchen Summen verdient.
Präsident Hollande muss nun befürchten, durch immer neue echte oder angebliche Enthüllungen über Mitglieder seiner Regierung blockiert zu werden. Er will versuchen, sich mit einem großen Schlag zu befreien. Eine rasche Regierungsumbildung hat er dabei wohl bereits verworfen, weil dies als Eingeständnis des Scheiterns wahrgenommen würde. Stattdessen will Hollande am 24. April ein Gesetzesbündel vorschlagen, das mehr Lauterkeit in der Politik erzwingen und Interessenkonflikte vermeiden helfen soll. In Paris ist, in Anspielung an das Italien der Neunzigerjahre, von einer Aktion "saubere Hände" die Rede, und von einem "Ethik-Schock".
Hierzu kursieren bereits zahlreiche Vorschläge. So wird gefordert, Abgeordneten alle Nebentätigkeiten zu verbieten, die in Frankreich verbreitete Ämterhäufung zu untersagen und Politiker, die wegen Korruption angeklagt sind, von öffentlichen Ämtern auszuschließen. Finanzminister Pierre Moscovici will seinen europäischen Kollegen Vorschläge machen, wie der Steuerbetrug und die Geldwäsche besser bekämpft werden können. Er fordert beispielsweise einen automatischen Informationsaustausch.
Eine Folge Cahuzac-Affäre dürfte sein, dass die Vermögensverhältnisse französischer Minister und Parlamentarier künftig stärker durchleuchtet werden. Am Montag gingen bereits einige Politiker voran. Marie-Arlette Carlotti, die Ministerin für Behinderte, legte als erstes Regierungsmitglied ihr Vermögen - von der 130-Quadratmeter-Wohnung in Marseille bis zum gebrauchten Smart. Sie erklärte auch, wie sie zu ihrem Vermögen kam. "Ich kämpfe für Transparenz in der Politik", sagte Carlotti. Cahuzacs schwerer Fehler dürfe nicht alle Politiker in Misskredit bringen.
Auch Laurent Wauquiez, Vize-Parteichef und große Nachwuchshoffnung der konservativen UMP-Partei, veröffentlichte eine Liste seiner Besitztümer. Er sei nicht in die Politik gegangen, um ein Vermögen zu machen, sagte er. Die publizierten Zahlen geben ihm recht. Etliche andere Politiker kündigten an, dem Beispiel Carlottis und Wauquiezs zu folgen, unter ihnen viele Vertreter der Grünen. Premier Jean-Marc Ayrault versprach in einem Interview, per Gesetz eine "totale Transparenz bei den Vermögen" durchzusetzen. Bis Mitte April sollen Erklärungen über die Vermögensverhältnisse aller Minister veröffentlicht werden. Das Magazin Nouvel Observateur schrieb in seiner Internet-Ausgabe: "Die Operation saubere Hände hat begonnen."
In Frankreich wird aber auch Kritik an dem Enthüllungsreigen laut. Die Affären und Transparenz-Versprechen seien ein großes Theater, das von den Problemen des Landes ablenke, finden manche Beobachter. Der Philosophie-Professor Jean-Jacques Delfour spottet: "Ein neuer Pakt eint die politische Klasse - die glühende Liebe zur Wahrheit." Statt die Steuer- und Bankenpolitik der Regierung Hollande oder die Verschwendung öffentlichen Geldes zu durchleuchten, stürze man sich auf die privaten Verhältnisse der Politiker. Die Affäre Cahuzac sei nur eine Operette.