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Schatten der Geschichte

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Während es wirtschaftlich gut läuft, verharrt das moderne Polen politisch in seiner Vergangenheit und erscheint nach außen in Bösglaubigkeit gefangen zu sein.

Als vor drei Jahren in einem Wald bei Smolensk das Flugzeug des polnischen Präsidenten abstürzte, verloren 96 Menschen ihr Leben. Zu ihnen zählten der Staatschef Lech Kaczynski, seine Frau und höchste Repräsentanten des Landes. Das 97. Opfer dieser Katastrophe aber war die polnische Politik - so bilanziert es jetzt die Zeitschrift Polityka.


Die polnische Zeitung Uwazam Rze zeigte Angela Merkel in KZ-Kluft

Die Analyse hat viel für sich. Denn seit Smolensk hat sich die Spaltung der Gesellschaft in zwei Lager noch vertieft, ein hysterisches Lamento überlagert den Diskurs. Die sonst so charmante, höfliche Art der Polen sucht man in der Politik vergebens. Zwischen der Außenwahrnehmung als erfolgreichstes postkommunistisches Land und dem quälerischen Selbstbild besteht ein evidenter Gegensatz. Die Wirtschaft floriert, aus allen Ecken lugt die Innovation, und die Kultur bietet aufregende Neuheiten an. Nur die Politik scheint gefangen in Bösgläubigkeit, sonst wäre Smolensk kein so überdimensionales Thema mehr.

Die Urheber sind leicht im Lager der nationalkatholischen Rechten zu orten, im publizistischen Umfeld des Oppositionsführers Jaroslaw Kaczynski. Der überlebende Zwillingsbruder kommt nach der Abstrafung durch die Wähler 2007 aus der Ecke des beleidigten Rechthabers nicht heraus. Bis heute deutet er mit Blick auf Smolensk die Möglichkeit eines Anschlags an, ohne den geringsten Beweis. Dies trägt zur Verunsicherung bei. Auch wenn Kaczynski nicht mehr als ein Viertel der Wähler hinter sich hat, glaubt mittlerweile jeder dritte Pole an ein Attentat. Polnische und russische Ermittler hingegen haben Pilotenfehler als Unglücksursache definiert.

Die russische Regierung freilich leistet den Verdächtigungen Vorschub, weil sie mauert und beispielsweise bis heute das Flugzeugwrack nicht zurückgegeben hat. Polens Premier Donald Tusk wiederum tritt den Verdächtigungen der Gegenseite nicht sehr häufig und nicht sehr entschieden entgegen, so wie er überhaupt seine Politik nicht allzu gerne erklärt - darin ist er seiner Freundin Angela Merkel recht ähnlich. Das ist einer der Gründe, warum im öffentlichen Raum oft die Martyrologen dominieren, die Polens Adler auf ewig als gefleddertes Opfer zu zeichnen gewillt sind.

Dies gilt nicht nur im Verhältnis zu Russland, sondern auch zu Deutschland. Gerade hat der ZDF-Film 'Unsere Mütter, unsere Väter' die Gemüter sehr erregt. Noch drei Wochen nach der Ausstrahlung brachte jetzt die Zeitschrift Uwazam Rze als Titelbild eine Angela Merkel in KZ-Kluft. Gemeint ist: die Deutschen lügen sich zu Opfern des Zweiten Weltkrieges um.

Hier muss man nun streng unterscheiden. Einerseits gibt es die Pauschalangriffe aus der Ecke Kaczynski, wie sie sich in diesem Titelbild spiegeln. Und es gibt die berechtigte Kritik auch liberaler Stimmen. Im Brennpunkt stehen jene Passagen des Films, in denen polnische Partisanen der Armia Krajowa (Heimatarmee) als hasserfüllte Antisemiten gezeichnet werden, die einen deutschen Juden als Mitkämpfer ausstoßen, nachdem er andere Juden aus einem KZ-Zug befreit hat.

Niemand leugnet, dass es auch in Polen einen starken Antisemitismus gab, doch wird eine Parallelsetzung deutschen und polnischen Verhaltens in dieser Sache allgemein als ungerecht und verletzend empfunden, wie Polens Botschafter in Berlin, Jerzy Marganski, erklärte. Es darf auch nicht vergessen werden, dass der polnische Widerstand eigene Organisationen gründete, um Tausende Juden zu retten.

Beide Vorgänge - die Diskussion um den deutschen NS-Film wie die politische Instrumentalisierung des Themas Smolensk - belegen erneut, wie stark die Geschichte in der polnischen Politik gegenwärtig ist. So wie die Geschichte nun leider war, kann das gar nicht anders sein. Das Land geht seinen Weg in seiner Art.

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