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Alle sollen profitieren

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In Berlin tragen Hochschüler ihre Arbeiten im Hörsaal vor

Was ein Tag an der Hochschule bieten kann, das zeigt ein Blick auf die Belegung des Hörsaals 2 an der Freien Universität Berlin. Am Dienstagmorgen eine Vorlesung zu Sturm und Drang, danach Statistik, mittags "Genre und Gemeinsinn", am Nachmittag eine Übersicht zu englischer Literatur. Das ist das gewohnte Angebot. Wie vielfältig tatsächlich an der Universität geforscht und gelehrt werden kann, zeigt jedoch erst ein Blick auf die letzte Veranstaltung in Hörsaal 2. Dort steht: "Aus den Schubladen. Studentische Beiträge zur deutschen Philologie." Organisiert von Carolin Schmidt und Robin Carstairs. Von zwei Studenten.

Schmidt, 24, und Carstairs, 23, studieren gerne deutsche Philologie, sie können sich verlieren in detaillierte Betrachtungen von Werken und Spracheigenheiten. Nur eines verstehen sie nicht: wieso ihre Forschungen kaum beachtet werden. Da sitzen sie wochenlang in der Bibliothek, lesen, überlegen, schreiben. Registriert wird dies jedoch nur von Kommilitonen, die ihre Arbeiten gegenlesen, und vom Dozenten. Dann verschwindet die Arbeit im Archiv. "Anders als Professoren schreiben wir nur für ein fiktives Wissenspublikum", sagt Carstairs, "aber dass wir richtig forschen, müssen wir uns nicht nur einreden." Deshalb kam ihnen die Idee, studentische Arbeiten wie Bachelor-, Master- und Hausarbeiten oder auch Promotionsentwürfe einem größeren Publikum vorzustellen. "Dann haben wir uns gefragt: Warum nicht größer denken?", sagt Carstairs. Also wollten sie eine Vorlesung veranstalten, wobei das gleich das Erste war, was sie lernten: dass sie als Studenten keine Vorlesung veranstalten dürfen. Sondern nur eine Vortragsreihe.



Hörsaal in der Berliner Charité: Wieso soll die wochenlange Arbeit der Studenten einfach ungenutzt verschwinden?

Es ist eine einfache Idee, und doch ist sie ungewöhnlich. Das Entgegenkommen, auf das Schmidt und Carstairs bei der Vorbereitung der Vortragsreihe stießen, zeigt jedoch, dass diese ein Beispiel auch für Fachbereiche außerhalb der deutschen Philologie sein kann.

Von Professoren ließen sich Schmidt und Carstairs interessante Arbeiten empfehlen, es meldeten sich zahlreiche potenzielle Referenten. Die Arbeiten beschäftigten sich alle mit der älteren oder neueren deutschen Literatur, nur ein Referent studiert Niederlandistik. Entstanden ist so eine Veranstaltungsreihe, die einer Ringvorlesung ähnelt. Einigermaßen chronologisch präsentieren die Studenten ihre Arbeiten. In den Vorträgen geht es etwa um den Zusammenhang von Ehebruch und Macht in der mittelalterlichen Verserzählung "Die Buhlschaft auf dem Baume", Günter Grass" "Katz und Maus" wird erzähltheoretisch untersucht, ein Student widmet sich Männlichkeit und Bewegung in den Werken von Robert Walser. Am zweiten Dienstag des Semesters präsentiert eine Studentin ihre Masterarbeit, eine Analyse der Arbeitsweise des Übersetzers Elmar Tophoven. Die Studentin liest 20 Minuten lang ihren Vortrag vor, er lebt von seinem Inhalt. 40 Zuhörer folgen interessiert, nur einer tippt nebenher in seinem Laptop herum. Zu einer kritischen Diskussion kommt es anschließend nicht. Dafür stellen die Studenten zustimmende Fragen.

Schmidt und Carstairs haben eine Lücke im Universitätssystem entdeckt, das falle auch ihren Professoren auf, sagen die beiden Studenten. "Die wundern sich, dass es eine vergleichbare Veranstaltung noch nicht gibt. Auch ihnen fällt dann erst auf, dass wir Studenten nur einseitig von der Forschung anderer profitieren", sagt Schmidt. An jedem Dienstagvormittag erhalten die beiden jetzt E-Mails von Professoren, die sich dafür entschuldigen, dass sie abends nicht in den Hörsaal 2 kommen können.


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