Hätten die Bender Zwillinge das 4:4 der deutschen Nationalmannschaft gegen Schweden verhindern können?
München - Das Problem an diesen Benders ist doch, dass man oft nicht weiß, welcher von beiden gemeint ist. Als sie noch beim TSV 1860 spielten, gab es immer wieder Beobachter, die Lars Bender besser fanden, um dann festzustellen, dass sie die ganze Zeit auf Sven geschaut hatten. Als Joachim Löw im Mai seinen EM-Kader vorstellte, erklärte er, er könne sich Lars Bender auch als Rechtsverteidiger vorstellen, was auch Co-Trainer Hansi Flick fand, der allerdings Sven Bender nannte.
Bastian Schweinsteiger hat das besser gemacht in dieser Woche, er hat erst gar nicht versucht, die Benders gegeneinander auszuspielen. 'Mit einem Bender wäre das nicht passiert!', soll Schweinsteiger nach dem 4:4 gegen Schweden in der Kabine geschimpft haben. Schweinsteiger hat diesen Satz, den Ohrenzeugen in der Nacht zum Mittwoch aufgeschnappt hatten, natürlich nicht bestätigt. Aber er hat ihn sehr ausdrücklich nicht dementiert.
Lars Bender
Es ist nichts Neues, dass man Spieler zu den Gewinnern zählt, die bei verlorenen Spielen nicht dabei waren - oder, wie man neuerdings hinzufügen muss, bei Spielen, die nach 4:0-Führung 4:4 enden. Allerdings ist es so, dass an diesem fidelen Fußballspiel sehr viele deutsche Fußballer nicht teilgenommen haben, was eine Menge Sportler bis hinunter zu Schweinsteigers Heimatklub FV Oberaudorf zu Gewinnern macht. Schweinsteigers nächtlicher Ausbruch war aber schon ziemlich konkret adressiert; er meinte ziemlich konkret den einen oder anderen Bender und er meinte die Position, auf der sie spielen. Sie spielen im zentralen, defensiven Mittelfeld - auf der Sechs, wie man so sagt.
Auch Schweinsteiger ist ein Sechser, aber genau da beginnt das Problem. Ob er wirklich ein Sechser ist oder ob er nur auf der Position eines Sechser spielt, das ist eine Frage, die spätestens seit dem 4:4 gegen Schweden mehr als nur akademischen Charakter besitzt. Dieses Spiel hat ja zur besten Sendezeit noch eine zweite Fachfrage aufgeworfen, nämlich jene, ob Toni Kroos wirklich ein Sechser ist oder ob er nur auf der Position eines Sechsers spielt. Diese zweite Fachfrage darf einstweilen als beantwortet gelten, die Antwort stammt von Bastian Schweinsteiger. Unter Berücksichtigung der guten Etikette und der gemeinsamen Vereinszugehörigkeit könnte man Schweinsteigers nächtlichen Ausbruch ja so übersetzen: Im Übrigen vertrete auch ich die Meinung, dass es sich bei Toni Kroos um einen herausragenden Fußballer und hoch geschätzten Mitspieler handelt, dennoch gebe ich vorsichtig zu bedenken, dass es tauglichere Positionen für ihn gibt als jene vor der Abwehr.
Es gab zuletzt eine Menge Debatten um die Nationalelf, die schlimmsten drehten sich um Learjets und Hymnen, die etwas vertretbareren drehten sich um Mentalität und Sieger-Gene, die seriösen drehen sich um Sport. Was diese Elf mehr denn je verfolgt, ist ein Trend zum offenen Raum. Die Abstände stimmen nicht! heißt das hinterher in der Mixed-Zonen-Sprache, und der Bundestrainer sagt dann meist noch etwas von 'individuellen Fehlern'. Er hat damit natürlich recht, aber wer das Statikproblem im deutschen Spiel vom Tagesgeschäft löst, erkennt eine Entwicklung, die es Trainern zunehmend schwer macht, ihre Teams stabil zu bauen.
Der sogenannte Sechser ist ein Spieler, der sich zuletzt so radikal verändert hat, dass man ihn kaum mehr wiedererkennt. Zwar ist zurecht begrüßt worden, dass der Sechser nicht mehr das Hündchen ist, das seinem Herrchen, der Nummer zehn, brav den Ball apportiert und anschließend dem Herrchen der anderen Mannschaft in die Ferse beißt. Es hat den deutschen Fußball sehr erfrischt, dass die Sechser nicht mehr abgerichtet sind, sondern selbst entscheiden - aber wer Spiele wie gegen Schweden oder in Österreich sieht, dem drängt sich der Verdacht auf, dass das Ursprungsprofil in Vergessenheit zu geraten droht. Kroos ist kein Spieler, der den Druck von der Abwehr fernhält, Schweinsteiger auch nicht wirklich und Sami Khedira vor allem dann, wenn er so erzwungen unscheinbar spielt wie bei Real Madrid. Und all die Gündogans, Holtbys, Leitners, Rudys und Götzes, die - zum Teil regelmäßig - im defensiven Mittelfeld auftauchen, die sind ja selbst Artisten. Die haben viel mehr mit Litti & Icke gemein, den sorglos tricksenden Lausbuben von einst, als mit den strengen Erziehungsberechtigten wie Guido Buchwald, Dieter Eilts oder Jens Jeremies.
Was der deutsche Fußball gerade erlebt, ist die Kehrseite der Medaille. Seine Nationalmannschaft wird immer offensiver, immer künstlerischer und schöngeistiger, mitunter aber über die Naivitätsgrenze hinaus. So erklärt sich die plötzliche Sehnsucht nach seriösem deutschen Handwerk, die in den Bender-Zwillingen eine moderne Ausdrucksform gefunden hat. Gerade Löws Elf möchte man ein defensives Gewissen wünschen, aber der Bundestrainer muss erkennen, dass der Tugendmarkt in Deutschland ziemlich leergefegt ist. Der Frankfurter Sebastian Rode, 22, gilt als aussichtsreiche Einen Spieler wie den Spanier Sergio Busquets sucht man vergebens, einen Defensivdenker, athletisch, zweikampf- und kopfballstark, nahe bei den Abwehrspielern und dennoch in der Lage, den Ball mit wenigen Kontakten flott weiterzuspielen. Löw kann unter vielen Achtern wählen - echte Sechser findet er kaum.
München - Das Problem an diesen Benders ist doch, dass man oft nicht weiß, welcher von beiden gemeint ist. Als sie noch beim TSV 1860 spielten, gab es immer wieder Beobachter, die Lars Bender besser fanden, um dann festzustellen, dass sie die ganze Zeit auf Sven geschaut hatten. Als Joachim Löw im Mai seinen EM-Kader vorstellte, erklärte er, er könne sich Lars Bender auch als Rechtsverteidiger vorstellen, was auch Co-Trainer Hansi Flick fand, der allerdings Sven Bender nannte.
Bastian Schweinsteiger hat das besser gemacht in dieser Woche, er hat erst gar nicht versucht, die Benders gegeneinander auszuspielen. 'Mit einem Bender wäre das nicht passiert!', soll Schweinsteiger nach dem 4:4 gegen Schweden in der Kabine geschimpft haben. Schweinsteiger hat diesen Satz, den Ohrenzeugen in der Nacht zum Mittwoch aufgeschnappt hatten, natürlich nicht bestätigt. Aber er hat ihn sehr ausdrücklich nicht dementiert.
Lars Bender
Es ist nichts Neues, dass man Spieler zu den Gewinnern zählt, die bei verlorenen Spielen nicht dabei waren - oder, wie man neuerdings hinzufügen muss, bei Spielen, die nach 4:0-Führung 4:4 enden. Allerdings ist es so, dass an diesem fidelen Fußballspiel sehr viele deutsche Fußballer nicht teilgenommen haben, was eine Menge Sportler bis hinunter zu Schweinsteigers Heimatklub FV Oberaudorf zu Gewinnern macht. Schweinsteigers nächtlicher Ausbruch war aber schon ziemlich konkret adressiert; er meinte ziemlich konkret den einen oder anderen Bender und er meinte die Position, auf der sie spielen. Sie spielen im zentralen, defensiven Mittelfeld - auf der Sechs, wie man so sagt.
Auch Schweinsteiger ist ein Sechser, aber genau da beginnt das Problem. Ob er wirklich ein Sechser ist oder ob er nur auf der Position eines Sechser spielt, das ist eine Frage, die spätestens seit dem 4:4 gegen Schweden mehr als nur akademischen Charakter besitzt. Dieses Spiel hat ja zur besten Sendezeit noch eine zweite Fachfrage aufgeworfen, nämlich jene, ob Toni Kroos wirklich ein Sechser ist oder ob er nur auf der Position eines Sechsers spielt. Diese zweite Fachfrage darf einstweilen als beantwortet gelten, die Antwort stammt von Bastian Schweinsteiger. Unter Berücksichtigung der guten Etikette und der gemeinsamen Vereinszugehörigkeit könnte man Schweinsteigers nächtlichen Ausbruch ja so übersetzen: Im Übrigen vertrete auch ich die Meinung, dass es sich bei Toni Kroos um einen herausragenden Fußballer und hoch geschätzten Mitspieler handelt, dennoch gebe ich vorsichtig zu bedenken, dass es tauglichere Positionen für ihn gibt als jene vor der Abwehr.
Es gab zuletzt eine Menge Debatten um die Nationalelf, die schlimmsten drehten sich um Learjets und Hymnen, die etwas vertretbareren drehten sich um Mentalität und Sieger-Gene, die seriösen drehen sich um Sport. Was diese Elf mehr denn je verfolgt, ist ein Trend zum offenen Raum. Die Abstände stimmen nicht! heißt das hinterher in der Mixed-Zonen-Sprache, und der Bundestrainer sagt dann meist noch etwas von 'individuellen Fehlern'. Er hat damit natürlich recht, aber wer das Statikproblem im deutschen Spiel vom Tagesgeschäft löst, erkennt eine Entwicklung, die es Trainern zunehmend schwer macht, ihre Teams stabil zu bauen.
Der sogenannte Sechser ist ein Spieler, der sich zuletzt so radikal verändert hat, dass man ihn kaum mehr wiedererkennt. Zwar ist zurecht begrüßt worden, dass der Sechser nicht mehr das Hündchen ist, das seinem Herrchen, der Nummer zehn, brav den Ball apportiert und anschließend dem Herrchen der anderen Mannschaft in die Ferse beißt. Es hat den deutschen Fußball sehr erfrischt, dass die Sechser nicht mehr abgerichtet sind, sondern selbst entscheiden - aber wer Spiele wie gegen Schweden oder in Österreich sieht, dem drängt sich der Verdacht auf, dass das Ursprungsprofil in Vergessenheit zu geraten droht. Kroos ist kein Spieler, der den Druck von der Abwehr fernhält, Schweinsteiger auch nicht wirklich und Sami Khedira vor allem dann, wenn er so erzwungen unscheinbar spielt wie bei Real Madrid. Und all die Gündogans, Holtbys, Leitners, Rudys und Götzes, die - zum Teil regelmäßig - im defensiven Mittelfeld auftauchen, die sind ja selbst Artisten. Die haben viel mehr mit Litti & Icke gemein, den sorglos tricksenden Lausbuben von einst, als mit den strengen Erziehungsberechtigten wie Guido Buchwald, Dieter Eilts oder Jens Jeremies.
Was der deutsche Fußball gerade erlebt, ist die Kehrseite der Medaille. Seine Nationalmannschaft wird immer offensiver, immer künstlerischer und schöngeistiger, mitunter aber über die Naivitätsgrenze hinaus. So erklärt sich die plötzliche Sehnsucht nach seriösem deutschen Handwerk, die in den Bender-Zwillingen eine moderne Ausdrucksform gefunden hat. Gerade Löws Elf möchte man ein defensives Gewissen wünschen, aber der Bundestrainer muss erkennen, dass der Tugendmarkt in Deutschland ziemlich leergefegt ist. Der Frankfurter Sebastian Rode, 22, gilt als aussichtsreiche Einen Spieler wie den Spanier Sergio Busquets sucht man vergebens, einen Defensivdenker, athletisch, zweikampf- und kopfballstark, nahe bei den Abwehrspielern und dennoch in der Lage, den Ball mit wenigen Kontakten flott weiterzuspielen. Löw kann unter vielen Achtern wählen - echte Sechser findet er kaum.