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'Ich bin hier, ich bin jetzt frei'

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Rettung nach zehn Jahren: In einem Haus in Cleveland werden drei Frauen gefunden, die lange als vermisst galten. Die Polizei nimmt drei Brüder fest - einer von ihnen soll mit den Entführten zusammengelebt haben.


Washington - 'Helfen Sie mir, ich bin Amanda Berry', sagte die Frau, panisch, schluchzend, als sie die Notrufzentrale erreicht hatte. 'Ich bin entführt worden und war zehn Jahre verschwunden und ich, ich bin hier, ich bin jetzt frei'. Es sind die Worte einer längst Totgeglaubten.

Der Anruf führte die Polizei zu einem Haus in der Innenstadt von Cleveland im US-Bundesstaat Ohio. Dort war nicht nur Amanda Berry ein Jahrzehnt lang eingesperrt gewesen, sondern auch Gina DeJesus und Michelle Knight. Auch ein sechs Jahre altes Kind wurde in dem Haus gefunden, der Schwager von Berry sagte in einem Fernsehinterview, sie habe es während ihrer Gefangenschaft zur Welt gebracht. Alle drei Frauen sind offenbar bei guter Gesundheit. Die Opfer wurden nach ihrer Befreiung in einem Krankenhaus in Cleveland behandelt. Es gehe ihnen gut, sagte Dr. Gerald Maloney, ein Arzt in der Notaufnahme des Metro Health Medical Centers. 'Normalerweise gehen solche Geschichten anders aus.'

Berry war am 21. April 2003 verschwunden, damals war sie 16. Sie jobbte in einem Burger King in Cleveland, nach der Arbeit rief sie ihre Schwester an und sagte, jemand fahre sie jetzt nach Hause. Es blieb das letzte Lebenszeichen für lange Zeit. Genau ein Jahr später verschwand auch Gina DeJesus, damals 14 Jahre alt, auf dem Weg von der Schule nach Hause. Bereits im Jahr 2002 war Michelle Knight verschwunden, sie war damals Anfang 20.

Ein Nachbar schilderte am Dienstag die Befreiung von Amanda Berry. 'Ich habe Schreie gehört', sagte Charles Ramsey im Fernsehen, 'ich bin beim Essen, gehe raus. Ich sehe dieses Mädchen, das durchdreht, weil es aus einem Haus will. Sie sagt: Ich bin entführt worden und bin lange in diesem Haus gewesen.' Sie rüttelte an einer Tür, die nur so weit aufging, dass sie ihre Hand herausstrecken konnte. Mehrere Nachbarn halfen ihr, die Tür aufzubrechen. Bei sich hatte sie das Kind.

Die Nachbarin Anna Tejeda erzählte, Berry habe einen Schlafanzug und Sandalen getragen. Als Berry ihren Namen sagte, entgegnete Tejeda: 'Sie sind nicht Amanda Berry. Amanda Berry ist tot.' Tejeda reichte Berry ihr Telefon und ließ sie die Notrufnummer 911 wählen. 'Ich bin Amanda Berry', sagte die Befreite, 'ich war die letzten zehn Jahre in den Nachrichten.'



Polizeibeamte befragen Nachbarn des Hauses, wo die als Teenager verschwundenen Frauen aufgefunden wurden

Das FBI durchsuchte am Dienstag das Haus in der Seymour Avenue - es liegt weniger als einen Kilometer von den Häusern der Familien von Berry und DeJesus entfernt. Die Polizei erklärte, sie habe drei Männer festgenommen, offenbar Brüder. Sie sollen 50, 52 und 54 Jahre alt sein. Der mittlere, ein ehemaliger Schulbusfahrer, soll mit den entführten Frauen in dem Haus gelebt haben. Berry soll am Telefon gesagt haben, der Mann heiße Ariel Castro. Der Nachbar Charles Ramsey sagte, er habe öfters mit dem Mann gegrillt, ihm sei nie etwas Verdächtiges aufgefallen.

Der spektakuläre Fall hatte die Stadt Cleveland nie losgelassen. Im vergangenen Jahr hatte ein Mann ein Grundstück genannt, auf dem die Behörden nach der Leiche Berrys suchen sollten. Die Erde dort wurde umgegraben, aber es wurde nichts gefunden. Der Mann gestand später, die Justiz getäuscht zu haben. Er wurde zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt.

In der Nacht auf Dienstag versammelten sich nun Hunderte Schaulustige in der Nähe des Tatorts und vor dem Krankenhaus, viele jubelten. Lokale Medien hatten auch nach Jahren immer wieder über die Vermissten berichtet. 'Ich bin überwältigt. Es ist ein Segen', sagte die Aktivistin Judy Martin dem Sender ABC News Channel 5. Sie hatte sich jahrelang an Aufrufen und Suchaktionen beteiligt. Bürgermeister Frank Jackson erklärte, er sei dankbar ob der Befreiung der drei Frauen. Er sagte aber auch: 'Wir haben viele unbeantwortete Fragen.'

Die Mutter von Amanda Berry wird die Freude über die Befreiung ihrer Tochter nicht mehr erleben. Sie hatte drei Jahre lang nach ihrem Kind gesucht, war dabei schwer erkrankt und starb schließlich im Frühjahr 2006. 'Sie ist im wahrsten Sinne des Wortes an einem gebrochenen Herzen gestorben', sagte eine Bekannte.

Die Geschichte der drei Frauen erinnert an ähnliche Fälle wie den der entführten Natascha Kampusch oder den der Familie Fritzl, beide in Österreich. In den USA sorgte im Jahr 2009 der Fall von Jaycee Lee Dugard für Aufsehen; sie war im Alter von elf Jahren entführt worden und hatte 18 Jahre lang - von der Außenwelt unbemerkt - auf dem Anwesen ihres Entführers im kalifornischen Antioch gelebt.

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