Strom wird zum Luxusprodukt, sagen die Gegner des Atomausstiegs. Dabei gibt es Konzepte gegen die Energiearmut.
Wie keine andere Nation betreibt Deutschland den Wandel der Energieversorgung. In gut dreißig Jahren wird der Strom fast ausschließlich erneuerbar erzeugt werden. Ehrgeizige Effizienzprogramme im Zusammenwirken mit erneuerbaren Energien werden den Bedarf an Kohle, Öl und Gas um mehr als drei Viertel reduzieren. Diese Energiewende führt mittelfristig zu sozial verträglichen Preisen, weil die Abhängigkeit von den versiegenden fossilen Ressourcen sinkt. Doch der Widerstand der Profiteure des Status quo ist enorm. Sie forcieren die Gerechtigkeitsdebatte und geben sich als Fürsprecher der Armen. Deshalb müssen die Verfechter der Energiewende Lösungen für die sozialen Probleme anbieten, die sich aus dem Umbau ergeben können.
In Deutschland gibt es von Jahr zu Jahr mehr Bürger, die ihre Wohnung nicht angemessen heizen und kaum ihre Stromrechnung bezahlen können. Wer mehr als zehn Prozent seines Nettokommens für Energie aufbringen muss, gilt nach einer Definition aus Großbritannien als 'energiearm'. Davon sind hierzulande laut Bundesregierung knapp 14 Prozent betroffen. Energiearmut entsteht durch niedriges Einkommen, hohe Energiepreise, ineffiziente Gebäude, verschwenderische Gerätschaften und durch unbedachte Alltagsroutinen. Sind diese Faktoren ungünstig kombiniert, steht im schlimmsten Fall am Ende die Strom- oder Gassperre.
Die Energiewende ist also eine soziale und ökologische Herausforderung. Aus rein sozialpolitischer Sicht ließen sich die hohen Energiepreise über Sozialtransfers kompensieren. Doch so flösse viel Geld in ein Fass mit löchrigem Boden, wenn die Energiepreise weiter steigen. Jetzt ist die richtige Zeit, die Wurzel der Ressourcenkrise zu packen und zugleich den Klimawandel zu begrenzen. Soweit möglich, muss der Verbrauch gesenkt werden - bei angemessenem Komfort. Dafür stehen verschiedene Konzepte bereit.
Entscheidend ist da nicht allein die Geräteausstattung und Beschaffenheit des Gebäudes. Wichtig ist auch, die Menschen über effiziente Verhaltensweisen zu beraten. Bei einem durchschnittlichen Haushalt liegen allein dadurch die Einsparpotenziale für Strom und Wärme zwischen zehn und 30 Prozent. Richtiges Lüften und moderate Raumtemperaturen können der Haushaltskasse mehrere Hundert Euro sparen. Doch Alltagsroutinen und Gewohnheiten lassen sich nicht ändern, indem einige Infobroschüren verteilt werden. Notwendig ist die fachkundige Beratung in der Wohnung, bei der Sparlampen direkt montiert und effiziente Verhaltensweisen vermittelt werden, und zwar anschaulich und mit didaktischem Geschick - etwa, warum Kipplüften die Schimmelgefahr erhöht und viel Energie kostet.
das Stromnetz soll in ein paar Jahrzenten nur noch aus erneuerbaren Quellen gespeist werden
Überhaupt werden die Sparmöglichkeiten beim Heizen oft unterschätzt. Das mag auch daran liegen, dass die öffentliche Diskussion nur um die Stromkosten kreist. Ein Schelm, wer jetzt denkt, hier hätten die Gegner der Energiewende ihre Hände im Spiel. Auch der bundesweit aktive Stromspar-Check vernachlässigt - wie der Name schon sagt - die Heizkosten. Diese verursachen aber in der Regel rund die Hälfte der Energierechnung.
Es stimmt übrigens auch nicht, dass arme Menschen verschwenderisch mit Energie umgehen - das ist ein weit verbreitetes Vorurteil. Die Auswertung von Beratungsprojekten zeigt, dass Arme eher weniger Strom benötigen als der Durchschnitt der Bevölkerung. Je wohlhabender die Bürger sind, desto mehr Energie benötigen sie.
Ein wichtiger Ansatzpunkt, um die technischen Sparpotenziale zu erschließen, ist ein Kühlschranktausch. Damit lässt sich die Stromrechnung leicht um 100 Euro im Jahr verringern. Doch neue, effiziente Geräte sind teuer. Das macht ein Förderprogramm notwendig, das vom Bund bezahlt und in den Kommunen umgesetzt wird. Die Sozialbehörden können - wie das zum Beispiel in Nürnberg Praxis ist - mithilfe fachkundiger Energieberater klären, ob ein Neugerät helfen kann. Anschließend erhält der Haushalt einen Spendengutschein über 350 Euro, der bei den teilnehmenden Fachgeschäften eingelöst werden kann. Lediglich die Effizienzklasse des Geräts ist vorgeschrieben. Der Fachhandel liefert den Kühlschrank nach Hause, nimmt das Altgerät mit und schickt die Rechnung an das Sozialamt.
Ein weiterer Ansatzpunkt ist die sozialverträgliche Gebäudesanierung. Arme Menschen leben vorwiegend in schlecht isolierten Gebäuden. Das liegt auch daran, dass die Sozialträger nur niedrige Mieten übernehmen. In Bielefeld stellt man sich dem Problem mit einem 'Klimabonus'. Die Stadt erlaubt höhere Mieten, wenn das Gebäude vergleichsweise wenig Heizkosten verursacht. Das ist für die Staatskasse aufkommensneutral und erhöht den Sanierungsanreiz für Vermieter. Zudem gilt es zu vermeiden, dass einkommensarme Menschen aus ihrer Wohnung heraussaniert werden - zum Beispiel, indem bei Mehrfamilienhäusern ein Drittel der Sanierungskosten durch die staatliche Förderung getragen wird. Hilfreich wären auch Obergrenzen für Mietsteigerungen sowie eine Stärkung genossenschaftlicher Wohnformen und des sozialen Wohnungsbaus.
Die Einführung von Sozialtarifen ist dagegen weniger empfehlenswert. Sie können die Folgen steigender Energiekosten nicht mildern, ohne zugleich unerwünschte Nebenwirkungen auszulösen. Ein hoher administrativer Aufwand, mangelnde Zielgenauigkeit, rechtliche Hürden, wettbewerbliche Verzerrungen und klimapolitische Überlegungen sprechen gegen eine bundesweit verpflichtende Einführung solcher Tarife.
Die schlimmsten Folgen der Energiearmut, die Versorgungsunterbrechung, können Prepaidzähler verhindern. Sie werden in anderen Ländern millionenfach eingesetzt und vermeiden, dass die Stromschulden immer weiter wachsen. Die Betroffenen gehen bewusster und sparsamer mit Elektrizität um. Das Guthaben könnte in Zukunft wie beim Prepaidhandy aufgeladen werden. Bürokratie und Mehrkosten durch Sperrungen und Entsperrungen fallen dann weg. Die Prepaidfunktion könnte problemlos in den neuen Standard der intelligenten Stromzähler integriert werden, die Kosten ließen sich über das Netzentgelt auf alle Stromversorger verteilen.
Es gibt also zahlreiche Möglichkeiten, um die Folgen hoher Energiepreise für arme Menschen abzufedern. Die Stimmungsmache und die Polemik, dass nun der Strom unbezahlbar werde, sind unangebracht. Es empfiehlt sich stattdessen, konkrete Lösungskonzepte auf den Weg zu bringen. Das schafft Akzeptanz auch bei den Bedürftigen, sichert die Wohlfahrt und stärkt die Demokratie.
Wie keine andere Nation betreibt Deutschland den Wandel der Energieversorgung. In gut dreißig Jahren wird der Strom fast ausschließlich erneuerbar erzeugt werden. Ehrgeizige Effizienzprogramme im Zusammenwirken mit erneuerbaren Energien werden den Bedarf an Kohle, Öl und Gas um mehr als drei Viertel reduzieren. Diese Energiewende führt mittelfristig zu sozial verträglichen Preisen, weil die Abhängigkeit von den versiegenden fossilen Ressourcen sinkt. Doch der Widerstand der Profiteure des Status quo ist enorm. Sie forcieren die Gerechtigkeitsdebatte und geben sich als Fürsprecher der Armen. Deshalb müssen die Verfechter der Energiewende Lösungen für die sozialen Probleme anbieten, die sich aus dem Umbau ergeben können.
In Deutschland gibt es von Jahr zu Jahr mehr Bürger, die ihre Wohnung nicht angemessen heizen und kaum ihre Stromrechnung bezahlen können. Wer mehr als zehn Prozent seines Nettokommens für Energie aufbringen muss, gilt nach einer Definition aus Großbritannien als 'energiearm'. Davon sind hierzulande laut Bundesregierung knapp 14 Prozent betroffen. Energiearmut entsteht durch niedriges Einkommen, hohe Energiepreise, ineffiziente Gebäude, verschwenderische Gerätschaften und durch unbedachte Alltagsroutinen. Sind diese Faktoren ungünstig kombiniert, steht im schlimmsten Fall am Ende die Strom- oder Gassperre.
Die Energiewende ist also eine soziale und ökologische Herausforderung. Aus rein sozialpolitischer Sicht ließen sich die hohen Energiepreise über Sozialtransfers kompensieren. Doch so flösse viel Geld in ein Fass mit löchrigem Boden, wenn die Energiepreise weiter steigen. Jetzt ist die richtige Zeit, die Wurzel der Ressourcenkrise zu packen und zugleich den Klimawandel zu begrenzen. Soweit möglich, muss der Verbrauch gesenkt werden - bei angemessenem Komfort. Dafür stehen verschiedene Konzepte bereit.
Entscheidend ist da nicht allein die Geräteausstattung und Beschaffenheit des Gebäudes. Wichtig ist auch, die Menschen über effiziente Verhaltensweisen zu beraten. Bei einem durchschnittlichen Haushalt liegen allein dadurch die Einsparpotenziale für Strom und Wärme zwischen zehn und 30 Prozent. Richtiges Lüften und moderate Raumtemperaturen können der Haushaltskasse mehrere Hundert Euro sparen. Doch Alltagsroutinen und Gewohnheiten lassen sich nicht ändern, indem einige Infobroschüren verteilt werden. Notwendig ist die fachkundige Beratung in der Wohnung, bei der Sparlampen direkt montiert und effiziente Verhaltensweisen vermittelt werden, und zwar anschaulich und mit didaktischem Geschick - etwa, warum Kipplüften die Schimmelgefahr erhöht und viel Energie kostet.
das Stromnetz soll in ein paar Jahrzenten nur noch aus erneuerbaren Quellen gespeist werden
Überhaupt werden die Sparmöglichkeiten beim Heizen oft unterschätzt. Das mag auch daran liegen, dass die öffentliche Diskussion nur um die Stromkosten kreist. Ein Schelm, wer jetzt denkt, hier hätten die Gegner der Energiewende ihre Hände im Spiel. Auch der bundesweit aktive Stromspar-Check vernachlässigt - wie der Name schon sagt - die Heizkosten. Diese verursachen aber in der Regel rund die Hälfte der Energierechnung.
Es stimmt übrigens auch nicht, dass arme Menschen verschwenderisch mit Energie umgehen - das ist ein weit verbreitetes Vorurteil. Die Auswertung von Beratungsprojekten zeigt, dass Arme eher weniger Strom benötigen als der Durchschnitt der Bevölkerung. Je wohlhabender die Bürger sind, desto mehr Energie benötigen sie.
Ein wichtiger Ansatzpunkt, um die technischen Sparpotenziale zu erschließen, ist ein Kühlschranktausch. Damit lässt sich die Stromrechnung leicht um 100 Euro im Jahr verringern. Doch neue, effiziente Geräte sind teuer. Das macht ein Förderprogramm notwendig, das vom Bund bezahlt und in den Kommunen umgesetzt wird. Die Sozialbehörden können - wie das zum Beispiel in Nürnberg Praxis ist - mithilfe fachkundiger Energieberater klären, ob ein Neugerät helfen kann. Anschließend erhält der Haushalt einen Spendengutschein über 350 Euro, der bei den teilnehmenden Fachgeschäften eingelöst werden kann. Lediglich die Effizienzklasse des Geräts ist vorgeschrieben. Der Fachhandel liefert den Kühlschrank nach Hause, nimmt das Altgerät mit und schickt die Rechnung an das Sozialamt.
Ein weiterer Ansatzpunkt ist die sozialverträgliche Gebäudesanierung. Arme Menschen leben vorwiegend in schlecht isolierten Gebäuden. Das liegt auch daran, dass die Sozialträger nur niedrige Mieten übernehmen. In Bielefeld stellt man sich dem Problem mit einem 'Klimabonus'. Die Stadt erlaubt höhere Mieten, wenn das Gebäude vergleichsweise wenig Heizkosten verursacht. Das ist für die Staatskasse aufkommensneutral und erhöht den Sanierungsanreiz für Vermieter. Zudem gilt es zu vermeiden, dass einkommensarme Menschen aus ihrer Wohnung heraussaniert werden - zum Beispiel, indem bei Mehrfamilienhäusern ein Drittel der Sanierungskosten durch die staatliche Förderung getragen wird. Hilfreich wären auch Obergrenzen für Mietsteigerungen sowie eine Stärkung genossenschaftlicher Wohnformen und des sozialen Wohnungsbaus.
Die Einführung von Sozialtarifen ist dagegen weniger empfehlenswert. Sie können die Folgen steigender Energiekosten nicht mildern, ohne zugleich unerwünschte Nebenwirkungen auszulösen. Ein hoher administrativer Aufwand, mangelnde Zielgenauigkeit, rechtliche Hürden, wettbewerbliche Verzerrungen und klimapolitische Überlegungen sprechen gegen eine bundesweit verpflichtende Einführung solcher Tarife.
Die schlimmsten Folgen der Energiearmut, die Versorgungsunterbrechung, können Prepaidzähler verhindern. Sie werden in anderen Ländern millionenfach eingesetzt und vermeiden, dass die Stromschulden immer weiter wachsen. Die Betroffenen gehen bewusster und sparsamer mit Elektrizität um. Das Guthaben könnte in Zukunft wie beim Prepaidhandy aufgeladen werden. Bürokratie und Mehrkosten durch Sperrungen und Entsperrungen fallen dann weg. Die Prepaidfunktion könnte problemlos in den neuen Standard der intelligenten Stromzähler integriert werden, die Kosten ließen sich über das Netzentgelt auf alle Stromversorger verteilen.
Es gibt also zahlreiche Möglichkeiten, um die Folgen hoher Energiepreise für arme Menschen abzufedern. Die Stimmungsmache und die Polemik, dass nun der Strom unbezahlbar werde, sind unangebracht. Es empfiehlt sich stattdessen, konkrete Lösungskonzepte auf den Weg zu bringen. Das schafft Akzeptanz auch bei den Bedürftigen, sichert die Wohlfahrt und stärkt die Demokratie.