Zehn Morde, zwei Jahre, ein Verfahren in einem fensterlosen Saal. Das ist der NSU-Prozess. Im Oberlandesgericht München herrscht angespannte Stimmung. Der erste Akt eines Dramas im Wortlaut
Es ist der wichtigste Prozess des Landes. Der Richter hatte schon vor Prozessbeginn wegen Unsensibilität für Aufsehen gesorgt. Die Verteidiger von Beate Zschäpe vertreten eine Frau, die mal als "Teufel", mal als "Nazibraut" beschimpft wird. Hinter ihnen sitzen die rechten Szeneanwälte des Angeklagten Ralf Wohlleben. Das alles in einem bunkerartigen Gerichtssaal ohne Fenster - mit der Aussicht, darin zwei Jahre gemeinsam zu verbringen. Was ist dagegen Jean-Paul Sartres "Geschlossene Gesellschaft"? "Die Hölle", schrieb er, "sind immer die anderen."
Erster Verhandlungstag
Zschäpes Anwalt Wolfgang Stahl fragt, warum die Verteidiger durchsucht werden, nicht aber die Staatsanwälte, die Richter, die Polizisten. Wenn schon, dann sollten bitte alle durchsucht werden. Sonst sei das "diskriminierend" gegenüber den Verteidigern, sagt Stahl. Das Gericht argumentiert, den Verteidigern könnte wegen ihres "besonderen Näheverhältnisses" unerlaubte Dinge zugesteckt werden.
Stahl: "Das Gericht hält die Verteidiger offenbar für zu dumm, als dass sie erkennen könnten, wenn ihnen jemand unerlaubte Dinge zusteckt."
Die Richter sitzen stoisch da.
Zweiter Verhandlungstag
Zschäpes Verteidiger Wolfgang Heer hat ums Wort gebeten.
Richter Götzl: "Mir ist noch nicht klar, um was es gehen soll, Herr Rechtsanwalt."
Heer: "Ich beabsichtige nicht, immer um das Wort zu bitten."
Götzl: "Doch, das werden Sie aber müssen."
Heer: "Da haben wir einen Dissens."
Götzl: "Aber ich habe die Sitzungsgewalt."
Anwalt Thomas Bliwier meldet sich, er vertritt eine Opferfamilie. Er mahnt Götzl: "Wenn Sie dem Kollegen das Wort erteilen, würde ich das ausdrücklich beanstanden und es begründen." Götzl erteilt Bliwier das Wort. Das beanstandet nun Heer. Bliwier sagt, der Prozess müsse beschleunigt werden: "Das Gericht möge anordnen, dass die Vertreter des Generalbundesanwalts nun die Anklage verlesen mögen."
Götzl erteilt dann doch noch Zschäpes Anwalt Heer das Wort. Der beantragt, die Verhandlung auszusetzen und in einem größeren Saal neu zu beginnen. Die Gründe: die Sicht von der Zuschauerempore sei unzureichend, dafür seien die Unterlagen der Verteidiger von der Richterbank aus voll einsehbar - so eng ist es hier.
Götzl: "Die beiden Richterinnen, die Ihnen am nächsten sitzen, haben erklärt, sie könnten nichts erkennen. Aber Sie können gerne in die zweite Reihe rücken."
Heer: "Natürlich setze ich mich nicht an den Katzentisch da hinten. Ich möchte direkt neben meiner Mandantin sitzen."
Götzl: "Das Wort Katzentisch verbitte ich mir."
Heer: "Warum unterbrechen Sie mich?"
Götzl: "Sie unterbrechen mich."
Heer: "Sie sind unhöflich. Ich lasse mich nicht unterbrechen, wenn ich das Wort habe."
Richter Götzl weist die Anträge der Verteidiger zurück. Es bleibt beim engen Sitzungssaal. Anwalt Heer meldet sich.
Götzl: "Worum geht es, Herr Rechtsanwalt Heer."
Heer: "Das sage ich Ihnen, wenn Sie mir das Wort erteilen."
Götzl: "Dann erteile ich Ihnen das Wort nicht."
Heer: "Es ist eine Gegenvorstellung."
Götzl: "Zu unserem Beschluss?"
Heer: "So ist es, Herr Vorsitzender."
Heer erhält das Wort. Er beantragt eine dienstliche Erklärung des Vorsitzenden, wo die Zeugen sitzen werden. Götzl deutet auf den einzigen freien Fleck im Saal.
Dritter Verhandlungstag
"Ladies first", sagt Götzl und erteilt der Anwältin des Angeklagten Ralf Wohlleben das Wort. Zschäpes Verteidiger Wolfgang Stahl unterbricht, er fragt den Richter: "An was können wir uns halten bei Ihnen? Wer zuerst kommt, mahlt zuerst? Oder sollen wir reinschreien, um gehört zu werden?"
Götzl: "Jetzt machen wir halt mal mit Frau Schneiders weiter."
Kurz darauf erteilt der Richter der Nebenklage-Vertreterin Edith Lunnebach das Wort. Verteidiger Heer protestiert. Er hatte sich schon früher gemeldet. Lunnebach sagt, sie sei dran. Heer sagt, er sei dran. Im Gerichtssaal wird gelacht.
Heer: "Es geht nicht an, dass ich etwas sage und es wird gelacht." Er beantragt beim Richter: "Halten Sie bitte alle zur Sachlichkeit an." Es wird trotzdem noch mal gelacht. Heers Kollege Stahl springt auf, im Stehen beantragt er eine Unterbrechung. Nicht sofort kehrt Ruhe ein. Da zieht er die Robe aus und verlässt den Saal. Kurz darauf setzt er sich wieder hin. Nebenklägerin Lunnebach sagt: "Vielleicht ist die Unruhe der Nervosität der Verteidigung geschuldet."
Götzl: "Frau Lunnebach, Sie sind jetzt auch ruhig. Wenn man guten Willens ist, lässt sich das ganz einfach regeln."
Heer: "Es ist gerade erneut gelacht worden. Das ist unwürdig für diese Verhandlung. Ermahnen Sie die Prozessbeteiligten zur Sachlichkeit. "
Götzl: "Die Mahnung zur Sachlichkeit ist bereits erfolgt."
Lunnebach: "Ich würde gerne zu den Inhalten des Verfahrens zurückkehren."
Heer: "Ich habe das Wort. Ich beanstande die Worterteilung an Frau Lunnebach."
Bundesanwalt Herbert Diemer: "Ich halte das Verhalten von Rechtsanwalt Heer für ungehörig. Um was geht es Ihnen denn eigentlich?"
Heer: "Es geht um die Reihenfolge der Wortmeldungen. Man sollte sich auf die Gepflogenheiten einigen."
"Geduld", sagt Götzl. "Haben Sie doch Geduld."
Stahl sagt etwas, das auf der Besuchertribüne nicht zu verstehen ist.
Götzl: "Warum sind Sie so unhöflich zu mir, Herr Stahl. Was soll die Spitze schon wieder?"
Verteidigerin Sturm beantragt eine Unterbrechung.
Götzl: "Warum wollen Sie eine Unterbrechung? Geht es um einen Befangenheitsantrag?"
Sturms Kollege Stahl antwortet: "Genau das müssen wir jetzt beraten."
Götzl: "Ihnen habe ich das Wort nicht erteilt, Herr Stahl. Frau Sturm ist in der Lage, Fragen zu beantworten."
Sturm sagt zu Götzl: "Die Anwältin Sturm kann das kollegial klären, sie bedarf zum Glück noch nicht Ihres Schutzes."
Vierter Verhandlungstag
Zschäpes Verteidigung ist an diesem Tag sehr ruhig. Dafür ruft eine Nebenklägerin in den Saal. Sie beschwert sich, warum das Mikrofon der Bundesanwälte sofort anspricht, ihres aber nicht. Haben die eine Vorrangschaltung?
Götzl: "Dann mach" ich jetzt 20 Minuten Pause, ruf" den Techniker an und klär" das." Der Richter rauscht hinaus.
Götzl bescheidet noch Anträge. Videoaufzeichnung der Zeugenaussagen - abgelehnt. Audioaufzeichnung - abgelehnt. Mitstenografieren - abgelehnt. Die Durchsuchung der Verteidiger - es bleibt dabei. Die Reihenfolge der Wortmeldungen - behält sich der Richter vor. Irgendwann sagt Götzl: "Wir haben überlegt, heute zum Ende zu kommen." Gequältes Gelächter. Sie haben gerade den Anfang überstanden.
Es ist der wichtigste Prozess des Landes. Der Richter hatte schon vor Prozessbeginn wegen Unsensibilität für Aufsehen gesorgt. Die Verteidiger von Beate Zschäpe vertreten eine Frau, die mal als "Teufel", mal als "Nazibraut" beschimpft wird. Hinter ihnen sitzen die rechten Szeneanwälte des Angeklagten Ralf Wohlleben. Das alles in einem bunkerartigen Gerichtssaal ohne Fenster - mit der Aussicht, darin zwei Jahre gemeinsam zu verbringen. Was ist dagegen Jean-Paul Sartres "Geschlossene Gesellschaft"? "Die Hölle", schrieb er, "sind immer die anderen."
Erster Verhandlungstag
Zschäpes Anwalt Wolfgang Stahl fragt, warum die Verteidiger durchsucht werden, nicht aber die Staatsanwälte, die Richter, die Polizisten. Wenn schon, dann sollten bitte alle durchsucht werden. Sonst sei das "diskriminierend" gegenüber den Verteidigern, sagt Stahl. Das Gericht argumentiert, den Verteidigern könnte wegen ihres "besonderen Näheverhältnisses" unerlaubte Dinge zugesteckt werden.
Stahl: "Das Gericht hält die Verteidiger offenbar für zu dumm, als dass sie erkennen könnten, wenn ihnen jemand unerlaubte Dinge zusteckt."
Die Richter sitzen stoisch da.
Zweiter Verhandlungstag
Zschäpes Verteidiger Wolfgang Heer hat ums Wort gebeten.
Richter Götzl: "Mir ist noch nicht klar, um was es gehen soll, Herr Rechtsanwalt."
Heer: "Ich beabsichtige nicht, immer um das Wort zu bitten."
Götzl: "Doch, das werden Sie aber müssen."
Heer: "Da haben wir einen Dissens."
Götzl: "Aber ich habe die Sitzungsgewalt."
Anwalt Thomas Bliwier meldet sich, er vertritt eine Opferfamilie. Er mahnt Götzl: "Wenn Sie dem Kollegen das Wort erteilen, würde ich das ausdrücklich beanstanden und es begründen." Götzl erteilt Bliwier das Wort. Das beanstandet nun Heer. Bliwier sagt, der Prozess müsse beschleunigt werden: "Das Gericht möge anordnen, dass die Vertreter des Generalbundesanwalts nun die Anklage verlesen mögen."
Götzl erteilt dann doch noch Zschäpes Anwalt Heer das Wort. Der beantragt, die Verhandlung auszusetzen und in einem größeren Saal neu zu beginnen. Die Gründe: die Sicht von der Zuschauerempore sei unzureichend, dafür seien die Unterlagen der Verteidiger von der Richterbank aus voll einsehbar - so eng ist es hier.
Götzl: "Die beiden Richterinnen, die Ihnen am nächsten sitzen, haben erklärt, sie könnten nichts erkennen. Aber Sie können gerne in die zweite Reihe rücken."
Heer: "Natürlich setze ich mich nicht an den Katzentisch da hinten. Ich möchte direkt neben meiner Mandantin sitzen."
Götzl: "Das Wort Katzentisch verbitte ich mir."
Heer: "Warum unterbrechen Sie mich?"
Götzl: "Sie unterbrechen mich."
Heer: "Sie sind unhöflich. Ich lasse mich nicht unterbrechen, wenn ich das Wort habe."
Richter Götzl weist die Anträge der Verteidiger zurück. Es bleibt beim engen Sitzungssaal. Anwalt Heer meldet sich.
Götzl: "Worum geht es, Herr Rechtsanwalt Heer."
Heer: "Das sage ich Ihnen, wenn Sie mir das Wort erteilen."
Götzl: "Dann erteile ich Ihnen das Wort nicht."
Heer: "Es ist eine Gegenvorstellung."
Götzl: "Zu unserem Beschluss?"
Heer: "So ist es, Herr Vorsitzender."
Heer erhält das Wort. Er beantragt eine dienstliche Erklärung des Vorsitzenden, wo die Zeugen sitzen werden. Götzl deutet auf den einzigen freien Fleck im Saal.
Dritter Verhandlungstag
"Ladies first", sagt Götzl und erteilt der Anwältin des Angeklagten Ralf Wohlleben das Wort. Zschäpes Verteidiger Wolfgang Stahl unterbricht, er fragt den Richter: "An was können wir uns halten bei Ihnen? Wer zuerst kommt, mahlt zuerst? Oder sollen wir reinschreien, um gehört zu werden?"
Götzl: "Jetzt machen wir halt mal mit Frau Schneiders weiter."
Kurz darauf erteilt der Richter der Nebenklage-Vertreterin Edith Lunnebach das Wort. Verteidiger Heer protestiert. Er hatte sich schon früher gemeldet. Lunnebach sagt, sie sei dran. Heer sagt, er sei dran. Im Gerichtssaal wird gelacht.
Heer: "Es geht nicht an, dass ich etwas sage und es wird gelacht." Er beantragt beim Richter: "Halten Sie bitte alle zur Sachlichkeit an." Es wird trotzdem noch mal gelacht. Heers Kollege Stahl springt auf, im Stehen beantragt er eine Unterbrechung. Nicht sofort kehrt Ruhe ein. Da zieht er die Robe aus und verlässt den Saal. Kurz darauf setzt er sich wieder hin. Nebenklägerin Lunnebach sagt: "Vielleicht ist die Unruhe der Nervosität der Verteidigung geschuldet."
Götzl: "Frau Lunnebach, Sie sind jetzt auch ruhig. Wenn man guten Willens ist, lässt sich das ganz einfach regeln."
Heer: "Es ist gerade erneut gelacht worden. Das ist unwürdig für diese Verhandlung. Ermahnen Sie die Prozessbeteiligten zur Sachlichkeit. "
Götzl: "Die Mahnung zur Sachlichkeit ist bereits erfolgt."
Lunnebach: "Ich würde gerne zu den Inhalten des Verfahrens zurückkehren."
Heer: "Ich habe das Wort. Ich beanstande die Worterteilung an Frau Lunnebach."
Bundesanwalt Herbert Diemer: "Ich halte das Verhalten von Rechtsanwalt Heer für ungehörig. Um was geht es Ihnen denn eigentlich?"
Heer: "Es geht um die Reihenfolge der Wortmeldungen. Man sollte sich auf die Gepflogenheiten einigen."
"Geduld", sagt Götzl. "Haben Sie doch Geduld."
Stahl sagt etwas, das auf der Besuchertribüne nicht zu verstehen ist.
Götzl: "Warum sind Sie so unhöflich zu mir, Herr Stahl. Was soll die Spitze schon wieder?"
Verteidigerin Sturm beantragt eine Unterbrechung.
Götzl: "Warum wollen Sie eine Unterbrechung? Geht es um einen Befangenheitsantrag?"
Sturms Kollege Stahl antwortet: "Genau das müssen wir jetzt beraten."
Götzl: "Ihnen habe ich das Wort nicht erteilt, Herr Stahl. Frau Sturm ist in der Lage, Fragen zu beantworten."
Sturm sagt zu Götzl: "Die Anwältin Sturm kann das kollegial klären, sie bedarf zum Glück noch nicht Ihres Schutzes."
Vierter Verhandlungstag
Zschäpes Verteidigung ist an diesem Tag sehr ruhig. Dafür ruft eine Nebenklägerin in den Saal. Sie beschwert sich, warum das Mikrofon der Bundesanwälte sofort anspricht, ihres aber nicht. Haben die eine Vorrangschaltung?
Götzl: "Dann mach" ich jetzt 20 Minuten Pause, ruf" den Techniker an und klär" das." Der Richter rauscht hinaus.
Götzl bescheidet noch Anträge. Videoaufzeichnung der Zeugenaussagen - abgelehnt. Audioaufzeichnung - abgelehnt. Mitstenografieren - abgelehnt. Die Durchsuchung der Verteidiger - es bleibt dabei. Die Reihenfolge der Wortmeldungen - behält sich der Richter vor. Irgendwann sagt Götzl: "Wir haben überlegt, heute zum Ende zu kommen." Gequältes Gelächter. Sie haben gerade den Anfang überstanden.