Deutschland hat beim Eurovision Song Contest nicht gut abgeschnitten. Das kann vorkommen. Doch warum gelingt es der ARD ohne Stefan Raab nicht, ihr Publikum für den Wettbewerb zu begeistern?
So sieht also Deutschland aus. Das Land ist blond und kann gut brüllen. Leider ist das blonde Streberdeutschland im knapp geschnürten Goldfummel nicht so sehr beliebt bei den anderen in der Europa-Klasse. Das mag dem Neid auf propre Wesen geschuldet sein oder der Tatsache, dass es mit der Eleganz beim Treppe steigen noch hapert.
Man kann auf solche Gedanken kommen, wenn man hört, wie ARD-Unterhaltungskoordinator Thomas Schreiber kurz nach dem Finale um ein Uhr nachts das miserable Abschneiden des deutschen Beitrags beim Eurovision Song Contest (ESC) erklärte. Da habe nicht nur Cascada auf der Bühne gestanden, sondern auch Deutschland, wird er von der dpa zitiert. Es gebe da eine politische Lage. Nein, er wolle natürlich keineswegs Angela Merkel die Schuld an den mauen 18 Punkten, die nur für einen 21. Platz in einem Feld von 26. Finalteilnehmern reichten, zuschustern. Es sei halt eine schwierige Situation. Euro-Krise und so. Sie wissen schon.
Es ist schon bezeichnend, wie hier ein öffentlich-rechtlicher Hierarch versucht, eine Situation zu beschönigen, die nicht zu beschönigen ist. Hätte Schreiber geseufzt und gesagt, man stecke halt nicht drin, die internationale Wertung beim ESC sei bei 39 abstimmberechtigten Ländern nun mal keine Sache, die sich berechnen lasse - alles wäre in Ordnung gewesen. Es hätte Verständnis gegeben, weil halt die Menschen im Süden mit einer anderen musikalischen Mentalität ausgestattet sind als jene im Osten und als jene in Skandinavien sowieso. Und weil sich das von Jahr zu Jahr dreht. Schreiber hätte sich einfach nur freuen müssen, dass es gelungen ist, 39 Länder auf eine Bühne zu bringen. Wo sonst gibt es so viel gelebtes Europa in den Medien?
Barfüßige Siegerin:Emilie De Forest
Statt ein bisschen Demut sucht Schreiber aber sein Heil im unziemlichen Vergleich. Und im Grunde ist sein Verhalten, selbst wenn er inzwischen seine Formulierung als 'anscheinend missverständlich' bezeichnet irgendwie auch typisch für den Mangel an Selbstkritik im öffentlich-rechtlichen System. Schuld sind immer die Strukturen oder die anderen. Diagnose: Morbus ARD.
Möglicherweise ist so ein Verhalten geschuldet der langen Zeit an der Spitze der deutschen Delegation. Eine Woche lang war die in Malmö unterwegs, hat auf Partys für sich geworben, hat mehrheitlich als Journalisten getarnte ESC-Fans mit Pseudoneuigkeiten versorgt und so einen Kokon gesponnen, aus dem ein Goldfalter namens Cascada zum Sieg flattern sollte.
Dass das nicht geklappt hat, wäre, verbunden mit einem Glückwunsch an die dänische Siegerin Emmelie de Forest, leicht hinzunehmen. Wirklich bemerkenswert ist eigentlich vor allem, wie wenig Cascada und der ESC das deutsche Publikum im Grunde interessiert hat. Der ARD, die den deutschen Teil des ESC in diesem Jahr nun ohne Pro Sieben und Stefan Raab ausrichten musste, ist es nicht gelungen, Stimmung in der Heimat zu erzeugen. So dürfte die Mehrzahl der Deutschen erst im Nachhinein zur Kenntnis genommen haben, dass wieder mal ESC war, und dass man in Cascada-Land lebt. Und selbst jene, die wussten, dass da was kommt, zeigten nur schwache Zeichen von Euphorie.
In Wahrheit geht es beim ESC ja ohnehin nicht um einen Sieg im Finale, es geht darum, dem heimischen Publikum einen Kandidaten schmackhaft zu machen, einen, für den man sich im ungünstigsten Fall nicht schämen muss, mit dem man im besten Fall fiebert. Gelungen ist das nicht. Wie auch? In der ARD ist der NDR zuständig für den ESC. Das ist jene Anstalt, wo Verantwortliche sitzen, die Kai Pflaume, Jörg Pilawa und Florian Silbereisen als große Unterhalter verkaufen. Das mit dem ESC wuppt man quasi nebenbei. Schließlich war es doch der NDR, der 2010 gegen viele Widerstände in der ARD die Zusammenarbeit mit Stefan Raab und ProSieben durchsetzte und mit einem deutschen Sieg belohnt wurde. Danach besorgte man einen Lufthansa-Jet und ließ Lena Meyer-Landrut in ihrer Heimatstadt Hannover einfliegen und von Christian Wulff begrüßen.
An den Namen Wulff und Lena und ihrer heutigen Bedeutung lässt sich gut ablesen, wie lang der letzte große Erfolg her ist. Eine Zeit lang hat man es geschafft, sich eine gehörige Scheibe vom Ruhm abzuschneiden, der entstand in jenen Jahren, in denen Stefan Raab schlau die Vorauswahl für den ESC arrangierte und tatsächlich genau jene nationale Aufmerksamkeit erzeugte, die der Wettbewerb braucht.
Inzwischen ist Raab abgetreten, und es gibt keinen Wettbewerb mehr für Talente, es gibt eine Vorauswahl, die der NDR mit Plattenfirmen auskungelt und dann dem Publikum zur Abstimmung vorwirft. Das wirkt demokratisch, ist es aber nicht, weil vieles an der Präsentation hängt. Man sah das sehr fein bei der deutschen Vorauswahl. Da lagen bei den jungen Radiosendern der ARD die bayerischen Graswurzelrocker von La Brass Banda vorn, doch am Ende stand auf der Bühne das, was Schreiber jetzt als Deutschland verkauft.
Nicht dass La Brass Banda eine bessere Platzierung geholt hätten. Möglicherweise wären sie noch weiter hinten gelandet. Aber vielleicht wäre es dem Publikum nicht so furchtbar wurscht gewesen.
So sieht also Deutschland aus. Das Land ist blond und kann gut brüllen. Leider ist das blonde Streberdeutschland im knapp geschnürten Goldfummel nicht so sehr beliebt bei den anderen in der Europa-Klasse. Das mag dem Neid auf propre Wesen geschuldet sein oder der Tatsache, dass es mit der Eleganz beim Treppe steigen noch hapert.
Man kann auf solche Gedanken kommen, wenn man hört, wie ARD-Unterhaltungskoordinator Thomas Schreiber kurz nach dem Finale um ein Uhr nachts das miserable Abschneiden des deutschen Beitrags beim Eurovision Song Contest (ESC) erklärte. Da habe nicht nur Cascada auf der Bühne gestanden, sondern auch Deutschland, wird er von der dpa zitiert. Es gebe da eine politische Lage. Nein, er wolle natürlich keineswegs Angela Merkel die Schuld an den mauen 18 Punkten, die nur für einen 21. Platz in einem Feld von 26. Finalteilnehmern reichten, zuschustern. Es sei halt eine schwierige Situation. Euro-Krise und so. Sie wissen schon.
Es ist schon bezeichnend, wie hier ein öffentlich-rechtlicher Hierarch versucht, eine Situation zu beschönigen, die nicht zu beschönigen ist. Hätte Schreiber geseufzt und gesagt, man stecke halt nicht drin, die internationale Wertung beim ESC sei bei 39 abstimmberechtigten Ländern nun mal keine Sache, die sich berechnen lasse - alles wäre in Ordnung gewesen. Es hätte Verständnis gegeben, weil halt die Menschen im Süden mit einer anderen musikalischen Mentalität ausgestattet sind als jene im Osten und als jene in Skandinavien sowieso. Und weil sich das von Jahr zu Jahr dreht. Schreiber hätte sich einfach nur freuen müssen, dass es gelungen ist, 39 Länder auf eine Bühne zu bringen. Wo sonst gibt es so viel gelebtes Europa in den Medien?
Barfüßige Siegerin:Emilie De Forest
Statt ein bisschen Demut sucht Schreiber aber sein Heil im unziemlichen Vergleich. Und im Grunde ist sein Verhalten, selbst wenn er inzwischen seine Formulierung als 'anscheinend missverständlich' bezeichnet irgendwie auch typisch für den Mangel an Selbstkritik im öffentlich-rechtlichen System. Schuld sind immer die Strukturen oder die anderen. Diagnose: Morbus ARD.
Möglicherweise ist so ein Verhalten geschuldet der langen Zeit an der Spitze der deutschen Delegation. Eine Woche lang war die in Malmö unterwegs, hat auf Partys für sich geworben, hat mehrheitlich als Journalisten getarnte ESC-Fans mit Pseudoneuigkeiten versorgt und so einen Kokon gesponnen, aus dem ein Goldfalter namens Cascada zum Sieg flattern sollte.
Dass das nicht geklappt hat, wäre, verbunden mit einem Glückwunsch an die dänische Siegerin Emmelie de Forest, leicht hinzunehmen. Wirklich bemerkenswert ist eigentlich vor allem, wie wenig Cascada und der ESC das deutsche Publikum im Grunde interessiert hat. Der ARD, die den deutschen Teil des ESC in diesem Jahr nun ohne Pro Sieben und Stefan Raab ausrichten musste, ist es nicht gelungen, Stimmung in der Heimat zu erzeugen. So dürfte die Mehrzahl der Deutschen erst im Nachhinein zur Kenntnis genommen haben, dass wieder mal ESC war, und dass man in Cascada-Land lebt. Und selbst jene, die wussten, dass da was kommt, zeigten nur schwache Zeichen von Euphorie.
In Wahrheit geht es beim ESC ja ohnehin nicht um einen Sieg im Finale, es geht darum, dem heimischen Publikum einen Kandidaten schmackhaft zu machen, einen, für den man sich im ungünstigsten Fall nicht schämen muss, mit dem man im besten Fall fiebert. Gelungen ist das nicht. Wie auch? In der ARD ist der NDR zuständig für den ESC. Das ist jene Anstalt, wo Verantwortliche sitzen, die Kai Pflaume, Jörg Pilawa und Florian Silbereisen als große Unterhalter verkaufen. Das mit dem ESC wuppt man quasi nebenbei. Schließlich war es doch der NDR, der 2010 gegen viele Widerstände in der ARD die Zusammenarbeit mit Stefan Raab und ProSieben durchsetzte und mit einem deutschen Sieg belohnt wurde. Danach besorgte man einen Lufthansa-Jet und ließ Lena Meyer-Landrut in ihrer Heimatstadt Hannover einfliegen und von Christian Wulff begrüßen.
An den Namen Wulff und Lena und ihrer heutigen Bedeutung lässt sich gut ablesen, wie lang der letzte große Erfolg her ist. Eine Zeit lang hat man es geschafft, sich eine gehörige Scheibe vom Ruhm abzuschneiden, der entstand in jenen Jahren, in denen Stefan Raab schlau die Vorauswahl für den ESC arrangierte und tatsächlich genau jene nationale Aufmerksamkeit erzeugte, die der Wettbewerb braucht.
Inzwischen ist Raab abgetreten, und es gibt keinen Wettbewerb mehr für Talente, es gibt eine Vorauswahl, die der NDR mit Plattenfirmen auskungelt und dann dem Publikum zur Abstimmung vorwirft. Das wirkt demokratisch, ist es aber nicht, weil vieles an der Präsentation hängt. Man sah das sehr fein bei der deutschen Vorauswahl. Da lagen bei den jungen Radiosendern der ARD die bayerischen Graswurzelrocker von La Brass Banda vorn, doch am Ende stand auf der Bühne das, was Schreiber jetzt als Deutschland verkauft.
Nicht dass La Brass Banda eine bessere Platzierung geholt hätten. Möglicherweise wären sie noch weiter hinten gelandet. Aber vielleicht wäre es dem Publikum nicht so furchtbar wurscht gewesen.