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Die Vision vom Jungbrunnen

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Neue Entdeckungen schließen die Gräben zwischen der Forschung mit embryonalen und der mit adulten Stammzellen - am Ende könnten die Patienten profitieren.


Aus der aufgeregten öffentlichen Diskussion waren Stammzellen weitestgehend verschwunden, bis in der vergangenen Woche Wissenschaftler aus den USA mit ihren Klonversuchen erneut harsche Kritik hervorriefen. Erinnerungen wurden wach an den Graben zwischen Befürwortern der Forschung mit embryonalen Stammzellen und ihren Gegnern. Die Auseinandersetzung wurde stets mit harten Bandagen geführt. Von "Stammzellenkriegen" hatten die Zeitungen geschrieben, erinnerte der Stammzellenforscher Hans Schöler vom Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin in Münster während eines Gesundheitsforums zum Thema Stammzellen in München, das gemeinsam von der Katholischen Akademie Bayern, dem Institut Français, der Universität München, der TU München, dem Bayrisch-Französischen Hochschulzentrum und der Süddeutschen Zeitung ausgerichtet wurde. "Die embryonalen Stammzellen haben die Fantasie der Naturwissenschaftler angeregt, aber auch die Fantasie der Bevölkerung", sagte Schöler.



immer wieder experimentieren Forscher mit embryonalen Zellen und immer wieder ruft das Menschen zu Protesten auf (Foto von 2004).

Schließlich können aus embryonalen Stammzellen alle möglichen Gewebe des Körpers gezüchtet werden: Muskel-, Nerven- oder Leberzellen zum Beispiel; die Gewebe könnten also womöglich als Ersatz bei so schweren Krankheiten wie Parkinson, Multipler Sklerose, Herzinfarkt, Diabetes und vielen anderen zur Verfügung stehen. Gleichwohl gab es in den ersten Jahren der Forschung nur einen Weg, solche vielseitigen Stammzellen zu gewinnen: Man musste sie aus menschlichen Embryonen ableiten. Denn die adulten Stammzellen aus dem Körper von Erwachsenen sind längst nicht so vielseitig wie ihre embryonalen Vettern.

In den Augen vieler Menschen verstößt die Gewinnung von Stammzellen aus Embryonen allerdings gegen ethische Grundsätze, weil sie auch wenige Tage alten und kugelförmigen Embryonen eine Menschenwürde zusprechen. Andere halten eine solche Stammzellengewinnung für vertretbar - vor allem mit Blick auf die Möglichkeiten in Forschung und Therapie. "Von solchen Forschungen könnte eine große Zahl von Patienten profitieren", sagte Hans Schöler während des Gesundheitsforums. Allerdings sei es wahrscheinlich nicht nötig, zur Gewinnung solcher Zellen immer wieder Embryonen zu verbrauchen oder durch Klonen herzustellen, wie es jetzt die Wissenschaftler aus Oregon getan haben. Schon im Juli 2007 hatte Schöler in einem Zeitungsbeitrag betont: "Entspannt Euch, wir brauchen keine Embryofabriken!" Denn es gibt längst einen alternativen Weg zur Gewinnung von Zellen, die ein ebenso großes Potenzial wie die embryonalen Stammzellen haben, aber so leicht und moralisch unumstritten gewonnen werden können wie die adulten Stammzellen.

Im Jahr 2006 hatte ein Team um den Japaner Shinya Yamanaka diesen Ersatzweg gefunden. "Durch einen Cocktail von vier Biomolekülen gelang es ihnen, Hautzellen in Alleskönnerzellen umzuwandeln - in Zellen, die sehr große Ähnlichkeit mit embryonalen Stammzellen besitzen", erzählte Schöler. Für diese künstlich hergestellten embryonalen Stammzellen, die im Fachjargon "induzierte pluripotente Stammzellen" heißen (kurz: iPS-Zellen), bekam Yamanaka 2012 den Medizin-Nobelpreis. Eine adulte Zelle in eine jugendliche Zelle zurückverwandeln - das habe "schon ein bisschen was von der Vision vom Jungbrunnen", so Schöler. "Diese Zellen haben ein ungeheures Potenzial."

Somit sei die Diskussion um die embryonalen Stammzellen nun weitestgehend befriedet, meinte er. Er plädierte dafür, embryonale Stammzellen mit Bedacht einzusetzen - etwa, um iPS-Zellen mit ihnen zu vergleichen, keineswegs etwa, um Kosmetiktests durchzuführen. Erheblich weiter ging der Moraltheologe Eberhard Schockenhoff von der Universität Freiburg: Er forderte Forscher auf, gar nicht mit embryonalen Stammzellen zu arbeiten. "Jeder Forscher hat die Wahl." Ethik und Erfolg stünden einander nicht unvereinbar gegenüber, wie auch Versuche mit den adulten Stammzellen zeigten.

Von solchen ersten Erfolgen konnten Patricia Lemarchand und Christian Jorgensen berichten. So widmet sich Jorgensen am Universitätshospital Montpellier den Möglichkeiten zur Behandlung von Arthrose. Er arbeitet mit einem speziellen Stammzellentyp, den "mesenchymalen Stammzellen", wie sie im Knochenmark, aber auch im Fettgewebe und in Muskelzellen von Erwachsenen zu finden sind. "Aus diesen Zellen kann man Fett-, Knochen- und Gelenkgewebe machen", so Jorgensen, "also alles, was für die Regenerierung des Knochengerüsts nötig ist." Schwierig sei noch, dass die Zellen von Erwachsenen so unterschiedlich seien. "Noch gelingt es uns nicht zu sagen: Diese Zelle wird nur Gelenkgewebe herstellen, aber kein Fettgewebe", so Jorgensen.

Besonders günstig an den mesenchymalen Stammzellen sei, dass sie regulierend auf das Immunsystem einwirken. Inzwischen gebe es daher mehr als 200 registrierte Studien mit mesenchymalen Stammzellen bei Erwachsenen zu Autoimmunkrankheiten - etwa Multipler Sklerose, Arthritis und Morbus Crohn. Noch seien das erste Studien, die nur die Sicherheit des Verfahrens testeten. "Wir haben noch nicht den Nachweis, dass das Ganze auch wirkt", so Jorgensen. "Es liegt noch viel Arbeit vor uns."

Mit Stammzellen aus dem Knochenmark zur Behandlung des Herzinfarkts befasst sich Patricia Lemarchand an der Universität Nantes. "Beim Herzinfarkt gehen Herzmuskelzellen zugrunde", sagte Lemarchand. Anfänglich hätten Stammzellforscher versucht, diese zugrunde gegangenen Zellen durch Stammzellen zu ersetzen. "Inzwischen weiß man, dass die injizierten Zellen nicht direkt Herzmuskelgewebe bilden", so Lemarchand. "Aber die Zellen haben Einfluss auf das Herz, indem sie biologische Faktoren herstellen. So regenerieren sie die Herzzellen."

In einer Studie hat Lemarchand Patienten schon sieben bis zehn Tage nach ihrem Infarkt behandelt. Drei Monate später hatten 37Prozent der Patienten wieder eine relativ starke Herzkraft erreicht, in der Kontrollgruppe ohne Zelltherapie waren es nur 16Prozent. Der Wert der Therapie stehe bisher aber alles andere als fest, so Lemarchand. Angeboten werde eine solche Zellbehandlung derzeit ohnehin nur im Rahmen klinischer Studien. Bald werde eine große europäische Studie mit 3000 Patienten beginnen, die den Nutzen adulter Stammzellen für Herzinfarktpatienten ermitteln soll.

Auch wenn die adulten Stammzellen noch nicht die Forschungsebene verlassen haben, so sind sie doch erheblich weiter zum Patienten vorgedrungen als die embryonalen Stammzellen. War die ganze Aufregung um diese Alleskönner also ein Hype? Während adulte Stammzellen schon seit Jahrzehnten etwa bei Leukämie eingesetzt werden, seien embryonale Stammzellen des Menschen erst vor 15 Jahren überhaupt entdeckt worden, betonte Hans Schöler. iPS-Zellen existierten sogar erst seit sieben Jahren. "Trotzdem wird es in Japan nun schon bald erste Studien mit iPS-Zellen am Auge geben." Es werde viel in dem Feld gearbeitet.

Welcher Weg der bessere sei, stehe noch längst nicht fest, so Schöler. Manche Forscher hätten den adulten Stammzellen jüngst sogar den Rücken gekehrt, weil sie damit nicht weiterkämen - etwa Kenneth Chien von der Harvard-Universität, der jetzt am Karolinska-Institut in Stockholm auch mit embryonalen Stammzellen gegen den Herzinfarkt arbeiten will. "Wir werden sehen, wer am Ende erfolgreicher sein wird", so Schöler. "Jetzt ist alles nur Spekulation."

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