Deutschlands Wirtschaft ist stark, dank ihres Vorsprungs durch Technik. Doch ihr fehlt es an Kreativität.
Ohne Fleiß kein Preis, sagt ein deutsches Sprichwort. In anderen Sprachen gibt es keine echten Äquivalente für diese Weisheit; die noch einigermaßen nahe liegenden Redewendungen im Englischen und Französischen ersetzen den Fleiß durch die Mühe oder das Risiko. Fleiß ist eine spezifisch deutsche Tugend. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass die Deutschen auch von ihren Nachbarn als notorisch tüchtig beurteilt werden.
Der beflissene Teutone ist in der Vergangenheit oft Gegenstand interkulturellen Spotts gewesen; deutsche Wertarbeit wird aber auf den globalen Märkten hoch geschätzt. Der Lohn für deutschen Fleiß ist ein Spitzenplatz unter den Exportländern. Vor allem die Autohersteller und die industrielle Spitzentechnologie haben den Deutschen den Ruf gesichert, die Ingenieure Europas zu sein. Und so sieht man das auch hierzulande. Der Audi-Slogan 'Vorsprung durch Technik' steht für die gesamte deutsche Wirtschaft: ingenieurtechnischer Fleiß und Ideenreichtum garantieren eine Spitzenstellung auf den Weltmärkten.
Es gibt trotzdem Grund zur Skepsis. Qualitätsware aus Deutschland ist teuer, und die europäische Krise bremst die Nachfrage; zwei Drittel deutscher Exportprodukte wurden bislang im EU-Raum gekauft. Die Nachfrage geht aber auch in den Schwellenländern zurück, jenen Märkten, dank deren Interesse an Spitzentechnologie der Export aus Deutschland in den vergangenen Jahren angekurbelt werden konnte. Und selbst wenn zum Beispiel der Bedarf an teuren Autos aus Zuffenhausen, München oder Ingolstadt noch eine Weile anhalten wird, lässt sich die Frage stellen, ob der Fokus auf das Auto oder allgemein auf die Maschine zukunftsorientiert ist.
Wie lange lässt sich also der deutsche Vorsprung durch Technik behaupten? Angesichts der Stellung, die Deutschland bisher in der Wirtschaftskrise gehalten hat, scheint diese Frage fast schon blasphemisch. Aber niemand kann heute Spitzenstellungen für gesichert reklamieren, und, das weiß man auch in Deutschland, genügt Fleiß allein nicht. Immer wichtiger wird dagegen die kulturelle Fähigkeit, einmal erworbene Standards zu verbessern: Die Innovation ist das Zauberwort der globalen Wirtschaftsrhetorik geworden.
Auch die Deutschen beherrschen diese Rhetorik mit großer Eloquenz. Dank einer Initiative der Bundesregierung inszeniert sich seit einiger Zeit Deutschland als 'Land der Ideen'. Auf der Webseite dieser Kampagne werden mehr als 2500 Projekte vorgestellt, die nach Meinung der Veranstalter einen wichtigen Beitrag zum Fortschritt der Gesellschaft in Wirtschaft, Kultur oder Stadtentwicklung liefern.
Bei so viel Verbesserungseifer stellt sich die Frage, warum Deutschland auf der Liste der Länder mit dem höchsten Innovationsgrad, die von der UN-Organisation für geistiges Eigentum (WIPO) herausgegeben wird, 2012 nur den 15. Platz einnimmt - knapp vor Malta und Estland, deutlich hinter den führenden Ländern Schweiz, Schweden und Singapur. Die Bilderwelt, mit der die Webseite des Bundeswirtschaftsministeriums die Leistungsfähigkeit des deutschen Standorts illustriert, zeigt mit wenigen Ausnahmen Industrieanlagen und Männer mit Schutzhelmen. Für Innovation oder gar Kreativität hat das Wirtschaftsministerium keine eigenständige Themenseite vorgesehen. Deutschland sei das 'Land der Erfinderinnen und Erfinder', heißt es auf den Seiten des Ministeriums. Im englischsprachigen Wikipedia-Archiv aber rangiert unter den weltweit produktivsten Erfindern der erste Deutsche auf Platz 27. Es besteht also eine auffällige Diskrepanz zwischen dem Selbstbild von den fleißigen Deutschen - und dem Bild, das andere von der Kraft dieser Ideen haben.
Wie machen es andere, wie macht es zum Beispiel Großbritannien, immerhin Nummer 5 unter den Innovationsführern? Die staatliche Agentur 'UK Trade and Investment' wirbt im Auftrag von Regierung und Wirtschaft im Inland wie im Ausland für den britischen Standort. Was immer man von Wirtschaftslobbyismus halten mag, die Werbestrategie von Lobbyisten erzählt viel über nationales Selbstverständnis. Die UK Trade and Investment haben vor einiger Zeit mit einer 'Great'-Kampagne begonnen, die Standortvorteile Großbritanniens gegenüber anderen Ländern herausstellen soll. 'Creativity is Great (Britain)', heißt es da, mit dem Hinweis auf die britische Marktführerschaft in Architektur und Design. Oder: 'Innovation is Great', denn das Land beherberge 56 Laureaten von Wissenschaftsnobelpreisen. Man muss solche Stilistik nicht in jedem Detail mögen - aber die Wirksamkeit dieses Auftritts verhält sich zu der des BMWi-Portals etwa so wie die Popularität von Mick Jagger zu der von Udo Jürgens.
Und dahinter steckt mehr als der Mangel an Marketinggeschick - dahinter steht eine ökonomische Realität. Die Rolle der Kreativwirtschaft ist in Großbritannien ungefähr ein Jahrzehnt früher erkannt worden als in Deutschland. Die Stadt London hat seit 2003 ungefähr sechs mal mehr Projekte direkter Auslandsinvestitionen in diesem Bereich angezogen als die Kreativmetropole Berlin. Zu vielen Leistungen der vergangenen Jahrzehnte, die die globale Gesellschaft und damit auch die Lebensstandards in Deutschland verändert haben, von der Entschlüsselung des Genoms bis zur Entwicklung des Internets oder Wikipedia, haben Deutsche wenig beigetragen.
Der Vorsprung, den die deutsche Wirtschaft und damit das Land insgesamt noch haben, wird auf lange Sicht nicht zu halten sein, wenn die Technik, auf der er beruht, vor allem aus industriellem Ingenieurwesen hervorgeht. Erfolgreiche Innovationen der letzten Jahre wie Apple, Google oder Facebook machen deutlich, dass sich der Begriff der Technik insgesamt dramatisch verändert hat. Der Übergang von der Industrie- zur Informationsgesellschaft wird offensichtlich. Ein Wertesystem entsteht, das der Instabilität und Flexibilität der Weltgesellschaft standzuhalten versucht und Unternehmertum anlockt, das Risiko höher schätzt als Fleiß.
Auch wenn man den Trend hierzulande bedenklich finden sollte, hülfe allein eine offensive Haltung. Die Webseite zu 'Deutschland - Land der Ideen' stellt ihre mehr als zweitausend preisgekrönten Ideen-Projekte ausschließlich in deutscher Sprache vor. Wer ihrer nicht mächtig ist, wird also nichts über die vielen Ideen aus Deutschland erfahren. Sollte diese Einsprachigkeit Strategie sein, könnte es dafür zwei Gründe geben: Die Veranstalter der Kampagne halten internationales Interesse für irrelevant - oder sie bezweifeln die Durchsetzungsfähigkeit ihrer Ideen auf dem turbulenten globalen Markt.
Ohne Fleiß kein Preis, sagt ein deutsches Sprichwort. In anderen Sprachen gibt es keine echten Äquivalente für diese Weisheit; die noch einigermaßen nahe liegenden Redewendungen im Englischen und Französischen ersetzen den Fleiß durch die Mühe oder das Risiko. Fleiß ist eine spezifisch deutsche Tugend. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass die Deutschen auch von ihren Nachbarn als notorisch tüchtig beurteilt werden.
Der beflissene Teutone ist in der Vergangenheit oft Gegenstand interkulturellen Spotts gewesen; deutsche Wertarbeit wird aber auf den globalen Märkten hoch geschätzt. Der Lohn für deutschen Fleiß ist ein Spitzenplatz unter den Exportländern. Vor allem die Autohersteller und die industrielle Spitzentechnologie haben den Deutschen den Ruf gesichert, die Ingenieure Europas zu sein. Und so sieht man das auch hierzulande. Der Audi-Slogan 'Vorsprung durch Technik' steht für die gesamte deutsche Wirtschaft: ingenieurtechnischer Fleiß und Ideenreichtum garantieren eine Spitzenstellung auf den Weltmärkten.
Es gibt trotzdem Grund zur Skepsis. Qualitätsware aus Deutschland ist teuer, und die europäische Krise bremst die Nachfrage; zwei Drittel deutscher Exportprodukte wurden bislang im EU-Raum gekauft. Die Nachfrage geht aber auch in den Schwellenländern zurück, jenen Märkten, dank deren Interesse an Spitzentechnologie der Export aus Deutschland in den vergangenen Jahren angekurbelt werden konnte. Und selbst wenn zum Beispiel der Bedarf an teuren Autos aus Zuffenhausen, München oder Ingolstadt noch eine Weile anhalten wird, lässt sich die Frage stellen, ob der Fokus auf das Auto oder allgemein auf die Maschine zukunftsorientiert ist.
Wie lange lässt sich also der deutsche Vorsprung durch Technik behaupten? Angesichts der Stellung, die Deutschland bisher in der Wirtschaftskrise gehalten hat, scheint diese Frage fast schon blasphemisch. Aber niemand kann heute Spitzenstellungen für gesichert reklamieren, und, das weiß man auch in Deutschland, genügt Fleiß allein nicht. Immer wichtiger wird dagegen die kulturelle Fähigkeit, einmal erworbene Standards zu verbessern: Die Innovation ist das Zauberwort der globalen Wirtschaftsrhetorik geworden.
Auch die Deutschen beherrschen diese Rhetorik mit großer Eloquenz. Dank einer Initiative der Bundesregierung inszeniert sich seit einiger Zeit Deutschland als 'Land der Ideen'. Auf der Webseite dieser Kampagne werden mehr als 2500 Projekte vorgestellt, die nach Meinung der Veranstalter einen wichtigen Beitrag zum Fortschritt der Gesellschaft in Wirtschaft, Kultur oder Stadtentwicklung liefern.
Bei so viel Verbesserungseifer stellt sich die Frage, warum Deutschland auf der Liste der Länder mit dem höchsten Innovationsgrad, die von der UN-Organisation für geistiges Eigentum (WIPO) herausgegeben wird, 2012 nur den 15. Platz einnimmt - knapp vor Malta und Estland, deutlich hinter den führenden Ländern Schweiz, Schweden und Singapur. Die Bilderwelt, mit der die Webseite des Bundeswirtschaftsministeriums die Leistungsfähigkeit des deutschen Standorts illustriert, zeigt mit wenigen Ausnahmen Industrieanlagen und Männer mit Schutzhelmen. Für Innovation oder gar Kreativität hat das Wirtschaftsministerium keine eigenständige Themenseite vorgesehen. Deutschland sei das 'Land der Erfinderinnen und Erfinder', heißt es auf den Seiten des Ministeriums. Im englischsprachigen Wikipedia-Archiv aber rangiert unter den weltweit produktivsten Erfindern der erste Deutsche auf Platz 27. Es besteht also eine auffällige Diskrepanz zwischen dem Selbstbild von den fleißigen Deutschen - und dem Bild, das andere von der Kraft dieser Ideen haben.
Wie machen es andere, wie macht es zum Beispiel Großbritannien, immerhin Nummer 5 unter den Innovationsführern? Die staatliche Agentur 'UK Trade and Investment' wirbt im Auftrag von Regierung und Wirtschaft im Inland wie im Ausland für den britischen Standort. Was immer man von Wirtschaftslobbyismus halten mag, die Werbestrategie von Lobbyisten erzählt viel über nationales Selbstverständnis. Die UK Trade and Investment haben vor einiger Zeit mit einer 'Great'-Kampagne begonnen, die Standortvorteile Großbritanniens gegenüber anderen Ländern herausstellen soll. 'Creativity is Great (Britain)', heißt es da, mit dem Hinweis auf die britische Marktführerschaft in Architektur und Design. Oder: 'Innovation is Great', denn das Land beherberge 56 Laureaten von Wissenschaftsnobelpreisen. Man muss solche Stilistik nicht in jedem Detail mögen - aber die Wirksamkeit dieses Auftritts verhält sich zu der des BMWi-Portals etwa so wie die Popularität von Mick Jagger zu der von Udo Jürgens.
Und dahinter steckt mehr als der Mangel an Marketinggeschick - dahinter steht eine ökonomische Realität. Die Rolle der Kreativwirtschaft ist in Großbritannien ungefähr ein Jahrzehnt früher erkannt worden als in Deutschland. Die Stadt London hat seit 2003 ungefähr sechs mal mehr Projekte direkter Auslandsinvestitionen in diesem Bereich angezogen als die Kreativmetropole Berlin. Zu vielen Leistungen der vergangenen Jahrzehnte, die die globale Gesellschaft und damit auch die Lebensstandards in Deutschland verändert haben, von der Entschlüsselung des Genoms bis zur Entwicklung des Internets oder Wikipedia, haben Deutsche wenig beigetragen.
Der Vorsprung, den die deutsche Wirtschaft und damit das Land insgesamt noch haben, wird auf lange Sicht nicht zu halten sein, wenn die Technik, auf der er beruht, vor allem aus industriellem Ingenieurwesen hervorgeht. Erfolgreiche Innovationen der letzten Jahre wie Apple, Google oder Facebook machen deutlich, dass sich der Begriff der Technik insgesamt dramatisch verändert hat. Der Übergang von der Industrie- zur Informationsgesellschaft wird offensichtlich. Ein Wertesystem entsteht, das der Instabilität und Flexibilität der Weltgesellschaft standzuhalten versucht und Unternehmertum anlockt, das Risiko höher schätzt als Fleiß.
Auch wenn man den Trend hierzulande bedenklich finden sollte, hülfe allein eine offensive Haltung. Die Webseite zu 'Deutschland - Land der Ideen' stellt ihre mehr als zweitausend preisgekrönten Ideen-Projekte ausschließlich in deutscher Sprache vor. Wer ihrer nicht mächtig ist, wird also nichts über die vielen Ideen aus Deutschland erfahren. Sollte diese Einsprachigkeit Strategie sein, könnte es dafür zwei Gründe geben: Die Veranstalter der Kampagne halten internationales Interesse für irrelevant - oder sie bezweifeln die Durchsetzungsfähigkeit ihrer Ideen auf dem turbulenten globalen Markt.