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Kein leises Leben

Nach Rudi Assauers Bekenntnis zu seiner Demenz wurde es ruhig um den Fußballmanager. Nun gerät er wieder in die Öffentlichkeit

Sein 69. Geburtstag vor vier Wochen war einer der besseren Tage in dem schattenhaften Dasein, das Rudi Assauers Leben mittlerweile ist. Der ehemalige Manager von Schalke 04 leidet an Alzheimer, ganz Deutschland weiß davon, seit er sein Schicksal vor 15 Monaten in einer sehr ausführlichen Fernsehdokumentation geschildert hat. Auch ein autobiografisches Buch ist damals erschienen.

An jenem 30. April also kamen Gäste in das Reihenhaus seiner Tochter Bettina Michel in Herten, in dem Assauer seit Sommer vorigen Jahres wohnt. Es gab Kaffee und Kuchen, man saß beisammen, Assauer war recht munter. Abends stand noch ein Schlagerkonzert in der Grugahalle in Essen auf dem Programm, eine gute Wahl zum Feiertag. Als er noch in Schalke arbeitete, war sein Musikgeschmack im ganzen Haus berüchtigt. Im Auto pflegte er bevorzugt - gern auch mit großer Lautstärke - WDR 4 zu hören, den "Bügeleisensender", wie Mitarbeiter spotteten. Ob er Spaß hatte an dem Konzert? Wo er auftaucht, entsteht immer auch Aufsehen.

"Manchmal denkt man: Ach, es ist eigentlich gar nicht so schlimm", sagt sein Freund, der Sportreporter Werner Hansch. "Aber es gibt auch diese anderen Tage, an denen er unbewegt dasitzt und vor sich hin stiert." Auch Hansch hat Assauer an dessen Geburtstag besucht, aber er ist nach einer halben Stunde gegangen, weil diese Besuche manchmal einfach zu bedrückend sind, wie er sagt.


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Grauer und älter, aber noch immer eine öffentliche Figur: Rudi Assauer.

Es gab viel Anteilnahme und eine gewaltige Medienresonanz, als sich Assauer im vorigen Jahr mit dem Geständnis seiner Krankheit in die Öffentlichkeit begab. Er hat an dieser Offenlegung noch mitwirken können, inzwischen aber hat sich die Dunkelheit über sein Bewusstsein gesenkt, als Mensch ist er jetzt eine stille Existenz. Freunde schauen ab und an vorbei, Männer aus dem Fußball wie der langjährige Schalke-Trainer Huub Stevens oder sein ehemaliger Mitspieler Klaus Fichtel oder der Leverkusener Managerkollege Reiner Calmund, mit dem er sich in alten Zeiten gern mal gezofft hatte. Die Besuche bedeuten ihm viel, so heißt es, weil sie doch noch ein paar Erinnerungen wachrufen. Er geht jeden Tag spazieren, und auch in Schalke ist er öfter anzutreffen, wenn er bei den Heimspielen im Stadion sitzt. Aus der Ferne könnte man dann meinen, er wäre ganz der Alte: Zigarre, akkurat gebügeltes Hemd, glänzende Schuhe, Jackett und Mantel, geschniegelt wie eh und je. Das war ihm immer wichtig, jetzt sorgt seine Tochter dafür, dass es so bleibt. Er ist grauer und älter geworden, aber er hat auch wieder an Statur gewonnen, nachdem er auch schon mal so schlecht ausgesehen hatte, dass Bekannte mit dem Schlimmsten rechneten.

Leider bleibt es nicht bei diesem leisen, aber nicht ganz trostlosen Leben. Unfreiwillig ist Rudi Assauer eine öffentliche Figur geblieben, zuletzt spielte er wieder eine Rolle in den bunten Medien. Es ging um den Streit, den Assauers Tochter mit seiner ehemaligen Ehefrau Britta austrägt. Kameras, Reporter und Fotografen waren zur Stelle, als Bettina Michel vor zwei Wochen zur Schlüsselübergabe von Assauers Villa in Gelsenkirchen-Erle erschien, die Ex-Gattin hatte das Haus gemäß eines gerichtlichen Vergleichs verlassen müssen. Die Räume waren leer, nur ein Sofa stand noch verlassen auf dem Parkettboden. Inventar, Erinnerungsstücke, Pokale, Souvenirs aus der Fußballzeit, alles war weg. "Keine Tasse, keinen Löffel, kein Glas hat sie ihm gelassen", sagte Assauers Tochter Bettina Michel einem TV-Team. Der Anwalt, der die vormalige Bewohnerin bei dem Termin vertrat, stellte fest: "Die Übergabe ist erfolgt, es ist alles besenrein." Es klang wie Ironie, aber das war nicht die Absicht. Bettina Michel hat inzwischen gegen Britta Assauer Anzeige wegen des Verdachts der Unterschlagung gestellt.

Im Namen ihres Vaters hat sich die Tochter an die Internet-Gemeinde gewandt, um die verlorenen Sachen zurückzubekommen. Unter anderem geht es dabei um die Medaille, die Rudi Assauer bei Schalkes Uefa-Cup-Sieg 1997 bekommen hatte, sie war vorübergehend beim Internet-Auktionshaus Ebay gelandet. Manches ist auf dubiose Weise wieder aufgetaucht, und die lokalen Medien und die Boulevardpresse berichten darüber mit einer Präzision, die unerbittlich ist.

Aber dabei bleibt es nicht. Der Vorgang rührt wieder alte Gerüchte auf, es gibt viel Raunen im früheren Umfeld des Managers. Assauer ist ein vermögender Mann, er hat in den letzten Jahren in Schalke gut verdient. Die beiden Frauen, die sich jetzt um ihn kümmern - außer seiner Tochter auch die ehemalige Chefsekretärin, die ihn auf ihre energische Art 30 Jahre durchs Berufsleben begleitete -, müssen Zweifel an ihren Motiven ertragen. Es sind ähnliche Fragen wie beim Altkanzler Helmut Kohl und der strengen Obhut, die seine zweite Frau Maike Richter ausübt: Wo endet die Fürsorge? Wo beginnt die Vereinnahmung? Aber wer maßt sich an, das beurteilen zu können?

Seine Freunde hoffen, dass die bedrückenden Schlagzeilen bald ein Ende haben. Sie arbeiten an der Gründung einer Institution, die ihm ein besseres, bleibendes Andenken bewahrt, die Pläne sind weit gediehen. Schalke 04 hat zugesagt, sich großzügig daran zu beteiligen.

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