In der US-Spitzelaffäre zeigt die Regierung von Obama Reue - zumindest ein wenig.
Inzwischen zweifelt der Herr Minister. Und er legt Wert darauf, dass seine innersten Qualen nach draußen dringen. Also lässt US-Justizminister Eric Holder seit Tagen über enge Vertraute verbreiten, wie tief ins Grübeln er geraten sei - über ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts von Verschwörung und Spionage gegen einen Journalisten, das er als Amerikas "Attorney General" vor drei Jahren per Unterschrift eigenhändig gebilligt hatte. Holder, so tuscheln nun die Freunde des Ministers, sehe sich selbst als "pragmatischen Rechtsanwalt mit liberalen Instinkten" - und nicht etwa als Großinquisitor der Medien, "nicht als eine Art Torquemada, der die Presse mundtot machen wollte".
Allein, diese Selbstzweifel kommen spät, zu spät. Der Schaden ist angerichtet für die Regierung. Ausgerechnet Barack Obama, der als Kandidat einst "Transparenz und Offenheit" predigte, sieht sich nun als Präsident dem Vorwurf ausgesetzt, seine Regierung wolle Journalisten einschüchtern und betreibe - per FBI und Grand Jury - eine Hetzjagd auf Beamte, die der Presse unliebsame oder geheime Informationen zusteckten. Wer verurteilt wird, dem droht Gefängnis.
Mindestens drei Verfahren sind derzeit anhängig. Das FBI will wissen, wer der Nachrichtenagentur AP im Mai 2012 verriet, dass ein CIA-Spitzel voriges Jahr eine al-Qaida-Zelle von Bombenbastlern im Jemen auffliegen ließ. Ebenso im Visier der Bundespolizei sind jene Geheimnisträger, die dem Reporter David Sanger von der New York Times zuflüsterten, wie die Weltmacht im Cyber-Krieg gegen Iran per Stuxnet-Wurm Teherans Computer und Uran-Zentrifugen aus dem Gleichgewicht brachte. Und ein drittes, von Minister Holder persönlich abgesegnetes Strafverfahren zielte (ausgerechnet!) auf James Rosen, den Chef-Korrespondenten von Fox News, dem chronisch rechtslastigen Leitmedium aller Obama-Gegner.
Im Kreuzfeuer: US-Justizminister Eric Holder.
Der Ermittlungsdruck zeigt Wirkung. Reihenweise bezeugen Washingtoner Korrespondenten, langjährige Quellen versiegten plötzlich; ein Klima der Angst habe viele Mitarbeiter in den Amtsstuben des Außen- und Verteidigungsministerium zum Schweigen gebracht. Kein Geringerer als Leonard Downie, der frühere Chefredakteur der Washington Post, erhob inzwischen publizistische Anklage. Obama, so wetterte der sonst besonnene Professor für Journalistik, treibe einen "Krieg gegen Leaks" in die Eskalation, in ihrer Verachtung für Meinungs- und Pressefreiheit sei diese Regierung "die militanteste seit der Nixon-Administration".
Das tat weh. Eric Holder, ein treuer Leser der Washington Post, sah sich bei der Morgenlektüre am heimischen Küchentisch "persönlich getroffen". Und er sei, so versichern Vertraute, "regelrecht erschrocken", nachdem er ebenfalls in der Post nachgelesen hatte, mit welchen Methoden seine Spürhunde einem Journalisten zusetzen, den sie laut FBI-Protokoll für einen "Helfer, Anstifter oder Mitverschwörer" beim Geheimnisverrat halten.
James Rosen, der Fox-Mann, hatte im Juni 2009 per Blog enthüllt, dass die US-Regierung mit neuen Atomtests in Nordkorea rechne, falls die Vereinten Nationen ihre Sanktionen gegenüber dem Regime in Pjöngjang verschärften. Die Information stimmte, und sie stammte aus geheimsten Quellen. Zunächst geschah nichts. Aber Holder geriet unter Druck. Als Reaktion auf andere Leaks drängten FBI und CIA eh zu "mehr Härte" gegenüber undichten Stellen, und bei einer (strikt vertraulichen) Anhörung des Geheimnisdienstausschusses des Senats im Dezember 2009 forderten Kongresspolitiker beider Parteien, die lästigen Löcher im Apparat zu stopfen. In diesem Klima gab Holder nach, im Mai 2010 unterschrieb er den Durchsuchungsbefehl für Rosens Emails.
Da hatte das FBI Rosens mutmaßliche Quelle - einen Sicherheitsberater im Außenministerium namens Stephen Jim-Woo Kim - bereits längst eingekreist. Aber die Kriminalisten wollten mehr Beweise. Sie bekamen sie. Minutiös rekonstruierten sie, wie Kim und Rosen am Tag des Leaks im Abstand von nur einer Minute das Außenministerium (der Hauscomputer registrierte ihre Sicherheitsausweise am Ausgang um exakt 12.02 Uhr und 12.03 Uhr). Sie entdeckten die Tarn-Namen, unter denen beide korrespondierten: Kim war "Leo", Rosen selbst nannte sich "Alex", eine ironische Verbeugung vor Alexander Butterfield, jenem Mitarbeiter im Weißen Haus, der unter Präsident Richard Nixon einst die geheimen (und später verhängnisvollen) Tonbandaufnahmen im Oval Office verwaltet hatte. Rosen sagte klar, was er wollte: "Was ich erwarte, sind Breaking News noch vor meinen Konkurrenten." Und er kultivierte gegenüber Kim einen eigenen Geheimcode.
Das Strafverfahren gegen Kim läuft, die Anklage gegen Rosen scheint derweil zu versanden. Aber die Empörung wallt weiter auf, vor allem die "Causa AP" empört Bürgerrechtler wie Journalisten: Nach monatelangen Vorermittlungen hatte das FBI per strafbewehrter Zwangsvorladung erzwungen, dass die Telefongesellschaft über einen Zeitraum von zwei Monaten sämtliche Anrufdaten von zwanzig AP-Nummern bereitstellt. Auf diese Weise seien die Recherchen und Quellen von mindestens hundert Kollegen einsichtig geworden, schätzt die Nachrichtenagentur.
Der AP-Fall sorgt für Aufregung auch deshalb, weil das Justizministerium dabei seine hausinternen Regeln für Strafermittlungen gegenüber Medien missachtete. Die ursprünglich unter der Nixon-Regierung verfassten Richtlinien verlangen, die Ermittlungen "so eng wie möglich" anzulegen - und die jeweilige Chefredaktion frühzeitig vor einer eventuellen Bespitzelung zu informieren. Holders Beamte nutzten eine Klausel, die dem FBI im Falle "einer substantiellen Bedrohung der Integrität der Ermittlungen" freie Hand gewährt.
So muss Washingtons Journalisten-Corps dieser Tage lernen, wie brüchig der Schutz der Pressefreiheit im "Land der Freien" ist. Bereits vor mehr als dreißig Jahren hat der Oberste Gerichtshof entschieden, die Verfassung gewähre Reportern keineswegs ein Recht auf Quellenschutz. Schon bei der Aufarbeitung eines Skandals der Bush-Regierung, bei dem Regierungsangestellte 2003 die Identität einer CIA-Agentin verraten hatten, sahen sich Journalisten reihenweise zur Preisgabe ihrer Informanten gezwungen.
Minister Holder will deshalb die hauseigenen Richtlinien "aktualisieren". Er sucht nun das Gespräch mit Journalisten, und er hat die alte Idee aufgewärmt, mit einem "Presseschutz-Gesetz" den Journalisten mehr Rechte gegenüber eifrigen Staatsanwälten zu gewähren. Nur, eine wirkliche Lösung ist dies nicht: Der Gesetzentwurf kennt so viele Ausnahmen, dass das FBI weitermachen könnte wie bisher. Wie bei der AP, wie gegenüber James Rosen.
Inzwischen zweifelt der Herr Minister. Und er legt Wert darauf, dass seine innersten Qualen nach draußen dringen. Also lässt US-Justizminister Eric Holder seit Tagen über enge Vertraute verbreiten, wie tief ins Grübeln er geraten sei - über ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts von Verschwörung und Spionage gegen einen Journalisten, das er als Amerikas "Attorney General" vor drei Jahren per Unterschrift eigenhändig gebilligt hatte. Holder, so tuscheln nun die Freunde des Ministers, sehe sich selbst als "pragmatischen Rechtsanwalt mit liberalen Instinkten" - und nicht etwa als Großinquisitor der Medien, "nicht als eine Art Torquemada, der die Presse mundtot machen wollte".
Allein, diese Selbstzweifel kommen spät, zu spät. Der Schaden ist angerichtet für die Regierung. Ausgerechnet Barack Obama, der als Kandidat einst "Transparenz und Offenheit" predigte, sieht sich nun als Präsident dem Vorwurf ausgesetzt, seine Regierung wolle Journalisten einschüchtern und betreibe - per FBI und Grand Jury - eine Hetzjagd auf Beamte, die der Presse unliebsame oder geheime Informationen zusteckten. Wer verurteilt wird, dem droht Gefängnis.
Mindestens drei Verfahren sind derzeit anhängig. Das FBI will wissen, wer der Nachrichtenagentur AP im Mai 2012 verriet, dass ein CIA-Spitzel voriges Jahr eine al-Qaida-Zelle von Bombenbastlern im Jemen auffliegen ließ. Ebenso im Visier der Bundespolizei sind jene Geheimnisträger, die dem Reporter David Sanger von der New York Times zuflüsterten, wie die Weltmacht im Cyber-Krieg gegen Iran per Stuxnet-Wurm Teherans Computer und Uran-Zentrifugen aus dem Gleichgewicht brachte. Und ein drittes, von Minister Holder persönlich abgesegnetes Strafverfahren zielte (ausgerechnet!) auf James Rosen, den Chef-Korrespondenten von Fox News, dem chronisch rechtslastigen Leitmedium aller Obama-Gegner.
Im Kreuzfeuer: US-Justizminister Eric Holder.
Der Ermittlungsdruck zeigt Wirkung. Reihenweise bezeugen Washingtoner Korrespondenten, langjährige Quellen versiegten plötzlich; ein Klima der Angst habe viele Mitarbeiter in den Amtsstuben des Außen- und Verteidigungsministerium zum Schweigen gebracht. Kein Geringerer als Leonard Downie, der frühere Chefredakteur der Washington Post, erhob inzwischen publizistische Anklage. Obama, so wetterte der sonst besonnene Professor für Journalistik, treibe einen "Krieg gegen Leaks" in die Eskalation, in ihrer Verachtung für Meinungs- und Pressefreiheit sei diese Regierung "die militanteste seit der Nixon-Administration".
Das tat weh. Eric Holder, ein treuer Leser der Washington Post, sah sich bei der Morgenlektüre am heimischen Küchentisch "persönlich getroffen". Und er sei, so versichern Vertraute, "regelrecht erschrocken", nachdem er ebenfalls in der Post nachgelesen hatte, mit welchen Methoden seine Spürhunde einem Journalisten zusetzen, den sie laut FBI-Protokoll für einen "Helfer, Anstifter oder Mitverschwörer" beim Geheimnisverrat halten.
James Rosen, der Fox-Mann, hatte im Juni 2009 per Blog enthüllt, dass die US-Regierung mit neuen Atomtests in Nordkorea rechne, falls die Vereinten Nationen ihre Sanktionen gegenüber dem Regime in Pjöngjang verschärften. Die Information stimmte, und sie stammte aus geheimsten Quellen. Zunächst geschah nichts. Aber Holder geriet unter Druck. Als Reaktion auf andere Leaks drängten FBI und CIA eh zu "mehr Härte" gegenüber undichten Stellen, und bei einer (strikt vertraulichen) Anhörung des Geheimnisdienstausschusses des Senats im Dezember 2009 forderten Kongresspolitiker beider Parteien, die lästigen Löcher im Apparat zu stopfen. In diesem Klima gab Holder nach, im Mai 2010 unterschrieb er den Durchsuchungsbefehl für Rosens Emails.
Da hatte das FBI Rosens mutmaßliche Quelle - einen Sicherheitsberater im Außenministerium namens Stephen Jim-Woo Kim - bereits längst eingekreist. Aber die Kriminalisten wollten mehr Beweise. Sie bekamen sie. Minutiös rekonstruierten sie, wie Kim und Rosen am Tag des Leaks im Abstand von nur einer Minute das Außenministerium (der Hauscomputer registrierte ihre Sicherheitsausweise am Ausgang um exakt 12.02 Uhr und 12.03 Uhr). Sie entdeckten die Tarn-Namen, unter denen beide korrespondierten: Kim war "Leo", Rosen selbst nannte sich "Alex", eine ironische Verbeugung vor Alexander Butterfield, jenem Mitarbeiter im Weißen Haus, der unter Präsident Richard Nixon einst die geheimen (und später verhängnisvollen) Tonbandaufnahmen im Oval Office verwaltet hatte. Rosen sagte klar, was er wollte: "Was ich erwarte, sind Breaking News noch vor meinen Konkurrenten." Und er kultivierte gegenüber Kim einen eigenen Geheimcode.
Das Strafverfahren gegen Kim läuft, die Anklage gegen Rosen scheint derweil zu versanden. Aber die Empörung wallt weiter auf, vor allem die "Causa AP" empört Bürgerrechtler wie Journalisten: Nach monatelangen Vorermittlungen hatte das FBI per strafbewehrter Zwangsvorladung erzwungen, dass die Telefongesellschaft über einen Zeitraum von zwei Monaten sämtliche Anrufdaten von zwanzig AP-Nummern bereitstellt. Auf diese Weise seien die Recherchen und Quellen von mindestens hundert Kollegen einsichtig geworden, schätzt die Nachrichtenagentur.
Der AP-Fall sorgt für Aufregung auch deshalb, weil das Justizministerium dabei seine hausinternen Regeln für Strafermittlungen gegenüber Medien missachtete. Die ursprünglich unter der Nixon-Regierung verfassten Richtlinien verlangen, die Ermittlungen "so eng wie möglich" anzulegen - und die jeweilige Chefredaktion frühzeitig vor einer eventuellen Bespitzelung zu informieren. Holders Beamte nutzten eine Klausel, die dem FBI im Falle "einer substantiellen Bedrohung der Integrität der Ermittlungen" freie Hand gewährt.
So muss Washingtons Journalisten-Corps dieser Tage lernen, wie brüchig der Schutz der Pressefreiheit im "Land der Freien" ist. Bereits vor mehr als dreißig Jahren hat der Oberste Gerichtshof entschieden, die Verfassung gewähre Reportern keineswegs ein Recht auf Quellenschutz. Schon bei der Aufarbeitung eines Skandals der Bush-Regierung, bei dem Regierungsangestellte 2003 die Identität einer CIA-Agentin verraten hatten, sahen sich Journalisten reihenweise zur Preisgabe ihrer Informanten gezwungen.
Minister Holder will deshalb die hauseigenen Richtlinien "aktualisieren". Er sucht nun das Gespräch mit Journalisten, und er hat die alte Idee aufgewärmt, mit einem "Presseschutz-Gesetz" den Journalisten mehr Rechte gegenüber eifrigen Staatsanwälten zu gewähren. Nur, eine wirkliche Lösung ist dies nicht: Der Gesetzentwurf kennt so viele Ausnahmen, dass das FBI weitermachen könnte wie bisher. Wie bei der AP, wie gegenüber James Rosen.