Auch in Deutschland leben Wohlhabende immer noch deutlich länger als Menschen in armen Verhältnissen. Der Ärztetag bezeichnet dies als "Schande" und fordert die Bundesregierung zum Handeln auf.
Wie alt ein Mensch wird, kann davon abhängen, in welchem Stadtteil er lebt. Im schottischen Glasgow etwa erreichen Männer im wohlhabenden Bezirk Lenzie im Schnitt das stattliche Alter von 82 Jahren. Zwölf Kilometer weiter im ärmeren Stadtteil Calton sterben sie dagegen im Schnitt schon mit 54. Für Deutschland gibt es keine vergleichbar genauen Daten. "Doch es wird in vielen Städten ähnlich sein", ist der Hamburger Soziologe Olaf von dem Knesebeck überzeugt. Wer arm ist, muss früher sterben - diese Volksweisheit sei inzwischen von vielen Studien gut belegt. Männer mit einem hohen Einkommen werden im Schnitt etwa zehn Jahre älter als solche, die in relativer Armut leben. Bei Frauen beträgt der Unterschied immerhin noch acht Jahre, wie der Direktor des Instituts für Medizinische Soziologie am Uniklinikum Hamburg in seinem Vortrag auf dem Deutschen Ärztetag in Hannover darlegte. Einen Umstand, den Ärztepräsident Ulrich Montgomery nicht weiter hinnehmen will: Es sei eine "Schande, dass die Lebenserwartung in unserem reichen Land" von der sozialen Schicht abhänge, sagte er.
Wie aber können arme Patienten besser medizinisch versorgt werden? Diese Frage diskutierte auch der Ärztetag, das Parlament der etwa 450000 Mediziner Deutschlands, bei seiner Sitzung. Denn Menschen mit einem geringeren Einkommen haben gleich bei einer Vielzahl von Krankheiten ein erhöhtes Risiko - darunter Diabetes, Herzinfarkt und Schlaganfall. Krank macht sie zum einen ihre schwierigere Lebenslage. So sei es schwierig, ein Kind mit einem Hartz-IV-Satz gesund zu ernähren, sagte der Mainzer Obdachlosenarzt Gerd Trabert. Auch erzeugen unsichere Jobs, Arbeitslosigkeit und Zukunftssorgen einen Stress, der krank machen kann. Menschen mit geringem Einkommen achteten zudem weniger auf ihre Gesundheit, rauchen öfter und gehen seltener zu Vorsorgeuntersuchungen um zum Beispiel Krebs frühzeitig zu erkennen. "Die Risiken existieren zum Teil schon vor der Geburt", sagt der Soziologe Knesebeck, etwa wenn Mütter schon während der Schwangerschaft rauchen.
Wer arm ist, muss in Deutschland offenbar noch immer früher sterben.
Die Ärzte forderten die Bundesregierung deshalb unter anderem dazu auf, mehr Gesundheitsprogramme wie etwa Kochkurse an Schulen und in Kindertagesstätten anzubieten, weil diese Kinder aller Schichten erreichten. Dafür aber müsse auch der öffentliche Gesundheitsdienst überall in Deutschland erhalten oder sogar ausgebaut werden. Aufgrund knapper Kassen sparen manche Kommunen in den Gesundheitsämtern.
Tatsächlich gelten etwa die Besuche von Zahnärzten in Schulen und Kindergärten als ein Beispiel für erfolgreiche Prävention. Sie haben dazu beigetragen, dass Kinder heute viel weniger Karies haben als früher: Laut Zahnärztekammer sind die Zähne der Zwölfjährigen hierzulande so gesund wie nirgends sonst in Europa. Doch gerade die Zahnmedizin zeigt, dass solche Reihenuntersuchungen alleine nicht ausreichen. Denn die positive Entwicklung ging zum Teil an den armen Familien vorbei: Ihre Kinder haben häufig nach wie vor sehr schlechte Zähne. Schon bei den Dreijährigen finden sich zerstörte Gebisse, etwa wenn Eltern ihre Kinder unentwegt an Saftfläschchen nuckeln lassen. Die Information, wie Zähne richtig gepflegt werden, dringt offenbar nicht bis in die Familien durch. Das gilt auch für Kampagnen wie Plakataktionen zu den Gefahren des Tabakkonsums. "Solche Kampagnen sind oft von der Mittelschicht für die Mittelschicht gemacht", sagt Thomas Lampert, Leiter der Gesundheitsberichterstattung am Robert-Koch-Institut in Berlin.
Wer auch ärmere Patienten erreichen wolle, müsse direkter auf diese Menschen zugehen, sie in ihrem Lebensumfeld erreichen. "Es müsste medizinische Beratung in den Jobcentern geben", sagt etwa der Obdachlosenarzt Trabert. Der Ärztetag fordert aus diesem Grund ein Netz von Ärzten, dass wohnungslose Menschen aufsucht - etwa mit mobilen Praxen in sozialen Brennpunkten. Auch wollen die Mediziner psychisch und sozial belastete Menschen dort verstärkt ansprechen, wo sie für Ärzte greifbar sind, etwa in der Schwangerschaft. Die Politik müsse die Schwangerenvorsorge gerade bei allein erziehenden Müttern oder Frauen aus Migrantenfamilien verbessern. Ein Ansatz, der auch bei Soziologen Zustimmung findet.
Wie alt ein Mensch wird, kann davon abhängen, in welchem Stadtteil er lebt. Im schottischen Glasgow etwa erreichen Männer im wohlhabenden Bezirk Lenzie im Schnitt das stattliche Alter von 82 Jahren. Zwölf Kilometer weiter im ärmeren Stadtteil Calton sterben sie dagegen im Schnitt schon mit 54. Für Deutschland gibt es keine vergleichbar genauen Daten. "Doch es wird in vielen Städten ähnlich sein", ist der Hamburger Soziologe Olaf von dem Knesebeck überzeugt. Wer arm ist, muss früher sterben - diese Volksweisheit sei inzwischen von vielen Studien gut belegt. Männer mit einem hohen Einkommen werden im Schnitt etwa zehn Jahre älter als solche, die in relativer Armut leben. Bei Frauen beträgt der Unterschied immerhin noch acht Jahre, wie der Direktor des Instituts für Medizinische Soziologie am Uniklinikum Hamburg in seinem Vortrag auf dem Deutschen Ärztetag in Hannover darlegte. Einen Umstand, den Ärztepräsident Ulrich Montgomery nicht weiter hinnehmen will: Es sei eine "Schande, dass die Lebenserwartung in unserem reichen Land" von der sozialen Schicht abhänge, sagte er.
Wie aber können arme Patienten besser medizinisch versorgt werden? Diese Frage diskutierte auch der Ärztetag, das Parlament der etwa 450000 Mediziner Deutschlands, bei seiner Sitzung. Denn Menschen mit einem geringeren Einkommen haben gleich bei einer Vielzahl von Krankheiten ein erhöhtes Risiko - darunter Diabetes, Herzinfarkt und Schlaganfall. Krank macht sie zum einen ihre schwierigere Lebenslage. So sei es schwierig, ein Kind mit einem Hartz-IV-Satz gesund zu ernähren, sagte der Mainzer Obdachlosenarzt Gerd Trabert. Auch erzeugen unsichere Jobs, Arbeitslosigkeit und Zukunftssorgen einen Stress, der krank machen kann. Menschen mit geringem Einkommen achteten zudem weniger auf ihre Gesundheit, rauchen öfter und gehen seltener zu Vorsorgeuntersuchungen um zum Beispiel Krebs frühzeitig zu erkennen. "Die Risiken existieren zum Teil schon vor der Geburt", sagt der Soziologe Knesebeck, etwa wenn Mütter schon während der Schwangerschaft rauchen.
Wer arm ist, muss in Deutschland offenbar noch immer früher sterben.
Die Ärzte forderten die Bundesregierung deshalb unter anderem dazu auf, mehr Gesundheitsprogramme wie etwa Kochkurse an Schulen und in Kindertagesstätten anzubieten, weil diese Kinder aller Schichten erreichten. Dafür aber müsse auch der öffentliche Gesundheitsdienst überall in Deutschland erhalten oder sogar ausgebaut werden. Aufgrund knapper Kassen sparen manche Kommunen in den Gesundheitsämtern.
Tatsächlich gelten etwa die Besuche von Zahnärzten in Schulen und Kindergärten als ein Beispiel für erfolgreiche Prävention. Sie haben dazu beigetragen, dass Kinder heute viel weniger Karies haben als früher: Laut Zahnärztekammer sind die Zähne der Zwölfjährigen hierzulande so gesund wie nirgends sonst in Europa. Doch gerade die Zahnmedizin zeigt, dass solche Reihenuntersuchungen alleine nicht ausreichen. Denn die positive Entwicklung ging zum Teil an den armen Familien vorbei: Ihre Kinder haben häufig nach wie vor sehr schlechte Zähne. Schon bei den Dreijährigen finden sich zerstörte Gebisse, etwa wenn Eltern ihre Kinder unentwegt an Saftfläschchen nuckeln lassen. Die Information, wie Zähne richtig gepflegt werden, dringt offenbar nicht bis in die Familien durch. Das gilt auch für Kampagnen wie Plakataktionen zu den Gefahren des Tabakkonsums. "Solche Kampagnen sind oft von der Mittelschicht für die Mittelschicht gemacht", sagt Thomas Lampert, Leiter der Gesundheitsberichterstattung am Robert-Koch-Institut in Berlin.
Wer auch ärmere Patienten erreichen wolle, müsse direkter auf diese Menschen zugehen, sie in ihrem Lebensumfeld erreichen. "Es müsste medizinische Beratung in den Jobcentern geben", sagt etwa der Obdachlosenarzt Trabert. Der Ärztetag fordert aus diesem Grund ein Netz von Ärzten, dass wohnungslose Menschen aufsucht - etwa mit mobilen Praxen in sozialen Brennpunkten. Auch wollen die Mediziner psychisch und sozial belastete Menschen dort verstärkt ansprechen, wo sie für Ärzte greifbar sind, etwa in der Schwangerschaft. Die Politik müsse die Schwangerenvorsorge gerade bei allein erziehenden Müttern oder Frauen aus Migrantenfamilien verbessern. Ein Ansatz, der auch bei Soziologen Zustimmung findet.