'Bild'-Chef Diekmann sitzt nach einem Jahr wieder am Balken in Berlin. Jetzt muss die digitale Revolution liefern
Vor ein paar Monaten hat sich Kai Diekmann mit einem Studenten der Stanford-Universität getroffen. Der Chefredakteur der Bild-Zeitung wollte mit dem jungen Menschen über die Zukunft der Medien sprechen, darüber, wie den Journalismus der nächsten Generation gestaltet werden kann. 'Verschwenden Sie nicht meine Zeit', hat der Student zu Beginn des Gesprächs gesagt, wobei das Englische die Höflichkeitsformel des Siezens ja nicht einmal kennt. Vor zehn Jahren hätte Diekmann, 48, den jungen Mann wohl einfach einen Flegel genannt. In diesen Tagen sieht er dessen Rotzlöffelligkeit als einen Beleg dafür, dass er mit den richtigen Leuten gesprochen hat, die im Silicon Valley die richtigen Ideen haben und den richtigen Spirit, so nennt man das hier.
Es ist Donnerstagmittag in einem Restaurant in Palo Alto, die Kellner servieren Diet Coke, Cesars Salad und ein großes Steak. Vor einen Jahr ist Diekmann ins Valley gekommen, um nach Wegen zu suchen, wie es für die Bild-Zeitung und auch den ganzen Springer-Konzern weiter geht auf dem Weg vom Bedrucken toter Bäume in eine digitale Welt. In ein paar Stunden steigt Diekmann in der Flieger zurück nach Deutschland, an diesem Montag sitzt er wieder am Balken in der Bild-Redaktion, um eine Zeitung zu machen zwischen 'Kopf und Bauch'. Die Bild entstand manchmal auch noch weiter unten, was kein Problem war, so lange die Auflage stimmte, aber auch mit der geht es seit langem bergab.
Also entschloss sich Diekmann in den Mittelpunkt des Netzes zu reisen, dorthin, wo der Himmel immer blau ist und die Nerds die Zukunft programmieren. Ein Jahr hat er mit seiner Familie und ein paar anderen Springer-Leuten hier gewohnt. In Deutschland trug Diekmann Maßschuhe, Businesshemden und die nach hinten mit Gel befestigten Haare. Die Bild-Redakteure nach einigen Monaten dann die aktuellen Bilder sahen, blickten sie auf einen Menschen mit imposanten Bartwuchs, Kapuzenpulli und Leinenschuhen. Es ist die Uniform der Was-mit-Internet-Menschen, in die auch Diekmann geschlüpft ist. Wenn schon Valley, dann aber richtig.
An diesem Donnerstag ist der Bart kürzer geworden, Diekmann trägt zum ersten Mal seit Monaten wieder eines seiner blauen Hemden. Beginnt nun also wieder die Rückabwicklung, die Papierwerdung des Bild-Chefs? 'Das war das schnellste Jahr meines Lebens. Die große Herausforderung ist es, etwas von dieser Begeisterung hier in den großen Apparat zu tragen, so dass eine Veränderung beginnt', sagt Diekmann. Der Apparat, das ist die große Bild-Redaktion und der noch größere Springer-Verlag, die in diesen Zeiten aber auch nur eine App von vielen sind. Er sei aber hoffnungsfroh, sagt Diekmann, er habe hier Menschen erlebt, die keine Probleme sähen, sondern nur Herausforderungen. Ideen würden hier innerhalb weniger Tage Realität, während zu Hause die Bedenkenträger so manches blockierten. Diekmann wirkt nun ein wenig wie ein Austauschschüler, die sich ein bisschen in Amerika verguckt hat. Er scheint es aber ernst zu sein mit dem Kulturwandel. Ob der gelingen werde sei aber eine andere Frage. Man werde sehen, ob die 'kritische Masse dafür erreicht wird', sagt er. Oder ob er scheitert.
Die Veränderungen haben schon vor seiner Rückkehr begonnen, vergangene Woche kündigte Bild ein neues Bezahlmodell an, das manche für einen wichtigen Test dafür halten, ob die deutschen Nutzer bereit sind für Journalismus zu bezahlen. Gleichzeitig werden Redakteursstellen abgebaut, trotz der Traumrendite, die immer noch eingefahren wird. Von bis zu 200 war die Rede, eine Zahl, die Springer bestreitet.
Diekmann spricht in Palo Alto von einer Verschiebung der Prioritäten. 'Wir brauche mehr Techies in der Redaktion.' Leute also, die mit den Schreibern etwas programmieren, in das der Inhalt gesteckt werden kann, endlich eine App für die Leserfotos oder vielleicht ebooks zu Großereignissen, zur Papstwahl. Außerdem soll die Seite bald 24 Stunden am Tag aktualisiert werden. Die Welt schickt dafür eine Nachtschicht nach Australien, weil es sich in der Sonne besser arbeiten lässt. Ähnliches wird es bei Bild auch geben. Und sonst? Vielleicht ist da nicht viel mehr, vielleicht will er nicht mehr verraten. Manche halten seinen Trip in die USA vor allem für eine Werbekampagne, für ein großes Gezwitscher in eigener Sache.
Wie Journalismus im Netz künftig aussehen kann, das lässt sich ein paar Kilometer weiter in San Francisco beobachten. Bärtige Menschen in einem roten Backsteinloft. 'Wir wollen das CNN des Netzes werden', sagt Matt Galligan, einer der Gründer von Circa, eines Start-Ups, das 1,3 Millionen Dollar Finanzierung eingesammelt hat von Menschen wie dem Tumblr-Gründer. Seit einigen Monaten kann man sich die App runterladen, die recht hübsch aussieht. Bei Circa gibt es Texte zu den großen News, die die USA gerade bewegen, Stürme und Attentate, ein bisschen Politik. Die Leute von Circa suchen sich auf den großen Nachrichtenseiten die Informationen zusammen und schreiben eigene Artikel, die sich auf die notwendigsten Fakten beschränken.
'Die Darstellungsformen der klassischen Medien eignen sich nicht für das Netz, sie sind zu kompliziert, zu lang', sagt Matt Galligan. Circa produziert News, die man lesen und verstehen kann, während man mit dem Mobilgerät in der einen und einem Kaffee to go in der anderen zum Bus läuft. Geschieht etwas Neues, steigt zum Beispiel die Zahl der Todesopfer bei einem Hurricane, wird kein neuer Text geschrieben, sondern einfach ein neuer Absatz eingefügt. Eigene Recherchen stellt Circa nicht an, nicht einmal Nachrichtenagenturen hat die Firma abonniert. Man klaubt sich die Nachrichten aus dem Netz zusammen. Manche würden sagen klaut. 'We do a kind of reporting, a kind of fact checking', sagt Matt Galligan. Eine Art von Journalismus?
An diesem Morgen um neun wird aber gar kein Journalismus betrieben, es ist nur ein einziger Redakteur anwesend, der die Arbeit noch nicht aufgenommen hat. Darum geht es bei Circa aber auch gar nicht, man simuliert ein wenig Betrieb, als eine Art Schaufenster für potenzielle Interessenten, die an der Technik interessiert sind. Um Inhalte geht es nicht, wie so oft im Silicon Valley.
Diekmann hat sich den Leuten dort als eine Art demütiger Praktikant genähert, hat Menschen wie den 23-Jährigen Studenten lächelnd ertragen, weil der sich ja ein paar Klicks weiter als der große Jackpot hätte erweisen können. In die andere Richtung, für die halbanalogen Deutschen daheim, hat er den Netzerklärer gegeben, hat die Chefs von großen Industriekonzernen empfangen, die die Sorge haben, dass auch ihre Branche umgekrempelt wird. An diesem Nachmittag ist die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft vorbei gekommen, die sich auch Sorgen macht um die Presse. Sie wirbt für eine Mischung aus Revolution und Skepsis. Veränderung sei notwendig, nicht immer habe sich das als richtig erwiesen, was einem aus den USA als Unausweichlich vorgeschrieben wurde. Man solle nur an die Deindustrialisierung denken.
Diekmann will viel anders machen. Die Frage ist nur , ob die lieben Kollegen daheim das auch so sehen. Vor dem Restaurant steht er noch vor dem BMW-Cabrio, so einmal ein bisschen Sonne und eine Portion von diesem ganzen Spirit hier. Daheim regnet es.
Vor ein paar Monaten hat sich Kai Diekmann mit einem Studenten der Stanford-Universität getroffen. Der Chefredakteur der Bild-Zeitung wollte mit dem jungen Menschen über die Zukunft der Medien sprechen, darüber, wie den Journalismus der nächsten Generation gestaltet werden kann. 'Verschwenden Sie nicht meine Zeit', hat der Student zu Beginn des Gesprächs gesagt, wobei das Englische die Höflichkeitsformel des Siezens ja nicht einmal kennt. Vor zehn Jahren hätte Diekmann, 48, den jungen Mann wohl einfach einen Flegel genannt. In diesen Tagen sieht er dessen Rotzlöffelligkeit als einen Beleg dafür, dass er mit den richtigen Leuten gesprochen hat, die im Silicon Valley die richtigen Ideen haben und den richtigen Spirit, so nennt man das hier.
Es ist Donnerstagmittag in einem Restaurant in Palo Alto, die Kellner servieren Diet Coke, Cesars Salad und ein großes Steak. Vor einen Jahr ist Diekmann ins Valley gekommen, um nach Wegen zu suchen, wie es für die Bild-Zeitung und auch den ganzen Springer-Konzern weiter geht auf dem Weg vom Bedrucken toter Bäume in eine digitale Welt. In ein paar Stunden steigt Diekmann in der Flieger zurück nach Deutschland, an diesem Montag sitzt er wieder am Balken in der Bild-Redaktion, um eine Zeitung zu machen zwischen 'Kopf und Bauch'. Die Bild entstand manchmal auch noch weiter unten, was kein Problem war, so lange die Auflage stimmte, aber auch mit der geht es seit langem bergab.
Also entschloss sich Diekmann in den Mittelpunkt des Netzes zu reisen, dorthin, wo der Himmel immer blau ist und die Nerds die Zukunft programmieren. Ein Jahr hat er mit seiner Familie und ein paar anderen Springer-Leuten hier gewohnt. In Deutschland trug Diekmann Maßschuhe, Businesshemden und die nach hinten mit Gel befestigten Haare. Die Bild-Redakteure nach einigen Monaten dann die aktuellen Bilder sahen, blickten sie auf einen Menschen mit imposanten Bartwuchs, Kapuzenpulli und Leinenschuhen. Es ist die Uniform der Was-mit-Internet-Menschen, in die auch Diekmann geschlüpft ist. Wenn schon Valley, dann aber richtig.
An diesem Donnerstag ist der Bart kürzer geworden, Diekmann trägt zum ersten Mal seit Monaten wieder eines seiner blauen Hemden. Beginnt nun also wieder die Rückabwicklung, die Papierwerdung des Bild-Chefs? 'Das war das schnellste Jahr meines Lebens. Die große Herausforderung ist es, etwas von dieser Begeisterung hier in den großen Apparat zu tragen, so dass eine Veränderung beginnt', sagt Diekmann. Der Apparat, das ist die große Bild-Redaktion und der noch größere Springer-Verlag, die in diesen Zeiten aber auch nur eine App von vielen sind. Er sei aber hoffnungsfroh, sagt Diekmann, er habe hier Menschen erlebt, die keine Probleme sähen, sondern nur Herausforderungen. Ideen würden hier innerhalb weniger Tage Realität, während zu Hause die Bedenkenträger so manches blockierten. Diekmann wirkt nun ein wenig wie ein Austauschschüler, die sich ein bisschen in Amerika verguckt hat. Er scheint es aber ernst zu sein mit dem Kulturwandel. Ob der gelingen werde sei aber eine andere Frage. Man werde sehen, ob die 'kritische Masse dafür erreicht wird', sagt er. Oder ob er scheitert.
Die Veränderungen haben schon vor seiner Rückkehr begonnen, vergangene Woche kündigte Bild ein neues Bezahlmodell an, das manche für einen wichtigen Test dafür halten, ob die deutschen Nutzer bereit sind für Journalismus zu bezahlen. Gleichzeitig werden Redakteursstellen abgebaut, trotz der Traumrendite, die immer noch eingefahren wird. Von bis zu 200 war die Rede, eine Zahl, die Springer bestreitet.
Diekmann spricht in Palo Alto von einer Verschiebung der Prioritäten. 'Wir brauche mehr Techies in der Redaktion.' Leute also, die mit den Schreibern etwas programmieren, in das der Inhalt gesteckt werden kann, endlich eine App für die Leserfotos oder vielleicht ebooks zu Großereignissen, zur Papstwahl. Außerdem soll die Seite bald 24 Stunden am Tag aktualisiert werden. Die Welt schickt dafür eine Nachtschicht nach Australien, weil es sich in der Sonne besser arbeiten lässt. Ähnliches wird es bei Bild auch geben. Und sonst? Vielleicht ist da nicht viel mehr, vielleicht will er nicht mehr verraten. Manche halten seinen Trip in die USA vor allem für eine Werbekampagne, für ein großes Gezwitscher in eigener Sache.
Wie Journalismus im Netz künftig aussehen kann, das lässt sich ein paar Kilometer weiter in San Francisco beobachten. Bärtige Menschen in einem roten Backsteinloft. 'Wir wollen das CNN des Netzes werden', sagt Matt Galligan, einer der Gründer von Circa, eines Start-Ups, das 1,3 Millionen Dollar Finanzierung eingesammelt hat von Menschen wie dem Tumblr-Gründer. Seit einigen Monaten kann man sich die App runterladen, die recht hübsch aussieht. Bei Circa gibt es Texte zu den großen News, die die USA gerade bewegen, Stürme und Attentate, ein bisschen Politik. Die Leute von Circa suchen sich auf den großen Nachrichtenseiten die Informationen zusammen und schreiben eigene Artikel, die sich auf die notwendigsten Fakten beschränken.
'Die Darstellungsformen der klassischen Medien eignen sich nicht für das Netz, sie sind zu kompliziert, zu lang', sagt Matt Galligan. Circa produziert News, die man lesen und verstehen kann, während man mit dem Mobilgerät in der einen und einem Kaffee to go in der anderen zum Bus läuft. Geschieht etwas Neues, steigt zum Beispiel die Zahl der Todesopfer bei einem Hurricane, wird kein neuer Text geschrieben, sondern einfach ein neuer Absatz eingefügt. Eigene Recherchen stellt Circa nicht an, nicht einmal Nachrichtenagenturen hat die Firma abonniert. Man klaubt sich die Nachrichten aus dem Netz zusammen. Manche würden sagen klaut. 'We do a kind of reporting, a kind of fact checking', sagt Matt Galligan. Eine Art von Journalismus?
An diesem Morgen um neun wird aber gar kein Journalismus betrieben, es ist nur ein einziger Redakteur anwesend, der die Arbeit noch nicht aufgenommen hat. Darum geht es bei Circa aber auch gar nicht, man simuliert ein wenig Betrieb, als eine Art Schaufenster für potenzielle Interessenten, die an der Technik interessiert sind. Um Inhalte geht es nicht, wie so oft im Silicon Valley.
Diekmann hat sich den Leuten dort als eine Art demütiger Praktikant genähert, hat Menschen wie den 23-Jährigen Studenten lächelnd ertragen, weil der sich ja ein paar Klicks weiter als der große Jackpot hätte erweisen können. In die andere Richtung, für die halbanalogen Deutschen daheim, hat er den Netzerklärer gegeben, hat die Chefs von großen Industriekonzernen empfangen, die die Sorge haben, dass auch ihre Branche umgekrempelt wird. An diesem Nachmittag ist die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft vorbei gekommen, die sich auch Sorgen macht um die Presse. Sie wirbt für eine Mischung aus Revolution und Skepsis. Veränderung sei notwendig, nicht immer habe sich das als richtig erwiesen, was einem aus den USA als Unausweichlich vorgeschrieben wurde. Man solle nur an die Deindustrialisierung denken.
Diekmann will viel anders machen. Die Frage ist nur , ob die lieben Kollegen daheim das auch so sehen. Vor dem Restaurant steht er noch vor dem BMW-Cabrio, so einmal ein bisschen Sonne und eine Portion von diesem ganzen Spirit hier. Daheim regnet es.