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Rhetorische Abrüstung

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Im April hatte Nordkorea die Welt mit Kriegsdrohungen gegen den Süden und die USA aufgeschreckt. Nun reden Pjöngjang und Seoul miteinander.


Tokio - Fast zwei Monate nachdem Nordkorea die Welt mit harschen Drohungen gegen das Nachbarland im Süden der Halbinsel aufgeschreckt hat, zeichnet sich nun eine Entspannung der Beziehungen ab. Beide Staaten wollen Verhandlungen über die Wiederinbetriebnahme des Industrieparks Kaesong aufnehmen. Dort lassen südkoreanische Firmen auf dem Territorium und mit Arbeitern des Nordens produzieren. Pjöngjang hatte den gemeinsamen Industriepark im April nach eigenen Angaben "vorübergehend" geschlossen.

Auch über die Wiederaufnahme der vom Süden vor fünf Jahren eingestellten Gruppenreisen zum heiligen Kumgang-Berg im Norden will man reden. Das gab das südkoreanische Vereinigungsministerium am Donnerstag bekannt: "Wir hoffen, das ist eine Gelegenheit zur Vertrauensbildung", hieß es in einer Stellungnahme. Ort und Termin für das Gespräch stehen noch nicht fest.

Die südkoreanische Präsidentin Park Geun Hye rief Pjöngjang am Donnerstag auf, ihre Initiative zur "Schaffung gegenseitigen Vertrauens" anzunehmen. Frieden und Wiedervereinigung sei der Wunsch der 70 Millionen Koreaner. Sie selber werde alles tun, dies zu erreichen.



Kim Jong Un zeigt sich Südkorea nun eine Spur zugewandter.

Pjöngjang hatte die Arbeitsgespräche am Donnerstagmittag überraschend vorgeschlagen, nachdem Seoul eine frühere Idee zurückgewiesen hatte. Vor einigen Tagen hatte Pjöngjang einen informellen Dialog zwischen Geschäftsleuten und Bürgerinitiativen aus dem Süden mit nordkoreanischen Institutionen angeregt. Der neue Vorschlag sieht nun vor, dass sich die Regierungen der beiden Korea zum 15. Juni, dem Jahrestag des ersten innerkoreanischen Gipfels im Jahre 2000, Arbeitsgespräche aufnehmen. Seoul akzeptierte diesen Vorschlag umgehend.

Die meisten Nordkorea-Experten haben mit einer solchen Wende gerechnet, sind aber dennoch überrascht, dass sie so plötzlich kommt. Ungewöhnlich ist zudem das Angebot des Nordens, über weitere Themen zu reden. Kim So Yeol von der Online-Zeitung DailyNK erklärte das Timing mit dem Gipfel US-China-Gipfel. Pjöngjang wolle Barrack Obama und Xi Jingping milde stimmen. Vorige Woche besuchte ein Sondergesandter von Jungdiktator Kim Jong Un Peking. Er erklärte, Nordkoreas wolle mit seinen Nachbarn reden. Präsident Xi soll ihm entgegnet haben, Pjöngjang müsse dies mit Taten beweisen.

Nachdem die Führung Nordkoreas im April mit der Auslöschung amerikanischer Städte gedroht hatte, sollte die USA ihre Militärmanöver mit dem Norden nicht unterlassen, scheint die akute Krise auf der Halbinsel nun vorbei. "Die Ergebnisse der Gespräche haben vorerst kaum Bedeutung", sagte Professor Yoo Heo Yeol von der Korea University DailyNK. Wichtig sie erst einmal, dass beide Seiten überhaupt miteinander redeten. Die beiden Korea seien nicht in der Lage, ihre vielen Probleme alle gleichzeitig zu lösen, sagte der Professor. "Der entscheidende erste Schritt ist eine Lösung für Kaesong."

Pjöngjang braucht die Einnahmen aus dem gemeinsamen Industriepark - und auch aus den Gruppenreisen zum Kumgang-Berg. Es kann seine Wirtschaft nur modernisieren, indem es sich als billiger Produktionsstandort anbietet.

Mit dem Säbelrasseln der letzten Monate konsolidierte Kim Jong Un seine Macht, und versuchte zugleich, die nordkoreanische Bevölkerung zu mobilisieren. Jetzt will er aus dieser Position verhandeln: erst mit Seoul, später mit Washington. Dabei dürfte Nordkorea darauf bestehen, als Atommacht anerkannt zu werden. Die USA, China, Japan, Südkorea und Russland lehnen das ab. Der japanische Experte Hajime Izumi glaubt allerdings, die USA würden insgeheim akzeptieren, dass Nordkorea Atomwaffen besitzt - auch wenn das niemand so sage.

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