Holger G. entschudligt sich bei den Angehörigen, will aber nicht gewusst haben, dass er Terroristen unterstützt hat.
München - Er kennt die Drei vom Nationalsozialistischen Untergrund NSU seit Jugendtagen. Er hat all die Jahre, in denen sie im Untergrund lebten, regelmäßig Urlaub mit ihnen gemacht. Er hat ihnen seinen Reisepass zur Verfügung gestellt, damit sie bei Kontrollen nicht auffliegen. Er hat ihnen auch seinen Führerschein überlassen und sich noch im Mai 2011 sogar die Haare abschneiden lassen dafür - damit er auf dem Foto seinem alten Kumpel Uwe Böhnhardt ähnlicher sieht. Er hat eine AOK-Karte für Beate Zschäpe besorgt, damit die zum Arzt gehen konnte. Und er hat den Dreien auch eine Waffe überbracht. Doch nie, wirklich nie, so sagt Holger G. nun vor Gericht, "hatte ich das Gefühl, mit einer terroristischen Vereinigung befreundet zu sein".
"Wenn Sie mich für naiv und bescheuert halten - da kann ich Ihnen nur recht geben", sagte er am Donnerstag vor dem Oberlandesgericht München. "Aber ich habe nie im Leben geglaubt, dass die Drei so schwere Straftaten begehen könnten. Das habe ich mir nicht in den schlimmsten Träumen vorstellen können."
Offensichtlich ist es für Holger G. normal, dass seine Freunde im Untergrund leben, dass sie eine Waffe brauchen und falsche Papiere. Und dass er sie mit Tarnnamen anspricht. Holger G. windet sich auf seinem Stuhl, er atmet schwer, mit gepresster Stimme schießt er los, so schnell, dass ihn der Richter immer wieder bremsen muss. Er wollte doch nichts als ein guter Freund sein, sagt Holger G.. Er fand es zwar "krass", dass die Drei im Untergrund lebten, habe es aber akzeptiert. Er habe auch immer wieder geholfen, gibt er zu. Aus Mitleid, aus alter Kameradschaft, am Ende unter Druck. Aber, das betont er: "Keinesfalls hätte ich mir die Dimension des Verbrechens vorstellen können, das den Dreien jetzt vorgeworfen wird." Selbst als er davon gehört hatte, dass in der Garage der Drei Sprengstoff gefunden wurde, sei er nicht davon ausgegangen, dass sie jemanden damit verletzen wollten.
Holger G. hat sein graues Käppi abgesetzt, das er immer trägt. Im Sakko sitzt er vor dem Richter, ein großer, blonder Mann von 39 Jahren, mit Nickelbrille. Er malt von sich das Bild eines braven, arbeitsamen Mannes, gefestigt durch eine neue Liebe, der nur wegen der Anhänglichkeit seiner alten Freunde auf der Anklagebank sitzt. Er habe 15 Jahre bei der gleichen Firma gearbeitet, sei Vorarbeiter geworden, Schichtführer, Betriebsrat. Als seine Firma von 120 auf 20 geschrumpft wurde, konnte er bleiben. "Das sagt doch alles", erklärt er. Sicher habe er am Wochenende Alkohol konsumiert, auch mal Drogen. Aber er habe nie in der Arbeit gefehlt. Seine Spielsucht, durch die er 12.000 Euro Schulden angehäuft hatte, habe er durch eine Therapie in den Griff bekommen. Mit seiner Lebenspartnerin lebte er - zumindest bis zur Verhaftung - im gemeinsamen Haus. "Ich führe das, was wir früher ein Spießerleben genannt haben", sagt er.
Holger G. versteckt sich beim NSU-Prozess hinter seinen Akten.
Holger G. beschreitet einen schmalen Grat. Er ist angeklagt, die terroristische Vereinigung seiner Freunde unterstützt zu haben. Allein seinen Führerschein nutzten die Drei elfmal für die Anmietung von Autos, sie begingen damit laut Anklage 13 Straftaten. Er hat, da ist sich der Generalbundesanwalt sicher, gewusst, dass die drei vom NSU Waffengewalt gegen politische Gegner befürworteten, darüber hatten Wohlleben, Holger G. und die drei späteren NSU-Gründer diskutiert. Holger G. hat auch zugegeben, dass er seine Freunde für "Systemchecks" traf - damit die sich auf den neuesten Stand in seinem Leben bringen konnten, falls sie in eine Kontrolle kämen. In der Anklage heißt es, Holger G. habe hingenommen, dass seine Freunde Gewalt gegen Ausländer ausüben.
Doch von all dem will Holger G. nichts mitbekommen haben. Für ihn seien die Treffen, selbst wenn sie nur heimlich stattfinden konnten, normale Treffen mit alten Freunden gewesen. Man habe hauptsächlich über Privates geredet. Als die Drei vom NSU aber einmal bei ihm zuhause auftauchten, achtete er sehr genau darauf, dass seine Lebensgefährtin, die für ihn "der rettende Anker und der Fels in der Brandung" ist, nicht da war.
Insbesondere Beate Zschäpe und Ralf Wohlleben belastete Holger G. schwer. Zschäpe habe ihn vom Bahnhof abgeholt, als er im Auftrag von Wohlleben eine Schusswaffe an das Trio überbrachte. Wohlleben habe ihm die Waffe in seine Reisetasche gesteckt, ohne dass er selbst gewusst habe, um was es sich handelte.
Holger G. entschuldigte sich bei den Angehörigen der NSU-Opfer: Die Unterstützung seiner Freunde tue ihm "fürchterlich leid". Er sprach den Angehörigen der Getöteten sein Beileid aus. "Ich selbst bin entsetzt über das Ausmaß und das Leid, welches diese sinnlosen Taten über Opfer und ihre Familien gebracht haben. Ich hoffe, dass dieser Prozess Ihnen dabei hilft, das Geschehene zu verarbeiten." Er sei auch bereit, für seinen Teil die Verantwortung zu übernehmen. "Mein Tatbeitrag ist aber nicht so, wie vom Generalbundesanwalt dargestellt."
Die Bundesanwaltschaft erklärte, Holger G. habe alle wichtigen Anklagepunkte bestätigt. Dass er nichts gewusst habe, sei "eindeutig eine Schutzbehauptung".
München - Er kennt die Drei vom Nationalsozialistischen Untergrund NSU seit Jugendtagen. Er hat all die Jahre, in denen sie im Untergrund lebten, regelmäßig Urlaub mit ihnen gemacht. Er hat ihnen seinen Reisepass zur Verfügung gestellt, damit sie bei Kontrollen nicht auffliegen. Er hat ihnen auch seinen Führerschein überlassen und sich noch im Mai 2011 sogar die Haare abschneiden lassen dafür - damit er auf dem Foto seinem alten Kumpel Uwe Böhnhardt ähnlicher sieht. Er hat eine AOK-Karte für Beate Zschäpe besorgt, damit die zum Arzt gehen konnte. Und er hat den Dreien auch eine Waffe überbracht. Doch nie, wirklich nie, so sagt Holger G. nun vor Gericht, "hatte ich das Gefühl, mit einer terroristischen Vereinigung befreundet zu sein".
"Wenn Sie mich für naiv und bescheuert halten - da kann ich Ihnen nur recht geben", sagte er am Donnerstag vor dem Oberlandesgericht München. "Aber ich habe nie im Leben geglaubt, dass die Drei so schwere Straftaten begehen könnten. Das habe ich mir nicht in den schlimmsten Träumen vorstellen können."
Offensichtlich ist es für Holger G. normal, dass seine Freunde im Untergrund leben, dass sie eine Waffe brauchen und falsche Papiere. Und dass er sie mit Tarnnamen anspricht. Holger G. windet sich auf seinem Stuhl, er atmet schwer, mit gepresster Stimme schießt er los, so schnell, dass ihn der Richter immer wieder bremsen muss. Er wollte doch nichts als ein guter Freund sein, sagt Holger G.. Er fand es zwar "krass", dass die Drei im Untergrund lebten, habe es aber akzeptiert. Er habe auch immer wieder geholfen, gibt er zu. Aus Mitleid, aus alter Kameradschaft, am Ende unter Druck. Aber, das betont er: "Keinesfalls hätte ich mir die Dimension des Verbrechens vorstellen können, das den Dreien jetzt vorgeworfen wird." Selbst als er davon gehört hatte, dass in der Garage der Drei Sprengstoff gefunden wurde, sei er nicht davon ausgegangen, dass sie jemanden damit verletzen wollten.
Holger G. hat sein graues Käppi abgesetzt, das er immer trägt. Im Sakko sitzt er vor dem Richter, ein großer, blonder Mann von 39 Jahren, mit Nickelbrille. Er malt von sich das Bild eines braven, arbeitsamen Mannes, gefestigt durch eine neue Liebe, der nur wegen der Anhänglichkeit seiner alten Freunde auf der Anklagebank sitzt. Er habe 15 Jahre bei der gleichen Firma gearbeitet, sei Vorarbeiter geworden, Schichtführer, Betriebsrat. Als seine Firma von 120 auf 20 geschrumpft wurde, konnte er bleiben. "Das sagt doch alles", erklärt er. Sicher habe er am Wochenende Alkohol konsumiert, auch mal Drogen. Aber er habe nie in der Arbeit gefehlt. Seine Spielsucht, durch die er 12.000 Euro Schulden angehäuft hatte, habe er durch eine Therapie in den Griff bekommen. Mit seiner Lebenspartnerin lebte er - zumindest bis zur Verhaftung - im gemeinsamen Haus. "Ich führe das, was wir früher ein Spießerleben genannt haben", sagt er.
Holger G. versteckt sich beim NSU-Prozess hinter seinen Akten.
Holger G. beschreitet einen schmalen Grat. Er ist angeklagt, die terroristische Vereinigung seiner Freunde unterstützt zu haben. Allein seinen Führerschein nutzten die Drei elfmal für die Anmietung von Autos, sie begingen damit laut Anklage 13 Straftaten. Er hat, da ist sich der Generalbundesanwalt sicher, gewusst, dass die drei vom NSU Waffengewalt gegen politische Gegner befürworteten, darüber hatten Wohlleben, Holger G. und die drei späteren NSU-Gründer diskutiert. Holger G. hat auch zugegeben, dass er seine Freunde für "Systemchecks" traf - damit die sich auf den neuesten Stand in seinem Leben bringen konnten, falls sie in eine Kontrolle kämen. In der Anklage heißt es, Holger G. habe hingenommen, dass seine Freunde Gewalt gegen Ausländer ausüben.
Doch von all dem will Holger G. nichts mitbekommen haben. Für ihn seien die Treffen, selbst wenn sie nur heimlich stattfinden konnten, normale Treffen mit alten Freunden gewesen. Man habe hauptsächlich über Privates geredet. Als die Drei vom NSU aber einmal bei ihm zuhause auftauchten, achtete er sehr genau darauf, dass seine Lebensgefährtin, die für ihn "der rettende Anker und der Fels in der Brandung" ist, nicht da war.
Insbesondere Beate Zschäpe und Ralf Wohlleben belastete Holger G. schwer. Zschäpe habe ihn vom Bahnhof abgeholt, als er im Auftrag von Wohlleben eine Schusswaffe an das Trio überbrachte. Wohlleben habe ihm die Waffe in seine Reisetasche gesteckt, ohne dass er selbst gewusst habe, um was es sich handelte.
Holger G. entschuldigte sich bei den Angehörigen der NSU-Opfer: Die Unterstützung seiner Freunde tue ihm "fürchterlich leid". Er sprach den Angehörigen der Getöteten sein Beileid aus. "Ich selbst bin entsetzt über das Ausmaß und das Leid, welches diese sinnlosen Taten über Opfer und ihre Familien gebracht haben. Ich hoffe, dass dieser Prozess Ihnen dabei hilft, das Geschehene zu verarbeiten." Er sei auch bereit, für seinen Teil die Verantwortung zu übernehmen. "Mein Tatbeitrag ist aber nicht so, wie vom Generalbundesanwalt dargestellt."
Die Bundesanwaltschaft erklärte, Holger G. habe alle wichtigen Anklagepunkte bestätigt. Dass er nichts gewusst habe, sei "eindeutig eine Schutzbehauptung".