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Aufstand im Mieterland

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Warum die Regierung der Preistreiberei auf dem Wohnmarkt nun doch plötzlich Einhalt gebieten will - und es muss.


Der Schriftsteller Christoph Meckel hat über Freiburg und Umgebung einen schönen Satz geschrieben: "Nichts außer dem Meer wird hier vermißt, und das Vorhandene ist in Fülle da." Heute müsste er hinzufügen: außer bezahlbare Wohnungen. Die Mieten steigen so rasant, dass die Anhörung von WG-Kandidaten einem Massen-Casting gleicht, eine spitzweghafte Studentenklause unterm Dach bei 17 Euro pro Quadratmeter weggeht und eine der Gründerzeitwohnungen in der schönen Altstadt für 1850 Euro kalt, 105 Quadratmeter. Freiburg boomt, den Preis zahlen die Mieter.

In Wuppertal hat der Unternehmer Hans König (Name geändert) eine der vielen leer stehenden Fabriken aus den großen Tagen der Industriestadt vor dem Abriss gerettet, ein hübsches historisches Ensemble mit Werkswohnungen, um dessen Lofts sich in München die Kreativen balgen würden. König, ein Mann mit Idealismus, bietet bezahlbaren Wohnraum. Aber die Stadt schrumpft, die Lage ist schlecht. Ein Drittel der Anlage steht leer, und die Sozialklientel, die ihm die Stadt gern zuweisen würde, "kommt nicht mehr in Frage, leider", sagt König. Er hat zwei Problemfälle aufgenommen, sie haben Nächte mit Bierdosenpartys durchgefeiert, bis die anderen Mieter mit Auszug drohten. In Düsseldorf, 30 Kilometer entfernt, würden Vermieter über eine solche Drohung lachen. König lachte nicht. Er kündigte den Bierfreunden: "Ich wäre sonst finanziell am Ende gewesen." Er überlegt nun sogar, das Ganze mit Verlust zu verkaufen.

Deutschland ist ein Mieterland. Weniger als die Hälfte der Menschen leben in Wohneigentum. Entsprechend groß ist die Unruhe, wenn die Mieten anziehen. Auch die Kaufpreise für Wohnungen und Häuser steigen, zum Teil deshalb, weil ehemalige Mieter ins Wohneigentum flüchten und immer mehr Deutsche Immobilien als lukrative Kapitalanlage betrachten - ein Teufelskreis. Wenn es heißt, "die Mieten", ist das aber nur partiell richtig. Betroffen ist nur eine Minderheit der Gemeinden. Bis 2030 muss sich die Republik zwar auf einen Bevölkerungsrückgang von knapp sechs Prozent einstellen; doch die florierenden Regionen, die wirtschaftsstarken Kommunen, die Universitätsstädte legen an Bewohnern zu. München erwartet in den nächsten Jahren bis zu 15 Prozent Wachstum. Wohnraum ist ein knappes Gut, die Preise steigen immer rascher - wenn der Staat nicht eingreift. Die Menschen gehen dahin, wo es genug Arbeit gibt. Andere Regionen dagegen werden immer einsamer. Dort stehen Hunderttausende Wohnungen leer. Aber diese Wohnungen liegen eben nicht dort, wo sie gebraucht werden.

Ganz neu ist dieser Trend ja nicht. Neu ist nur, dass er die Politik so intensiv beschäftigt. Der Mieterbund hat die Regierung mehrmals gerügt, sie habe Mieten und Wohnen "allenfalls als Randthema wahrgenommen". Aber das geht nicht mehr, im September ist Bundestagswahl. Wer in diesen Tagen erhobenen Hauptes das Gegenteil dessen fordern will, was er gestern verlangt hat, der kann sich bei der CDU einiges abschauen. Atompolitik, Frauenquote, Homo-Ehe, die Partei ist geübt in geschmeidigen Kehrtwenden. Wie nun auch bei der Mietpreisbremse.



Die Wohnungssuche kann in vielen deutschen Städten zum Ding der Unmöglichkeit werden.

Die Union freilich ist getrieben. Die SPD-regierten Länder wollen via Bundesrat einen Gesetzentwurf zur Kappung des Preisanstiegs bei Neuvermietungen durchsetzen. Die Kosten eines Wohnungsmaklers - der für viel Geld mitunter nicht mehr tut, als die Adressen der zahllosen Bewerber zu sammeln und den solventesten auszuwählen - sollen künftig vom Vermieter und nicht mehr vom Mieter getragen werden. Bei Mietwucher drohen Geldbußen. Das entspricht der Position des Deutschen Städtetages, auf dessen Hauptversammlung im April der Sinneswandel der Kanzlerin seinen Anfang genommen hat.

Die in Frankfurt versammelten Bürgermeister drängten Angela Merkel, das Problem anzugehen; sie fürchten, dass den Kommunen langfristig eine soziale Spaltung in die Viertel der Reichen und triste banlieues wie in Frankreich drohe. Schon jetzt geben viele Familien und Normalverdiener in teuren Städten mehr als ein Drittel ihres Nettoeinkommens nur fürs Wohnen aus; wer nicht mithalten kann, wird an die Ränder gedrängt. Freilich haben manche Städte ihre kommunalen Wohnsiedlungen verscherbelt und sich dafür von neoliberalen Ökonomen feiern lassen.

Ende Mai kündete Merkel dann tatsächlich an, die Union werde in ihr Wahlprogramm schreiben, dass Eigentümer auch bei Neuvermietungen "nur begrenzt die Miete erhöhen dürfen". Im Dezember 2012 hatte sich das noch ganz anders angehört. Da beschloss der Bundestag mit den Stimmen von Schwarz-Gelb ein Gesetz, das Mieterhöhungen nur bei bestehenden Mietverträgen begrenzt. Bundesländer können Regionen ausweisen, in denen solche Bestandsmieten innerhalb von drei Jahren nur um maximal 15 Prozent steigen dürfen. Statt wie bislang um bis zu 20 Prozent. Die krassesten Preistreibereien und Spekulationen finden jedoch bei Neuvermietungen von Wohnraum, also bei einem Mieterwechsel statt. "Der Gesetzgeber muss hier handeln, denn bisher existiert keine wirksame Obergrenze für Mieterhöhungen bei Mieterwechsel", sagt Stephan Articus, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages. Jeder Mieter, der umzieht, wirkt damit unfreiwillig an der Preisspirale mit.

Hier liegt das eigentliche Problem, nicht bei der viel kleineren Zahl neu gebauter Immobilien, auch wenn die oft hochpreisig auf den Markt kommen. Daher ist das Argument der Liberalen etwas stumpf, mit dem sie Mitpreisbremsen ablehnen: Dadurch würden Investoren vergrault und keine Häuser mehr gebaut. Merkel räumt offen ein, dass die SPD das Problem früher erkannte als die CDU. "Aber wenn die SPD mal als Erste eine gute Idee hat, bin ich doch die Letzte, die das nicht aufgreift", sagte die Kanzlerin - um anzufügen: "Jetzt muss ich nur noch die FDP überzeugen, aber daran arbeite ich noch."

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