Quantcast
Channel: jetzt.de - SZ
Viewing all articles
Browse latest Browse all 3345

Mehr Sicherheit durch Truppenabzug

$
0
0
Künftig tragen die Afghanen selbst die Verantwortung für den Militäreinsatz in ihrem Land. Vielen macht das Angst.


München - Afghanen sind ein stolzes Volk, in Gesprächen betonen die Menschen immer wieder, sie wollten keinen Tag länger als nötig auf ausländische Hilfe angewiesen sein. Und dennoch betrachten sie mit Sorge die Entwicklung in ihrem Land - der westliche Abzug kommt vielen zu früh, auch trauen sie den Ankündigungen ihrer Regierung noch nicht, mit den Taliban würden nun Friedensgespräche im Wüstenemirat Katar aufgenommen.

Aber wie Präsident Hamid Karsai am Dienstag in Kabul bekannt gab, werden von nun an einheimische Soldaten und Polizisten die Verantwortung für die Sicherheit im Land übernehmen. Bis zum Ende deswestlichen Kampfeinsatzes im Jahr 2014 sollen ihnen zwar noch Nato-Truppen zur Seite stehen, aber alle Operationen werden die Afghanen selbst vorbereiten und möglichst allein durchführen.

"Wenn die Menschen sehen, dass die Sicherheit an Afghanen übergeben wurde, werden sie die Armee und die Polizei mehr unterstützen als zuvor", sagte Karsai bei einer Zeremonie in einer Militärakademie nahe Kabul. Auch verbindet er mit der Übergabe die Hoffnung, dass zukünftig weniger Zivilisten bei militärischen Operationen sterben. Denn dies hat Karsai der Nato häufig lautstark vorgeworfen, auch wenn die Vereinten Nationen in ihren Studien zu Todesopfern in Afghanistan immer wieder darauf hinweisen, dass die Taliban für die meisten zivilen Opfer in diesem Krieg verantwortlich sind.



Bald wird den einheimischen Soldaten die Verantwortung für die Sicherheit in Afghanistan allein obliegen.

Karsai hatte sich bereits in den vergangenen Tagen sehr positiv über die Schlagkraft der einheimischen Sicherheitskräfte geäußert, etwa nach einer niedergeschlagenen Taliban-Belagerung des Kabuler Flughafens in der vergangenen Woche. Doch entgegen aller Beteuerungen bleibt die Sicherheitslage prekär. Zwar greifen die Islamisten die afghanischen oder ausländischen Truppen nur noch selten direkt an, dafür haben sie die Zahl der Anschläge wieder erhöht. Am Dienstag kamen bei einer Sprengstoffattacke in Kabul mindestens drei Menschen ums Leben, 20 weitere Menschen wurden verletzt. Offenbar galt der Anschlag einem Anführer der Hazara-Minderheit, Mohammed Mohaqiq, der nach eigenen Angaben unverletzt blieb.

Karsai kündigte am Dienstag auch an, eine Delegation des Hohen Friedensrates nach Katar zu schicken. Das Gremium war im Jahr 2010 eingesetzt worden und sollte Friedensgespräche mit den Taliban anbahnen. Der Prozess erlitt immer wieder Rückschläge, vor allem als der Vorsitzende des Hohen Friedensrates, Burhanuddin Rabbani, im September 2011 einem Anschlag zum Opfer fiel. Nun erklärte ein Sprecher der Taliban am Dienstag aber, man sei für Gespräche bereit. Diese sollen im Wüstenemirat Katar geführt werden, auch die Amerikaner wollen direkte Verhandlungen mit den Aufständischen aufnehmen.

Der sogenannte Doha-Prozess zwischen US-Regierung und den Taliban war bereits Anfang des Jahres 2012 unter deutsche Vermittlung angestoßen worden. Auf neutralem Boden sollten den Taliban ermöglicht werden, ein Verbindungsbüro zu eröffnen. Karsai hatte der , der sich von dem Prozess ausgeschlossen fühlte. Die Kontakte zwischen den Taliban und den USA waren zum Erliegen gekommen, bevor die Gespräche begonnen hatten.

Obwohl die Islamisten in Doha durchaus hochrangig vertreten sind, haben Diplomaten in den vergangenen Monaten immer wieder betont, es gebe keinerlei Gespräche. Bislang haben die Taliban immer wieder zu verstehen gegeben, sie wollten mit der Kabuler Regierung keine Gespräche aufnehmen, Karsai beschimpften sie als "Marionette" des Westens.

Der Präsident selbst betonte stets, es gebe Kontakte zu den Aufständischen, diese würde es offiziell nur anders darstellen. Seit März war Karsai zwei Mal in Katar, um mit dem Emir Scheich Hamad bin Chalifa al-Thani zu sprechen. Offenbar erkundete der Präsident dabei auch, ob die Taliban sich nun doch verhandlungsbereit zeigen. Der Sender al-Dschasira berichtete, die Islamisten in Doha würden bald ein offizielles Verbindungsbüro eröffnen. Dies gilt als erster Schritt für den Friedensprozess. Von den Taliban selbst gab es aber zunächst keine Stellungnahme

Die Übergabe der Sicherheitsverantwortung ist bereits vor zwei Jahren begonnen worden, nachdem US-Präsident Barack Obama seinen Plan bekannt gegeben hatte, bis Ende des Jahres 2014 die amerikanischen Kampftruppen aus Afghanistan abzuziehen. Nach dem jetzigen Nato-Einsatz soll es eine Folgemission mit deutlich verringertem Kontingent geben, das sich weiterhin um die Ausbildung von afghanischen Soldaten kümmern soll.



Viewing all articles
Browse latest Browse all 3345