Chiles Wirtschaftsminister setzt auf ausländische Fachkräfte.
Wenn es um Investitionen in Lateinamerika geht, zögern deutsche Unternehmer meist nicht lange mit der Antwort auf die Frage, welches Land sie bevorzugen: Chile hat seit Jahren stabile Wachstumsraten um die fünf Prozent und eine verschwindend geringe Inflation. Das Land soll weniger Korruption haben als Frankreich oder Österreich. Die Regierung ist ehrgeizig: Sie will, dass Chile bis 2020 ein entwickeltes Land ist.
Chiles Wirtschaftsminister setzt auf ausländische Fachkräfte.
SZ: Herr Minister, was ist für Sie ein entwickeltes Land?
Félix de Vicente: Man sagt normalerweise, ein Land ist entwickelt, wenn das Pro-Kopf-Einkommen um die 22000 Dollar im Jahr beträgt. Jetzt liegen wir bei 18000. Aber damit alleine ist es natürlich noch nicht getan: Wir brauchen ein besseres Gesundheits- und Bildungssystem. Es geht darum, dass die Menschen zufriedener sind.
Davon scheint Chile noch ein Stück entfernt zu sein. Das Land war in den vergangenen Jahren Schauplatz vieler Massendemonstrationen der Mittelschicht - ähnlich wie Brasilien.
Wir haben mit den jungen Leuten gesprochen, um zu erfahren, was sie wollen.
Und was wollen sie?
Sie wollen, dass man ihnen zuhört. Sie wollen Perspektiven. Wir haben Stipendienprogramme aufgelegt, damit die jungen Leute weiterkommen. Und wir waren in Bayern zu Gast, um uns das duale System anzusehen. Diese Mischung aus Praxis und Theorie, die können wir brauchen.
Gibt es noch andere Sachen, die Sie aus Deutschland mitgenommen haben?
Deutschlands Stärke sind seine kleinen und mittelständischen Unternehmen. Solch eine Struktur hätten wir auch gerne, nicht nur Großbetriebe. Wir haben Unternehmensgründungen deshalb extrem erleichtert. Damit die Leute sich trauen, etwas zu beginnen. Mich hat das Beispiel Israels sehr beeindruckt. Wirtschaftlich ist das eine Start-up-Nation.
Chile lebt zu einem großen Teil vom Kupferexport. Ist die Abhängigkeit vom Rohstoffexport nicht gefährlich?
Ja, das wissen wir. Deshalb setzen wir auf Innovation. Wir haben dieses Jahr umgerechnet eine Milliarde Dollar investiert, um Forschung und Wissenschaft zu stärken. Wir arbeiten schon länger mit dem Fraunhofer-Institut zusammen. Und wir locken ausländische Unternehmensgründer mit Stipendien an, man hat uns deswegen schon Chilicon-Valley genannt. Weil wir selbst nicht genügend Fachkräfte haben, sind uns ausländische Spezialisten sehr willkommen. Gerade kommen ja sehr viele Spanier wegen der Krise.
Welche Branchen haben Zukunft in Chile?
Wir sind ein großer Exporteur landwirtschaftlicher Erzeugnisse. Aber wir wollen mehr machen: Erneuerbare Energien sind ein Bereich, aber auch der Export von Dienstleistungen hoher Qualität, Software zum Beispiel. Natürlich haben wir im Bergbau hohes Knowhow. Chilenische Ingenieure sind in unseren Nachbarländern sehr gefragt. Auch in erdbebensicherem Bauen haben wir Expertise.
Das Wachstum hat den Energieverbrauch enorm gesteigert. Deshalb baut Chile Staudämme im Süden. Dagegen gibt es Proteste von Naturschützern und Ureinwohnern. Wie wollen Sie Wachstum und Ökologie miteinander vereinbaren?
Unser Ziel ist es, 20 Prozent der Nachfrage mit erneuerbaren Energien zu decken. Dabei ist die Wasserkraft nicht eingerechnet. Wir versuchen, bei der Wasserkraft eine hohe Effizienz zu erzielen, also maximale Ausbeute bei möglichst geringen Eingriffen. Eines unserer Projekte wird das beste der Welt werden. Leider glauben immer noch viele Menschen, dass das schlecht sei. Vielleicht müssen wir der Bevölkerung die Vorteile besser klarmachen. Wir haben jetzt ein Beratungsgremium für soziale Verantwortung eingesetzt, in dem sich Politiker und Privatleute austauschen. In Nachhaltigkeit führend zu sein, ist heute eindeutig ein Wettbewerbsvorteil. Wir sind in Lateinamerika vielleicht am weitesten. Unsere Industrie ist sich bewusst, dass wir die Natur schützen müssen . . .
. . . Zumal Chile auch auf Tourismus setzt.
Natürlich.
Chile geht es immer besser, ganz Lateinamerika ist im Aufschwung, während Europa eine Krise durchläuft. Macht Lateinamerika etwas besser als Europa?
Unsere hohen Wachstumszahlen kommen natürlich daher, dass wir von einem niedrigeren Niveau ausgegangen sind. Aber es stimmt, Lateinamerika hat ein enormes Wachstumspotenzial, einen Markt von 500 Millionen Menschen. Nach der Finanzkrise von 2008 haben wir die Gelegenheit ergriffen, etwas aus unseren Möglichkeiten zu machen. Und die Aussichten sind weiter gut.
Wenn es um Investitionen in Lateinamerika geht, zögern deutsche Unternehmer meist nicht lange mit der Antwort auf die Frage, welches Land sie bevorzugen: Chile hat seit Jahren stabile Wachstumsraten um die fünf Prozent und eine verschwindend geringe Inflation. Das Land soll weniger Korruption haben als Frankreich oder Österreich. Die Regierung ist ehrgeizig: Sie will, dass Chile bis 2020 ein entwickeltes Land ist.
Chiles Wirtschaftsminister setzt auf ausländische Fachkräfte.
SZ: Herr Minister, was ist für Sie ein entwickeltes Land?
Félix de Vicente: Man sagt normalerweise, ein Land ist entwickelt, wenn das Pro-Kopf-Einkommen um die 22000 Dollar im Jahr beträgt. Jetzt liegen wir bei 18000. Aber damit alleine ist es natürlich noch nicht getan: Wir brauchen ein besseres Gesundheits- und Bildungssystem. Es geht darum, dass die Menschen zufriedener sind.
Davon scheint Chile noch ein Stück entfernt zu sein. Das Land war in den vergangenen Jahren Schauplatz vieler Massendemonstrationen der Mittelschicht - ähnlich wie Brasilien.
Wir haben mit den jungen Leuten gesprochen, um zu erfahren, was sie wollen.
Und was wollen sie?
Sie wollen, dass man ihnen zuhört. Sie wollen Perspektiven. Wir haben Stipendienprogramme aufgelegt, damit die jungen Leute weiterkommen. Und wir waren in Bayern zu Gast, um uns das duale System anzusehen. Diese Mischung aus Praxis und Theorie, die können wir brauchen.
Gibt es noch andere Sachen, die Sie aus Deutschland mitgenommen haben?
Deutschlands Stärke sind seine kleinen und mittelständischen Unternehmen. Solch eine Struktur hätten wir auch gerne, nicht nur Großbetriebe. Wir haben Unternehmensgründungen deshalb extrem erleichtert. Damit die Leute sich trauen, etwas zu beginnen. Mich hat das Beispiel Israels sehr beeindruckt. Wirtschaftlich ist das eine Start-up-Nation.
Chile lebt zu einem großen Teil vom Kupferexport. Ist die Abhängigkeit vom Rohstoffexport nicht gefährlich?
Ja, das wissen wir. Deshalb setzen wir auf Innovation. Wir haben dieses Jahr umgerechnet eine Milliarde Dollar investiert, um Forschung und Wissenschaft zu stärken. Wir arbeiten schon länger mit dem Fraunhofer-Institut zusammen. Und wir locken ausländische Unternehmensgründer mit Stipendien an, man hat uns deswegen schon Chilicon-Valley genannt. Weil wir selbst nicht genügend Fachkräfte haben, sind uns ausländische Spezialisten sehr willkommen. Gerade kommen ja sehr viele Spanier wegen der Krise.
Welche Branchen haben Zukunft in Chile?
Wir sind ein großer Exporteur landwirtschaftlicher Erzeugnisse. Aber wir wollen mehr machen: Erneuerbare Energien sind ein Bereich, aber auch der Export von Dienstleistungen hoher Qualität, Software zum Beispiel. Natürlich haben wir im Bergbau hohes Knowhow. Chilenische Ingenieure sind in unseren Nachbarländern sehr gefragt. Auch in erdbebensicherem Bauen haben wir Expertise.
Das Wachstum hat den Energieverbrauch enorm gesteigert. Deshalb baut Chile Staudämme im Süden. Dagegen gibt es Proteste von Naturschützern und Ureinwohnern. Wie wollen Sie Wachstum und Ökologie miteinander vereinbaren?
Unser Ziel ist es, 20 Prozent der Nachfrage mit erneuerbaren Energien zu decken. Dabei ist die Wasserkraft nicht eingerechnet. Wir versuchen, bei der Wasserkraft eine hohe Effizienz zu erzielen, also maximale Ausbeute bei möglichst geringen Eingriffen. Eines unserer Projekte wird das beste der Welt werden. Leider glauben immer noch viele Menschen, dass das schlecht sei. Vielleicht müssen wir der Bevölkerung die Vorteile besser klarmachen. Wir haben jetzt ein Beratungsgremium für soziale Verantwortung eingesetzt, in dem sich Politiker und Privatleute austauschen. In Nachhaltigkeit führend zu sein, ist heute eindeutig ein Wettbewerbsvorteil. Wir sind in Lateinamerika vielleicht am weitesten. Unsere Industrie ist sich bewusst, dass wir die Natur schützen müssen . . .
. . . Zumal Chile auch auf Tourismus setzt.
Natürlich.
Chile geht es immer besser, ganz Lateinamerika ist im Aufschwung, während Europa eine Krise durchläuft. Macht Lateinamerika etwas besser als Europa?
Unsere hohen Wachstumszahlen kommen natürlich daher, dass wir von einem niedrigeren Niveau ausgegangen sind. Aber es stimmt, Lateinamerika hat ein enormes Wachstumspotenzial, einen Markt von 500 Millionen Menschen. Nach der Finanzkrise von 2008 haben wir die Gelegenheit ergriffen, etwas aus unseren Möglichkeiten zu machen. Und die Aussichten sind weiter gut.