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Halleluja!

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Vampire Weekend ist einer der erfolgreichsten Gitarrenband der letzten Jahre. Gerade haben sie in Berlin ein triumphales Konzert gegeben, mit dem niemand gerechnet hat.

Jetzt wollen wir doch mal schauen, wie die feinen Leute so feiern. Wie wahnsinnig aufregend diese Party wird, auf der die einen ständig aufpassen, dass ihnen keiner auf die neuen Tennisschuhe tritt. Und die anderen schon Terz machen, wenn ein Spritzerchen Gin Fizz auf dem zitrusgelben Polohemd landet oder jemand ihr "New Yorker"-Heft zerknittert.




Vampire Weekend überzeugen auf der Bühne.

So werden sie ja gesehen, Vampire Weekend, die interessanteste und erfolgreichste junge Gitarrenband der letzten Jahre. Besser: So haben sie sich uns selbst vorgestellt. Als Ivy-League-Segelstudenten, als kluge Upper Class des amerikanischen Pop. Einem romantischen, nicht googlebaren Bildungsideal verpflichtet, dadurch auch clever und geistig wendig genug, um mit der Gegenwart besser fertig zu werden als die meisten Impulskämpfer. Und so ähnlich müsste es ja dann also auch bei ihren Konzerten zugehen. Eigentlich. Erst recht in Berlin, wo heutzutage noch der harmloseste kleine Chinohosen-Träger ein heimlicher Internetmillionär sein kann. Und wo es sich bei den jungen Leuten Ende 20 gerade als Freizeitspaß zu etablieren beginnt, am Wochenende raus nach Hoppegarten zum Pferderennen zu fahren. Und das fast ohne jede Ironie.

So oder so: Nach dem endlosen Diskurs über ihre Oberbekleidung, ihre legendäre Kleinanzeige in der "New York Times", über das bejubelte, in den USA auf Platz eins geschossene dritte Album "Modern Vampires Of The City", die intertextuellen Querverweise und das Saab-Auto, das sie provokant für ein Video in Brand gesteckt hatten - nach dieser Masse an Bezügen und Theoriespuren wollte man die Band nun endlich auch einmal spielen sehen. Ganz einfach.

Bei aller intellektuellen Zurückhaltung und trotz der aufgestauten "So mies tanzt die Bildungselite"-Vorurteile, die man sich ja gerne noch eine Weile erhalten hätte: Das Konzert von Vampire Weekend im Astra Kulturhaus in Berlin-Friedrichshain, vor rund 1500 Menschen, war ein Triumph. Ein wogender, schwitzender Triumph, der viel darüber aussagt, wie Entertainment im Zeitalter des desillusionierten Pop noch funktionieren kann.

Die ersten Gags kommen noch vor Showbeginn. Überhaupt nicht zufällig hat sich einer der Bühnenarbeiter, die vor vollem Haus die Mikrofone überprüfen, in ein "Graceland"-T-Shirt geworfen, er trägt also ausgerechnet jenes alte Paul-Simon-Album auf der Brust, das mit seinen Südafrika-Referenzen so oft und so lästig als Vorbild für die frühe Vampire-Weekend-Musik herangezogen wurde. Die Saalberieselung spielt alten Doo-Wop, dann Soul, dann ein ellenlanges Disco-Instrumental - es geht einmal durch die afro-amerikanische Unterhaltungsmusik New Yorks, das künstlerische Erbgut der Band, chronologisch, aber im Schnelldurchlauf. Als die vier Musiker dann endlich auftreten, unter "Star Wars"-Fanfaren und vor einer Art riesiger Bauernmalerei als Kulisse, hat sich der theoretische Teil des Abends noch vor der Umbaupause erledigt.

Natürlich spielen Vampire Weekend mit hinreißender Leidenschaft ihre Rolle der zuvorkommenden Schnösel. Selbstverständlich wippt die schwarze Föhnwelle des singenden Vordenkers Ezra Koenig besonders elastisch, hat sein Ton etwas Allwissendes, ist seine Komposition aus den Kontrastflächen des Hemdes und der blass sandfarbenen Fünfzigerjahre-Gitarre um jene kleine Nuance exquisiter, die man bei Popshows sonst nie erwarten würde. Aber dass die Musik der Gruppe, diese manchmal bunt blubbernde, meist wie in Bronze gegossene, immer komplett kontrolliert wirkende Großstadt-Folklore im Konzert plötzlich echte, auch physisch spürbare Schlagkraft entwickeln würde - das überrascht die zuerst amüsierwillige Menge doch derartig, dass sie sich massiv in Bewegung setzt. Noch hinten im Astra-Foyer tanzen die Leute, fast so, als ob heute Abend bewiesen werde solle, dass die weißen Mittelklassehörer ihre Bands eben nicht nur im Rumstehen genießen. Irgendwann beginnen die Musiker dann mit kleinformatigen Stadionrock-Ritualen. Initiieren einen Publikumschor, lassen mitklatschen. Gesten, die sich in einer Indiepop-Veranstaltung wie dieser eigentlich verbieten. Und die genau deshalb nirgends sonst interessanter wirken.

Vielleicht liegt hier ein weiteres, bisher völlig übersehenes Talent dieser außergewöhnlichen Band: Nur da, wo der Zuhörer von vornherein keinerlei emotionale Identifikation mit dem Pop erwarten kann, ist ja reines Entertainment möglich. Jeder weiß, dass Vampire Weekend uns niemals ihre Herzen ausschütten würden, dass eine Show wie diese völlig unbelastet ist von all diesen alten Pop-Erwartungen, vom Leid und Mitleid, um das es heute so vielen beliebten Songwritern und Dunstkreis-Bands geht. Die oft verkannte Unbeschwertheit, die im Intellektuellen auch liegen kann - man kann sie an diesen herrlichen Konzertabend spüren. Obwohl es keine einzige Refrainzeile zum Mitgrölen gibt. Und Ezra Koenig auf der Bühne die Armbanduhr anbehält, vielleicht, um immer prüfen zu können, wann es genug ist.

Zum Schluss spielen Vampire Weekend das neue Stück "Obvious Bicycle", in dem es - eine Deutungsmöglichkeit, aha! - ums Schicksal und die Ewigkeit geht. Es endet als Gospel, die Luft summt, das Klavier klimpert wie in der Sonntagsschule. "Halleluja!", ruft einer im Publikum. Sein zartblaues Lacoste-Polohemd ist jetzt doch stark verschwitzt.


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