Hans Michael Strepp war nicht nur CSU-Pressesprecher, er war vor allem ein Vertrauter von Horst Seehofer - hat er wirklich ohne Auftrag diese ungeheure Dummheit begangen?
Horst Seehofer ist sein eigener Pressesprecher an diesem Donnerstag. Nicht zum ersten Mal eigentlich: Sein Handeln und seine Strategie den Journalisten direkt zu erklären, das macht der CSU-Chef auch an normalen Tagen oft und gerne. Doch jetzt ist es eine blanke Notwendigkeit. Sein Parteisprecher Hans Michael Strepp ist weg, Seehofer muss jetzt in der Lobby des Bayerischen Landtags in München für sich selbst sprechen. An anderen, besseren Tagen würde Seehofer jetzt ein paar Scherze machen, es gäbe Gelächter und viel Ironie. Jetzt aber ist die Lage ernst. Seehofer versucht es erst gar nicht mit Witzchen. Er spricht von einem 'schweren Schritt', der unumgänglich gewesen sei. Er sieht grau aus und getroffen, mitunter versucht er zu lächeln, aber das klappt nicht recht. Dann zieht er weiter, sein Schritt ist schwer.
Der sprecherlose Parteichef Im Landtag
Der Chef, die ganze Partei ist wie ausgewechselt, und das nur wenige Tage nach ihrem bislang souveränsten Auftritt im bayerischen Landtagswahlkampf. Erst am Wochenende hatte sich die CSU in München zu einem zweitägigen Parteitag versammelt, der in vielen Medien als voller Erfolg für die Partei galt: unumstrittener Seehofer, eine der absoluten Mehrheit wieder nahe Partei, geschlossener Kampfgeist bis in den letzten Ortsverband - diesen Tenor hatten die Berichte danach. Der Parteitag war ein Meisterstück, auch von Strepp. Es sollte sein letztes werden. Dass er nun ausgerechnet über die Mittelklasse-Veranstaltung stolpert, die die SPD am Tag danach als Parteitag in Nürnberg ablieferte, klingt damit eher wie ein bitterer Witz.
Nun fällt die CSU in ein echtes Loch, denn es geht bei dem Fall um weit mehr, als um die Auswechslung eines Pressesprechers, der einen Fehler gemacht hat. Der Vorwurf an Strepp, für die CSU beim ZDF einen Akt der Zensur versucht zu haben, lastet schwer - auf Seehofer selbst. Denn er lässt alles, was die CSU an Seehofer-Image in den vergangenen Monaten aufgebaut hatte, zusammenfallen. Der lockere Regierungschef, der ohne Angst ein ums andere Mal öffentlich Klartext redet - das war die Folie, hinter der Strepp, Seehofer und Generalsekretär Alexander Dobrindt eine komplett runderneuerte CSU konstruierten: eine, die auf Transparenz setzt, den Bürger ernst nimmt und Prinzipien vor Taktik setzt.
Dass all das nun sehr viel schwieriger zu verkörpern ist, mag Seehofer durch den Kopf gehen, als er am Dienstag im Landtag steht. Ein auch für seine Verhältnisse ungewöhnlich großer Journalistenpulk drängelt sich um ihn. Es liegt ein neues Gefühl in der Luft, das zeigt sich auch daran, dass selbst Vertreter aller Oppositionsfraktionen sich unter die Journalisten mischen, um nur ja nichts zu verpassen. Für die Opposition kommt die Aufregung zur rechten Zeit, und sie weiß sie zu nutzen. Mit einem schnell eingereichten Dringlichkeitsantrag erzwingt die SPD eine Landtagsdebatte. Erstmals seit dem Antritt von SPD-Spitzenkandidat Christian Ude kommt Einigkeit und echte Offensive in das Handeln der drei Oppositionsparteien SPD, Grüne und Freie Wähler. Die wollen im Herbst 2013 antreten, die CSU abzulösen, und haben dabei bislang kaum Zugkraft entwickelt. Nun kommen die drei auf einmal in Schwung. Der CSU gehe es nur um die Macht, Seehofer sei 'jedes Mittel recht', ruft SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher und spricht so oft vom 'Streppenzieher', bis auch der letzte begriffen hat, dass das kein Versprecher, sondern ein Wortspiel ist. 'Das System CSU schadet der Demokratie und schadet Bayern', poltert Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger. Von einer skandalösen Einschüchterung von Journalisten spricht Grünen-Spitzenkandidatin Margarete Bause. 'Es ist der Anfang vom Ende.' Seehofer wehrt sich eher zurückhaltend. 'Jeder Vorstoß gegen die Grundnorm dieser Pressefreiheit ist für uns völlig inakzeptabel', sagt er. Er bittet um Fairness auch für Strepp, doch das geht im Gejohle unter. Zu Strepps Abgang habe es keine Alternative gegeben: 'Der Schritt war notwendig, der Schritt war richtig.'
Normalerweise würde an so einem Tag im Hintergrund vielleicht irgendwo Hans Michael Strepp herumstehen und machen, was er immer tut: erklären, was die Partei denkt, was Seehofer will, worauf es ankommt. Der 44-Jährige war der ständige Begleiter der CSU-Chefs. Nicht zu nahe dran, nicht zu weit weg. Er war da, aber nicht wirklich präsent. Strepp beherrscht das Spiel. Er gilt als absoluter Profi. Er weiß, wann der Zeitpunkt gekommen ist, die Mikrofone, die wie Angeln in die Traube um Seehofer geworfen werden, einholen zu lassen. Und er weiß, dass Seehofer eben manchmal auch selbst sein bester Sprecher ist. Wenn er reden will, lässt er sich auch von seinen Mitarbeitern nicht einbremsen. Zwischen Parteichef und Parteisprecher ist das Verhältnis ein besonders enges. Und wer Strepp im Schlepptau von Seehofer erlebt hat, spürte, dass beide miteinander können.
Strepp hat für drei Vorsitzende in der Partei gesprochen. Für Edmund Stoiber, der ihn damals aus der Staatskanzlei abzog und in die Landesleitung versetzte, danach für Erwin Huber und jetzt Horst Seehofer. 'Das zeigt, dass er Qualität hat und jeden von seiner besonderen Loyalität überzeugen konnte', sagt einer, der das Hauptquartier in der Nymphenburger Straße sehr gut kennt. Dort herrscht vor allem Unverständnis: 'Hat sich Strepp tatsächlich zu so einer Dummheit hinreißen lassen?'
Auch Eberhard Sinner fragt sich das. Dem früheren Chef der Staatskanzlei und Medienpolitiker der CSU kommt an diesem Tag die Aufgabe zu, über die Affäre Strepp im Landtag zu reden. Er kennt Strepp noch aus dessen Zeit als Pressesprecher in der Staatskanzlei. Einer aus der zweiten Reihe. 'Der hätte solche Sachen nicht gewagt', sagt Sinner. Das ist genau der Punkt. Mit wem man auch spricht in der Partei, Strepp traut man ein solches Manöver nicht zu.
Hatte er also einen Auftrag und wenn ja, von wem? Seehofer spürt, wie brisant diese Frage ist. Schon vor Strepps Rücktrittserklärung, als Seehofer eigentlich noch gar nichts inhaltlich sagen will, sagt er einen Satz gleich mehrmals: Dass er Strepp gefragt habe, ob er auf Anweisung von oben in der Partei gehandelt habe. Strepp habe dies verneint. Die Frage ist nicht unbegründet, sie ist hochgefährlich. Denn sollte sich das Gegenteil beweisen, könnte es eng werden auch für Seehofer selbst und für Dobrindt. Nicht umsonst weckt die Opposition schon Erinnerungen an das Ende der Ära Stoiber, das mit der Bespitzelung der CSU-Landrätin Gabriele Pauli begonnen hatte. Auch an den Droh-Anruf von Ex-Bundespräsident Christian Wulff bei Bild-Chefredakteur Kai Diekmann wird erinnert.
Zu diesem Zeitpunkt ist schon klar, dass Strepp zur Gefahr geworden ist. Barbara Stamm, Parteivize und so eine Art moralische Institution in der Partei, sagt, der Sachverhalt müsse aufgeklärt werden. Und Landtagsfraktionschef Georg Schmid sagt: 'Jeder hat seine Verantwortung an seinem Platz zu wahrzunehmen.' Wer sich jetzt bei Abgeordneten über Strepp erkundigt, bekommt häufig zu hören, Strepp sei ein ruhiger, stiller Typ gewesen, mit dem man selbst nicht viel zu tun hatte. So wird jemand Stück für Stück aus der Familie hinausgedrängt. In der CSU kann es von einer auf die andere Minute eiskalt werden.
Horst Seehofer ist sein eigener Pressesprecher an diesem Donnerstag. Nicht zum ersten Mal eigentlich: Sein Handeln und seine Strategie den Journalisten direkt zu erklären, das macht der CSU-Chef auch an normalen Tagen oft und gerne. Doch jetzt ist es eine blanke Notwendigkeit. Sein Parteisprecher Hans Michael Strepp ist weg, Seehofer muss jetzt in der Lobby des Bayerischen Landtags in München für sich selbst sprechen. An anderen, besseren Tagen würde Seehofer jetzt ein paar Scherze machen, es gäbe Gelächter und viel Ironie. Jetzt aber ist die Lage ernst. Seehofer versucht es erst gar nicht mit Witzchen. Er spricht von einem 'schweren Schritt', der unumgänglich gewesen sei. Er sieht grau aus und getroffen, mitunter versucht er zu lächeln, aber das klappt nicht recht. Dann zieht er weiter, sein Schritt ist schwer.
Der sprecherlose Parteichef Im Landtag
Der Chef, die ganze Partei ist wie ausgewechselt, und das nur wenige Tage nach ihrem bislang souveränsten Auftritt im bayerischen Landtagswahlkampf. Erst am Wochenende hatte sich die CSU in München zu einem zweitägigen Parteitag versammelt, der in vielen Medien als voller Erfolg für die Partei galt: unumstrittener Seehofer, eine der absoluten Mehrheit wieder nahe Partei, geschlossener Kampfgeist bis in den letzten Ortsverband - diesen Tenor hatten die Berichte danach. Der Parteitag war ein Meisterstück, auch von Strepp. Es sollte sein letztes werden. Dass er nun ausgerechnet über die Mittelklasse-Veranstaltung stolpert, die die SPD am Tag danach als Parteitag in Nürnberg ablieferte, klingt damit eher wie ein bitterer Witz.
Nun fällt die CSU in ein echtes Loch, denn es geht bei dem Fall um weit mehr, als um die Auswechslung eines Pressesprechers, der einen Fehler gemacht hat. Der Vorwurf an Strepp, für die CSU beim ZDF einen Akt der Zensur versucht zu haben, lastet schwer - auf Seehofer selbst. Denn er lässt alles, was die CSU an Seehofer-Image in den vergangenen Monaten aufgebaut hatte, zusammenfallen. Der lockere Regierungschef, der ohne Angst ein ums andere Mal öffentlich Klartext redet - das war die Folie, hinter der Strepp, Seehofer und Generalsekretär Alexander Dobrindt eine komplett runderneuerte CSU konstruierten: eine, die auf Transparenz setzt, den Bürger ernst nimmt und Prinzipien vor Taktik setzt.
Dass all das nun sehr viel schwieriger zu verkörpern ist, mag Seehofer durch den Kopf gehen, als er am Dienstag im Landtag steht. Ein auch für seine Verhältnisse ungewöhnlich großer Journalistenpulk drängelt sich um ihn. Es liegt ein neues Gefühl in der Luft, das zeigt sich auch daran, dass selbst Vertreter aller Oppositionsfraktionen sich unter die Journalisten mischen, um nur ja nichts zu verpassen. Für die Opposition kommt die Aufregung zur rechten Zeit, und sie weiß sie zu nutzen. Mit einem schnell eingereichten Dringlichkeitsantrag erzwingt die SPD eine Landtagsdebatte. Erstmals seit dem Antritt von SPD-Spitzenkandidat Christian Ude kommt Einigkeit und echte Offensive in das Handeln der drei Oppositionsparteien SPD, Grüne und Freie Wähler. Die wollen im Herbst 2013 antreten, die CSU abzulösen, und haben dabei bislang kaum Zugkraft entwickelt. Nun kommen die drei auf einmal in Schwung. Der CSU gehe es nur um die Macht, Seehofer sei 'jedes Mittel recht', ruft SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher und spricht so oft vom 'Streppenzieher', bis auch der letzte begriffen hat, dass das kein Versprecher, sondern ein Wortspiel ist. 'Das System CSU schadet der Demokratie und schadet Bayern', poltert Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger. Von einer skandalösen Einschüchterung von Journalisten spricht Grünen-Spitzenkandidatin Margarete Bause. 'Es ist der Anfang vom Ende.' Seehofer wehrt sich eher zurückhaltend. 'Jeder Vorstoß gegen die Grundnorm dieser Pressefreiheit ist für uns völlig inakzeptabel', sagt er. Er bittet um Fairness auch für Strepp, doch das geht im Gejohle unter. Zu Strepps Abgang habe es keine Alternative gegeben: 'Der Schritt war notwendig, der Schritt war richtig.'
Normalerweise würde an so einem Tag im Hintergrund vielleicht irgendwo Hans Michael Strepp herumstehen und machen, was er immer tut: erklären, was die Partei denkt, was Seehofer will, worauf es ankommt. Der 44-Jährige war der ständige Begleiter der CSU-Chefs. Nicht zu nahe dran, nicht zu weit weg. Er war da, aber nicht wirklich präsent. Strepp beherrscht das Spiel. Er gilt als absoluter Profi. Er weiß, wann der Zeitpunkt gekommen ist, die Mikrofone, die wie Angeln in die Traube um Seehofer geworfen werden, einholen zu lassen. Und er weiß, dass Seehofer eben manchmal auch selbst sein bester Sprecher ist. Wenn er reden will, lässt er sich auch von seinen Mitarbeitern nicht einbremsen. Zwischen Parteichef und Parteisprecher ist das Verhältnis ein besonders enges. Und wer Strepp im Schlepptau von Seehofer erlebt hat, spürte, dass beide miteinander können.
Strepp hat für drei Vorsitzende in der Partei gesprochen. Für Edmund Stoiber, der ihn damals aus der Staatskanzlei abzog und in die Landesleitung versetzte, danach für Erwin Huber und jetzt Horst Seehofer. 'Das zeigt, dass er Qualität hat und jeden von seiner besonderen Loyalität überzeugen konnte', sagt einer, der das Hauptquartier in der Nymphenburger Straße sehr gut kennt. Dort herrscht vor allem Unverständnis: 'Hat sich Strepp tatsächlich zu so einer Dummheit hinreißen lassen?'
Auch Eberhard Sinner fragt sich das. Dem früheren Chef der Staatskanzlei und Medienpolitiker der CSU kommt an diesem Tag die Aufgabe zu, über die Affäre Strepp im Landtag zu reden. Er kennt Strepp noch aus dessen Zeit als Pressesprecher in der Staatskanzlei. Einer aus der zweiten Reihe. 'Der hätte solche Sachen nicht gewagt', sagt Sinner. Das ist genau der Punkt. Mit wem man auch spricht in der Partei, Strepp traut man ein solches Manöver nicht zu.
Hatte er also einen Auftrag und wenn ja, von wem? Seehofer spürt, wie brisant diese Frage ist. Schon vor Strepps Rücktrittserklärung, als Seehofer eigentlich noch gar nichts inhaltlich sagen will, sagt er einen Satz gleich mehrmals: Dass er Strepp gefragt habe, ob er auf Anweisung von oben in der Partei gehandelt habe. Strepp habe dies verneint. Die Frage ist nicht unbegründet, sie ist hochgefährlich. Denn sollte sich das Gegenteil beweisen, könnte es eng werden auch für Seehofer selbst und für Dobrindt. Nicht umsonst weckt die Opposition schon Erinnerungen an das Ende der Ära Stoiber, das mit der Bespitzelung der CSU-Landrätin Gabriele Pauli begonnen hatte. Auch an den Droh-Anruf von Ex-Bundespräsident Christian Wulff bei Bild-Chefredakteur Kai Diekmann wird erinnert.
Zu diesem Zeitpunkt ist schon klar, dass Strepp zur Gefahr geworden ist. Barbara Stamm, Parteivize und so eine Art moralische Institution in der Partei, sagt, der Sachverhalt müsse aufgeklärt werden. Und Landtagsfraktionschef Georg Schmid sagt: 'Jeder hat seine Verantwortung an seinem Platz zu wahrzunehmen.' Wer sich jetzt bei Abgeordneten über Strepp erkundigt, bekommt häufig zu hören, Strepp sei ein ruhiger, stiller Typ gewesen, mit dem man selbst nicht viel zu tun hatte. So wird jemand Stück für Stück aus der Familie hinausgedrängt. In der CSU kann es von einer auf die andere Minute eiskalt werden.