Quantcast
Channel: jetzt.de - SZ
Viewing all articles
Browse latest Browse all 3345

Schwarz = verdächtig

$
0
0
Eine US-Bundesrichterin zwingt die New Yorker Polizei dazu, ihre zweifelhaften Fahndungsmethoden zu überarbeiten

Kürzlich hat US-Präsident Barack Obama davon erzählt, wie man als Schwarzer in Amerika nur deswegen verdächtigt wird, weil man schwarz ist. Betrete man ein größeres Geschäft, folge einem der Kaufhausdetektiv - in der Erwartung, dass man etwas einstecke. Überquere man eine Straße, verriegelten Autofahrer, die an der Ampel warten, ihre Türen. Betrete man einen Aufzug, klammerten sich ältere Damen an ihren Handtaschen fest. All das, sagte Obama, habe er selbst erlebt, jedenfalls in der Zeit, bevor er in den Senat gewählt wurde.



Festnahme bei einem Protest in Brooklyn, New York

Die dunkelhäutigen Bewohner New Yorks können aus ihrem Alltag unzählige weitere Beispiele beitragen. Oft werden sie von der Polizei auf der Straße angehalten und überprüft, weil sie sich angeblich verdächtig verhalten. In aller Regel aber weckt den Verdacht allein die Tatsache, dass der Betroffene ein Schwarzer ist oder ein Latino. Aus diesem Grund hat nun eine amerikanische Bundesrichterin die sogenannte stop and frisk-Taktik des New York Police Department für verfassungswidrig erklärt. Die Taktik, wörtlich übersetzt: "anhalten und abtasten", besteht darin, Bürger ohne konkreten Anlass anzusprechen, festzuhalten und zu durchsuchen. Die Richterin hat zunächst nicht angeordnet, die Taktik auszusetzen, aber sie verlangt Kontrolle und Nachbesserungen.

In ihrer 195-seitigen Entscheidung schreibt Richterin Shira Scheindlin, die Polizei lasse sich, wenn auch indirekt, von der Hautfarbe möglicher Verdachtspersonen leiten. Sie habe die Zahl dieser Kontrollen besonders in jenen Vierteln erhöht, in denen viele Schwarze und Latinos lebten. Dies habe dazu geführt, dass die Polizei routinemäßig dunkelhäutige Personen anhalte, "die sie nicht kontrollieren würde, wenn sie weiß wären".

Natürlich bekennt sich die Polizei nicht offen dazu, dass sie die Personen aufgrund ihrer Hautfarbe für verdächtig hält. Sie beruft sich darauf, dass sich jemand seltsam benommen habe, also zappelig wirke, plötzlich in eine andere Richtung gehe, sich in die Taschen fasse, über die Schulter schaue. Aber diese Kriterien seien kaum objektiv, bemängelte die Richterin. Ebenso wenig der Verdacht, dass jemand eine Schusswaffe trage, was in New York in der Regel illegal ist. Polizisten weisen dann darauf hin, sie hätten in der Hosentasche eines Mannes eine verdächtige Beule gesehen. Bei der Kontrolle aber stellt sich dann oft heraus, dass in der Tasche bloß ein Geldbeutel oder ein Mobiltelefon steckte. Lalit Clarkson, einer der Kläger, sagte, die Polizei kriminalisiere eine ganze Gemeinschaft von Menschen mit gleicher Hautfarbe nur dafür, dass diese "zur Arbeit gehen, einkaufen gehen, in einen Zug steigen".

Die Richterin urteilte nun, dass die Polizei eine kleinere Menge objektiv nachvollziehbarer Verdachtsmomente benötige, um einen Schwarzen anzuhalten als einen Weißen. Das belegen auch die Zahlen. Während Schwarze und Latinos nur etwa die Hälfte der Bewohner New Yorks stellen, gehören sie zu mehr als 80 Prozent zu jenen, die von der Polizei überprüft werden. Die Kontrollen, die oft mit dem bloßen Abtasten nach Schusswaffen beginnen, enden dem Urteil zufolge oft mit dem Durchsuchen von Hosentaschen nach Drogen, obwohl dafür die Rechtsgrundlage fehle. Richterin Scheindlin warf New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg und seinem Polizeichef Raymond Kelly vor, diese Diskriminierung ignoriert zu haben.

Bloomberg wiederum kritisierte das Urteil scharf und kündigte Berufung an. Die Richterin sei befangen und verstehe nichts von Polizeiarbeit, erklärte er. Es werde keine schnelle Änderung der Taktik geben, und er hoffe, sie so lange wir möglich beizubehalten. "Ich möchte nicht dafür verantwortlich sein, dass viele Menschen sterben", sagte er. Aus Bloombergs Sicht hat stop and frisk dazu beigetragen, dass die Zahl der Morde und schwerer Verbrechen in New York während seiner Amtszeit auf historisch niedrige Werte zurückgegangen sei. Die Polizei erklärt, die Taktik habe Tausenden jungen Schwarzen und Latinos das Leben gerettet, weil sie etliche bewaffnete Auseinandersetzungen in Problemvierteln verhindert habe.

Viewing all articles
Browse latest Browse all 3345