Ein "gescheiterter Intellektueller" reüssiert als Twitter-Pausenfüller
Natürlich, wir müssen effizienter werden. Die Zeit besser nutzen. Das Leben und die Arbeit optimieren. Mehr Informationen in kürzerer Zeit aufnehmen und ausspucken. Und wenn das Ich dagegen aufbegehrt, oder nur das Es - beziehungsweise, wie die Deutschen autoaggressiv jammern: ihr innerer Schweinehund, ja dann daddelt der Mensch herum. Der eine verfängt sich in den Untiefen von Youtube-Videos, der andere muss unbedingt - wie in den vergangenen Tagen Zigtausende Internetsurfer - einem kalifornischen Straußenbaby beim Schlüpfen zuschauen, und das stundenlang. Leider aber lässt sich Schwachsinn nicht mit Schwachsinn bekämpfen, und der Hektik und Oberflächlichkeit entgeht man durch ausweichende Verdummung gerade nicht.
Unter dem Namen "Nein.@NeinQuarterly" unterhält ein amerikanischer Germanistikprofessor die Twittergemeinde mit konseqentem Neinsagen.
"Was tun?" fragt Lenin. "Sorry, Lenin. There"s nothing to be done." Sagt Herr Nein im Kurznachrichtendienst Twitter, dort zu finden unter dem Namen Nein.@NeinQuarterly. Herr Nein hat auf alles eine Antwort. Sie lautet: Nein, nein und nochmals Nein. Nichts und niemand ist die Lösung. Es lebe die produktive Hoffnungslosigkeit, denn: "Business models come and go. Despair is forever." Geschäftsmodelle kommen und gehen, die Verzweiflung bleibt. Herr Nein hat selbst ein Business-Modell, es heißt "something for nothing" und besteht darin, Twitternutzer dazu zu bringen, ihm mit Hilfe des Bezahlsystems Paypal Geld zu überweisen für Nein Quarterly, eine intellektuell ambitionierte Zeitschrift, die gar nicht existiert.
Und tatsächlich, die Leute geben dem Schlawiner Geld für sein großes Nichts. Weil er einem so liebenswert und klug die Zeit vertreibt mit seinem geballten Unsinn, seinen lakonischen Aphorismen über Hegel und die Frankfurter Schule, mit Zurufen wie "Nobody said Weltschmerz was going to be fun" oder Wortschöpfungen wie "Misskunst", "Bußfall", "Morgenmuffeldorado" und "Wax Meber" als Anspielung auf den Soziologen Max Weber, einen von Neins Heroen neben Susan Sontag, der jeden Sonntag gehuldigt wird.
Hinter dem missmutigen Adornogesicht mit Zwickel, als das Herr Nein einen in seinem Logo anschaut, steckt Eric Jarosinski, ein Germanistikprofessor aus Pennsylvania. Außer, dass "er beißt", wie einer seiner Schüler warnt, wissen Twitternutzer über Jarosinski fast nichts. Über seinen Doppelgänger dafür alles. Er ist ein an Walter Benjamin geschulter Flaneur, der auf Berlinbesuch Kaugummiautomaten, Seifenspender und Wahlplakate fotografiert ("Erst als Tragödie. Dann als Farce. Dann als Spitzenkandidat.") Abends hängt der nach Selbstauskunft "gescheiterte Intellektuelle" bei einem Glas Riesling in der Bar rum, auf einen Klönschnack mit Leo Trotzki, Jorge Luis Borges oder seinem Lieblingsbuchstaben, dem ü. Wenn es gut läuft, dann kann er nachts sagen: "I hugged a lonely hipster. And I liked it." Ich habe einen einsamen Hipster umarmt, und es gefiel mir. Wenn es nicht so gut läuft, bleibt abends in der Küche nur der Ausruf: "Erzähl mir von der Liebe, Gurkenfass."
Tagsüber hadert Herr Nein dann mit seiner Schreibtischarbeit: "Somewhere the author sits quietly at a desk, dead." Das Diktum vom Tod des Autors überwindet er derweil, indem er sich selbst zur Kultfigur stilisiert. Was gelingt: Mehr als 32000 Menschen saugen seine Twittersprüche auf, oft im Zehnminutentakt. So gescheit und gescheitert wie dieser Intellektuelle sich gibt, ist er die allerbeste Ablenkung. Ein Rebell für die Zeitverschwendung. Künftig werden wir nicht unseren Schweinehund loslassen, sondern unsere inneren Herrn und Frau Nein.
Natürlich, wir müssen effizienter werden. Die Zeit besser nutzen. Das Leben und die Arbeit optimieren. Mehr Informationen in kürzerer Zeit aufnehmen und ausspucken. Und wenn das Ich dagegen aufbegehrt, oder nur das Es - beziehungsweise, wie die Deutschen autoaggressiv jammern: ihr innerer Schweinehund, ja dann daddelt der Mensch herum. Der eine verfängt sich in den Untiefen von Youtube-Videos, der andere muss unbedingt - wie in den vergangenen Tagen Zigtausende Internetsurfer - einem kalifornischen Straußenbaby beim Schlüpfen zuschauen, und das stundenlang. Leider aber lässt sich Schwachsinn nicht mit Schwachsinn bekämpfen, und der Hektik und Oberflächlichkeit entgeht man durch ausweichende Verdummung gerade nicht.
Unter dem Namen "Nein.@NeinQuarterly" unterhält ein amerikanischer Germanistikprofessor die Twittergemeinde mit konseqentem Neinsagen.
"Was tun?" fragt Lenin. "Sorry, Lenin. There"s nothing to be done." Sagt Herr Nein im Kurznachrichtendienst Twitter, dort zu finden unter dem Namen Nein.@NeinQuarterly. Herr Nein hat auf alles eine Antwort. Sie lautet: Nein, nein und nochmals Nein. Nichts und niemand ist die Lösung. Es lebe die produktive Hoffnungslosigkeit, denn: "Business models come and go. Despair is forever." Geschäftsmodelle kommen und gehen, die Verzweiflung bleibt. Herr Nein hat selbst ein Business-Modell, es heißt "something for nothing" und besteht darin, Twitternutzer dazu zu bringen, ihm mit Hilfe des Bezahlsystems Paypal Geld zu überweisen für Nein Quarterly, eine intellektuell ambitionierte Zeitschrift, die gar nicht existiert.
Und tatsächlich, die Leute geben dem Schlawiner Geld für sein großes Nichts. Weil er einem so liebenswert und klug die Zeit vertreibt mit seinem geballten Unsinn, seinen lakonischen Aphorismen über Hegel und die Frankfurter Schule, mit Zurufen wie "Nobody said Weltschmerz was going to be fun" oder Wortschöpfungen wie "Misskunst", "Bußfall", "Morgenmuffeldorado" und "Wax Meber" als Anspielung auf den Soziologen Max Weber, einen von Neins Heroen neben Susan Sontag, der jeden Sonntag gehuldigt wird.
Hinter dem missmutigen Adornogesicht mit Zwickel, als das Herr Nein einen in seinem Logo anschaut, steckt Eric Jarosinski, ein Germanistikprofessor aus Pennsylvania. Außer, dass "er beißt", wie einer seiner Schüler warnt, wissen Twitternutzer über Jarosinski fast nichts. Über seinen Doppelgänger dafür alles. Er ist ein an Walter Benjamin geschulter Flaneur, der auf Berlinbesuch Kaugummiautomaten, Seifenspender und Wahlplakate fotografiert ("Erst als Tragödie. Dann als Farce. Dann als Spitzenkandidat.") Abends hängt der nach Selbstauskunft "gescheiterte Intellektuelle" bei einem Glas Riesling in der Bar rum, auf einen Klönschnack mit Leo Trotzki, Jorge Luis Borges oder seinem Lieblingsbuchstaben, dem ü. Wenn es gut läuft, dann kann er nachts sagen: "I hugged a lonely hipster. And I liked it." Ich habe einen einsamen Hipster umarmt, und es gefiel mir. Wenn es nicht so gut läuft, bleibt abends in der Küche nur der Ausruf: "Erzähl mir von der Liebe, Gurkenfass."
Tagsüber hadert Herr Nein dann mit seiner Schreibtischarbeit: "Somewhere the author sits quietly at a desk, dead." Das Diktum vom Tod des Autors überwindet er derweil, indem er sich selbst zur Kultfigur stilisiert. Was gelingt: Mehr als 32000 Menschen saugen seine Twittersprüche auf, oft im Zehnminutentakt. So gescheit und gescheitert wie dieser Intellektuelle sich gibt, ist er die allerbeste Ablenkung. Ein Rebell für die Zeitverschwendung. Künftig werden wir nicht unseren Schweinehund loslassen, sondern unsere inneren Herrn und Frau Nein.