Berlins freie Kulturszene sucht die Konfrontation mit dem Nebenbei-Kultursenator Wowereit
Zu den Ritualen des Kulturbetriebs gehören die Wiederholungen, in denen die Klagen finanziell darbender Künstler erklingen. Die Berliner Koalition der Freien Szene, die derzeit so clever wie wütend darum kämpft, ein etwas größeres Stück aus dem Kulturetat abzubekommen, könnte trotzdem zum Problem für den Nebenberufs-Kultursenator Klaus Wowereit und seinen Kulturstaatssekretär André Schmitz werden. Das liegt nicht nur daran, dass die Off-Lobby mittlerweile professionell agiert. Zusammen repräsentieren die in ihr organisierten Akteure, von der Neuköllner Oper, den Sophiensaelen und der Literaturwerkstatt bis zum Radialsystem oder der Berliner Kammeroper, einen wichtigen Teil des Berliner Kulturlebens. Dass ihre vor Kurzem gestartete Kampagne mit Aktionen im Stadtraum, Podiumsdiskussionen oder Internetseiten, die erst mal nur ein schwarzes Feld zeigen, öffentliche Wirkung entfaltet, liegt vor allem an der Bedeutung, die die freie Szene für die Stadt und ihre Imagepflege besitzt. Für Burkhard Kieker, den Geschäftsführer der vom Land mitgetragenen Tourismusmarketingagentur Visit Berlin, ist sie schlicht Teil des Markenkerns der Stadt.
Klaus Wowereit, Regierender Bürgermeister und Kultursenator von Berlin
Als die Koalition der Freien Szene Ende vergangenen Jahres einen Anteil aus den Einnahmen der geplanten "City Tax", einer Übernachtungssteuer für Touristen, forderte, signalisierten denn auch Mitarbeiter der Kulturverwaltung wie die kulturpolitischen Sprecher der im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien ihre Sympathie. Visit-Berlin-Geschäftsführer Kieker, der Rat für die Künste, ein Zusammenschluss der wichtigsten Berliner Kultureinrichtungen, aber auch Vertreter der IHK unterstützten die Forderung der Off-Lobby öffentlich: Off-Kultur ist in Berlin zumindest als Imageproduzent ein Wirtschaftsfaktor.
In einem grotesken Widerspruch dazu stehen die Honorare, die die kümmerlich finanzierten Off-Institutionen bezahlen können. An der mit jährlich 1,1 Millionen Euro vergleichsweise gut ausgestatteten, allseits geschätzten Neuköllner Oper etwa, für Klaus Wowereit immerhin "Berlins viertes Opernhaus", bekommen Sänger und Musiker für acht Wochen Probenzeit brutto 1200 Euro und 100 Euro Abendgage pro Vorstellung. Das sind für Berliner Off-Verhältnisse Spitzengagen. An anderen Bühnen der freien Szene sind unbezahlte Proben und Abendgagen um die 50 Euro üblich. "Viele professionelle Künstler der freien Szene mussten sich an einen Dauerzustand am Rand des Existenzminimums gewöhnen", sagt Andreas Altenhof von der Neuköllner Oper. "Es gibt viele Künstler, die von Hartz IV leben und sich tageweise für ihre Auftritte abmelden." Dazu kommt, dass unter Gentrifizierungsbedingungen die improvisierten Künstler-Lebensentwürfe unter größeren ökonomischen Druck geraten. Wie heißt es in einem Lied der Band Britta: "Ist das noch Boheme oder schon Unterschicht?" Gute Frage.
Die "City Tax" kommt, wenn überhaupt, frühestens 2014. Und seit der Senat seinen Haushaltsentwurf vorgelegt hat, weiß die Koalition der Freien Szene auch, dass die freundlichen Worte aus der Politik eher unverbindlich gemeint waren. Die geplante Erhöhung des Berliner Kulturetats um 2,7 Prozent im kommenden und 4,7Prozent im übernächsten Jahr gleicht die Kosten der Tariferhöhungen an den großen Opern und Theatern aus. Für die freie Szene, deren Künstler von Tarifverträgen nur träumen können, bleibt es bei der bisherigen Förderung von 10 Millionen Euro im Jahr - weniger als drei Prozent des Kulturetats. Dass der bei früheren Gesprächen so verständnisvolle André Schmitz den Etatentwurf als "großen Erfolg für die Kultur" feiert, muss für die Off-Szene wie blanker Hohn klingen.
Die im Rat für die Künste organisierten Vertreter der Hochkulturtempel vom Deutschen Theater bis zur Deutschen Oper solidarisieren sich nun öffentlich mit den prekären Kollegen: Was Schmitz für einen "Erfolg" hält, ist in ihren Augen eine "Katastrophe". Die Kulturprofis schätzen, dass die freie Szene einen "jährlichen Mehrbedarf in Höhe von mindestens 17 Millionen Euro" hat, und rechnen vor, wie viel das im Berliner Landeshaushalt ausmacht: "Weniger als die Hälfte des Defizits, das der BER in einem Monat verursacht."
André Schmitz kann das nicht aus der Ruhe bringen. "So katastrophal können die Arbeitsbedingungen für junge Künstler in Berlin nicht sein, sie würden sonst wohl nicht in die Stadt kommen", lässt er im Interview mit einem Boulevardblatt wissen. "Nur noch zynisch" findet Christophe Knoch, einer der Sprecher der Koalition der Freien Szene, das Statement des Kulturstaatssekretärs. Dabei hat Schmitz mit seiner These von den Künstlern, die gerne nach Berlin kommen, noch nicht einmal unrecht, allerdings anders als er denkt. "Wir spüren die Arbeitsmigration von professionellen Künstlern aus Südeuropa. Heute kann man in Berlin gute, professionelle Sänger, Orchestermusiker oder Dirigenten für einen Apfel und ein Ei engagieren. Aber wir wollen nicht in ein Lohndumping kommen", berichtet Andreas Altenhof von der Neuköllner Oper. Schöne Aussichten sind das: Die freie Szene als Feld harter Konkurrenz, die für Gagen im freien Fall sorgt.
Zu den Ritualen des Kulturbetriebs gehören die Wiederholungen, in denen die Klagen finanziell darbender Künstler erklingen. Die Berliner Koalition der Freien Szene, die derzeit so clever wie wütend darum kämpft, ein etwas größeres Stück aus dem Kulturetat abzubekommen, könnte trotzdem zum Problem für den Nebenberufs-Kultursenator Klaus Wowereit und seinen Kulturstaatssekretär André Schmitz werden. Das liegt nicht nur daran, dass die Off-Lobby mittlerweile professionell agiert. Zusammen repräsentieren die in ihr organisierten Akteure, von der Neuköllner Oper, den Sophiensaelen und der Literaturwerkstatt bis zum Radialsystem oder der Berliner Kammeroper, einen wichtigen Teil des Berliner Kulturlebens. Dass ihre vor Kurzem gestartete Kampagne mit Aktionen im Stadtraum, Podiumsdiskussionen oder Internetseiten, die erst mal nur ein schwarzes Feld zeigen, öffentliche Wirkung entfaltet, liegt vor allem an der Bedeutung, die die freie Szene für die Stadt und ihre Imagepflege besitzt. Für Burkhard Kieker, den Geschäftsführer der vom Land mitgetragenen Tourismusmarketingagentur Visit Berlin, ist sie schlicht Teil des Markenkerns der Stadt.
Klaus Wowereit, Regierender Bürgermeister und Kultursenator von Berlin
Als die Koalition der Freien Szene Ende vergangenen Jahres einen Anteil aus den Einnahmen der geplanten "City Tax", einer Übernachtungssteuer für Touristen, forderte, signalisierten denn auch Mitarbeiter der Kulturverwaltung wie die kulturpolitischen Sprecher der im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien ihre Sympathie. Visit-Berlin-Geschäftsführer Kieker, der Rat für die Künste, ein Zusammenschluss der wichtigsten Berliner Kultureinrichtungen, aber auch Vertreter der IHK unterstützten die Forderung der Off-Lobby öffentlich: Off-Kultur ist in Berlin zumindest als Imageproduzent ein Wirtschaftsfaktor.
In einem grotesken Widerspruch dazu stehen die Honorare, die die kümmerlich finanzierten Off-Institutionen bezahlen können. An der mit jährlich 1,1 Millionen Euro vergleichsweise gut ausgestatteten, allseits geschätzten Neuköllner Oper etwa, für Klaus Wowereit immerhin "Berlins viertes Opernhaus", bekommen Sänger und Musiker für acht Wochen Probenzeit brutto 1200 Euro und 100 Euro Abendgage pro Vorstellung. Das sind für Berliner Off-Verhältnisse Spitzengagen. An anderen Bühnen der freien Szene sind unbezahlte Proben und Abendgagen um die 50 Euro üblich. "Viele professionelle Künstler der freien Szene mussten sich an einen Dauerzustand am Rand des Existenzminimums gewöhnen", sagt Andreas Altenhof von der Neuköllner Oper. "Es gibt viele Künstler, die von Hartz IV leben und sich tageweise für ihre Auftritte abmelden." Dazu kommt, dass unter Gentrifizierungsbedingungen die improvisierten Künstler-Lebensentwürfe unter größeren ökonomischen Druck geraten. Wie heißt es in einem Lied der Band Britta: "Ist das noch Boheme oder schon Unterschicht?" Gute Frage.
Die "City Tax" kommt, wenn überhaupt, frühestens 2014. Und seit der Senat seinen Haushaltsentwurf vorgelegt hat, weiß die Koalition der Freien Szene auch, dass die freundlichen Worte aus der Politik eher unverbindlich gemeint waren. Die geplante Erhöhung des Berliner Kulturetats um 2,7 Prozent im kommenden und 4,7Prozent im übernächsten Jahr gleicht die Kosten der Tariferhöhungen an den großen Opern und Theatern aus. Für die freie Szene, deren Künstler von Tarifverträgen nur träumen können, bleibt es bei der bisherigen Förderung von 10 Millionen Euro im Jahr - weniger als drei Prozent des Kulturetats. Dass der bei früheren Gesprächen so verständnisvolle André Schmitz den Etatentwurf als "großen Erfolg für die Kultur" feiert, muss für die Off-Szene wie blanker Hohn klingen.
Die im Rat für die Künste organisierten Vertreter der Hochkulturtempel vom Deutschen Theater bis zur Deutschen Oper solidarisieren sich nun öffentlich mit den prekären Kollegen: Was Schmitz für einen "Erfolg" hält, ist in ihren Augen eine "Katastrophe". Die Kulturprofis schätzen, dass die freie Szene einen "jährlichen Mehrbedarf in Höhe von mindestens 17 Millionen Euro" hat, und rechnen vor, wie viel das im Berliner Landeshaushalt ausmacht: "Weniger als die Hälfte des Defizits, das der BER in einem Monat verursacht."
André Schmitz kann das nicht aus der Ruhe bringen. "So katastrophal können die Arbeitsbedingungen für junge Künstler in Berlin nicht sein, sie würden sonst wohl nicht in die Stadt kommen", lässt er im Interview mit einem Boulevardblatt wissen. "Nur noch zynisch" findet Christophe Knoch, einer der Sprecher der Koalition der Freien Szene, das Statement des Kulturstaatssekretärs. Dabei hat Schmitz mit seiner These von den Künstlern, die gerne nach Berlin kommen, noch nicht einmal unrecht, allerdings anders als er denkt. "Wir spüren die Arbeitsmigration von professionellen Künstlern aus Südeuropa. Heute kann man in Berlin gute, professionelle Sänger, Orchestermusiker oder Dirigenten für einen Apfel und ein Ei engagieren. Aber wir wollen nicht in ein Lohndumping kommen", berichtet Andreas Altenhof von der Neuköllner Oper. Schöne Aussichten sind das: Die freie Szene als Feld harter Konkurrenz, die für Gagen im freien Fall sorgt.