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Ein großer Tag für Elefanten

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Die Digitalisierung der Buchwelt setzt Verlagen schwer zu, zwei der mächtigsten gehen deshalb gemeinsame Wege.

Verhandelt wird seit fünf Monaten, die Initiative war von den anderen ausgegangen, den Engländern. Anwaltskanzleien in New York und in London kümmerten sich um den großen Deal, die sonst in diesen Fällen üblichen Investmentbanken blieben außen vor. Es sollte ja ein Geschäft werden, bei dem kein Geld fließt, sondern nur Anteile von Verlagen zusammengesteckt werden wie bei einem Lego-Haus. In der Nacht von Sonntag auf Montag dann setzten die Juristen ihre Unterschriften unter ein dickes Vertragswerk, das den größten Buchverlag der Welt schafft: Penguin Random House.

Er wird knapp drei Milliarden Euro umsetzen und zum Beispiel in den USA dominant sein. Er tritt an, um die Gesetze des Marktes zu verändern und das elektronische Geschäft mit den E-Books zu domestizieren. Und er wird - wenn alles klappt und die sofort informierten Wettbewerbsbehörden mitmachen - zum großen Hegemon im Angebot von Literatur und Sachbüchern. Ein Hegemon in Sachen Geist und Geld, den Ingredienzien dieses Geschäfts.



Die Verlage Penguin und Random House planen ihre Fusion.

Es ist ein weltweiter Superverlag, der von Gütersloh aus kontrolliert wird. Der gute alte deutsche Medienkonzern Bertelsmann, 1835 im Ostwestfälischen mit besten christlichen Vorsätzen entstanden, soll 53 Prozent halten und die Anteile später weiter aufstocken; der altgediente Angestellte Markus Dohle wird Chef. Juniorpartner Penguin wiederum, Teil des Pearson-Konzerns, zu dem auch Erziehungs- und Bildungsverlage sowie die Financial Times gehören, kann nach fünf Jahren Anteile an der Börse versilbern. 'Heute ist ein großer Tag in der Geschichte unseres Unternehmens', schreibt Bertelsmann-Vorsteher Thomas Rabe seinen Mitarbeitern, er rechne in der zweiten Hälfte 2013 'mit der Erteilung der notwendigen behördlichen Freigaben'. Dann würden 'Verlage von höchstem Renommee und Autoren von Weltruhm künftig unter einem Dach arbeiten'.

Es ist eine Zweckehe in einem Markt, der von den zwei großen Trends der Wirtschaft durcheinandergerüttelt wird: von der Digitalisierung und der Globalisierung. Anders als bei Joghurts oder Hemden oder Autos können hier die Produkte - getextete und bebilderte Inhalte - über das Internet auch zugestellt werden. In den USA sind E-Books, die elektronisch aufbereitete Bücher, der Wachstumsrenner. Im ersten Quartal gab es rund 28 Prozent Zuwachs; einfache gedruckte Bücher dagegen (Paperbacks) büßten mehr als zehn Prozent ein. Jeder Buchfan, der mit Hunderten Bänden umzieht und Regal auf Regal in der neuen Wohnung aufstellen muss, wird irgendwann vom ketzerischen Gedanken erfasst, den Stoff auch per Tablet lesen und dort in einem Archiv verwahren zu können. Jeder Freund aktueller Romane findet sich irgendwann mit der Versuchung konfrontiert, auf Reisen bequem den jeweiligen Titel, der die Feuilletons erregt, hochzuladen. Auch die größte Bibliophilie kapituliert irgendwann vor der Leichtigkeit des digitalen Seins.

So war es zwangsläufig, dass neue Unternehmen das Geschäft eroberten, in dem Verlage sich der Tradition erfreuen, mit ihren Schriften einst zur bürgerlichen Revolution oder zur Schaffung großer literarischer Werke beigetragen zu haben. Es sind amerikanische Konzerne der Computer- und Internet-Ära wie der Online-Händler Amazon oder der Gerätebauer und Programmanbieter Apple beziehungsweise der Search-and-Find-Betrieb Google, der in den Bibliotheken der Welt alle aufzutreibenden Bücher einscannen ließ. Was in diesen Kreisen als 'Demokratisierung des Wissens' gepriesen wird, kommt in den Kassen der herkömmlichen Verlage als Einnahmenschwund an. Besonders, weil es die einfach zu bedienenden Lesegeräte wie Kindle oder iPad gibt, welche die E-Books verkaufen.

Von dieser Bedrohung sind seit Langem die 'Big Six', die großen Sechs für Belletristik und Sachbücher, betroffen. Die Bertelsmann-Einheit Random House und der neue Partner Penguin sind zwei davon. Die anderen vier Elefanten- die französische Hachette Group, Harper Collins aus dem Reich des TV-Tycoons Rupert Murdoch, Simon & Schuster des ebenso greisen Mediengewaltigen Sumner Redstone sowie Macmillan der Stuttgarter Holtzbrinck-Gruppe - werden nun nach eigenen Partnerschaften Ausschau halten müssen. Vergeblich hatte Murdoch im letzten Augenblick mit einem eigenen Angebot für Penguin bei Pearson versucht, die deutschen Offensivkräfte der Abteilung Rabe auszustechen. Der Bertelsmann-Chef freut sich: Der gemeinsame weltweite Marktanteil von Random House und Penguin werde bei mindestens 25 Prozent liegen. Er betrachte das 'als vernünftigen Marktanteil'. Anders gesagt: Jedes vierte Buch auf der Welt kommt künftig aus dem Bertelsmann-Beritt.

Konzentration wird vermutlich Konzentration fördern, und am Ende werden einige Monster entstehen, die sich die Welt aufteilen, vorzugsweise die noch schwungvollen Märkte der aufstrebenden Ökonomien Brasilien, Indien oder China. Dabei werden durch die Zusammenlegung von Verwaltungseinheiten einige Sparvorteile verwirklicht, die im Fall von Penguin Random House sicherlich weit mehr als hundert Millionen Euro betragen könnten.

Solchen Großgebilden ist es zu eigen, ihre Marktmacht in Verhandlungen mit Lieferanten und Abnehmern auszuspielen. Zu den 'Lieferanten' gehören im Buchgeschäft die Autoren. Schon artikulieren Agenten ihre Befürchtungen, Verlage könnten sich bei der Honorarbemessung knauserig zeigen. Wo bisher oft noch der Charme der Manufaktur wirkte, sehen Kritiker nun die Logik des Massenkonzerns auf dem Siegeszug. Andererseits: Es ist ein neues Geschäft, bei dem sich neue Kunden gewinnen lassen. Bertelsmann preist Titel, die nur digital angeboten werden, etwa Kurzgeschichten von Lee Child oder schnell verfasste Bücher ('Instant-Books'). Mancher Erotiktitel oder Krimi gehört dazu.

Die Fusion mit Penguin schaffe die Voraussetzungen dafür, 'um die digitale Transformation des Buchgeschäftes voranzutreiben', schreibt Rabe. Random House bleibe 'in der Verlagswelt Schrittmacher in Sachen E-Book'. Eines aber werde sich nicht ändern, versichert er: Bertelsmann garantiere allen Verlagen und Verlegern der neuen Gruppe wie bisher 'umfassende Freiheit'.

Was bei dauerhaften Verlusten passiert, sagt er nicht.

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