Luftverschmutzung gefährdet die Gesundheit, darum sollen Gesetze die Schadstoffe bannen. Auf der anderen Seite verlangsamt Smog den Klimawandel - wie groß der Effekt ist, bleibt jedoch unklar
In zwei Wochen ist es wieder so weit: Nach sechs Jahren veröffentlicht der Weltklimarat IPCC einen neuen Bericht zum Klimawandel. Dass man keinen Wetterbericht für den Sommer 2024 erwarten sollte, dürfte den meisten Menschen klar sein. Aber wenigstens eine klare Aussage über den Stand der Forschung? Doch schon bevor das streng geheime Papier veröffentlicht ist, zeichnet sich ab, dass bei aller Einigkeit über die Grundzüge der menschengemachten Erwärmung viele Details umstritten bleiben.
Paradox: Weniger Schadstoffe sind gut für die Luft, aber schlecht für das Klima
Das wird besonders deutlich beim Kapitel über die Wirkung der sogenannten Aerosolpartikel, besser bekannt als Luftverschmutzung. Stoffe also, die neben Kohlendioxid unter anderem aus Auto-Auspuffen und Fabrikschloten kommen, wenn diese nicht mit Filtern und Katalysatoren ausgestattet sind. Einige davon, etwa Ruß, tragen zwar zur Klimaerwärmung bei. Andere dagegen, besonders Schwefelverbindungen, legen sich wie ein Schutzschild um die Erde und reflektieren einen Teil der Sonneneinstrahlung; außerdem könnten sie die Wolkenbildung fördern. Unter dem Strich kühlen diese Schwebstoffe den Planeten - je dreckiger die Luft, desto mehr. Oder andersherum: Wenn die Luft dank strengerer Gesetze sauberer wird, wie das etwa in Europa und den USA passiert ist, und wie es China dringend nötig hat, fällt die Kühlung weg, und es wird wärmer.
Fragt sich nur: Wie viel wärmer? Darauf gibt es eine einfache und eine komplizierte Antwort. Die einfache gibt Malte Meinshausen vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. "Wenn wir die Aerosol-Emissionen sofort stoppen würden, müssten wir allein deshalb in den kommenden Jahrzehnten mit einem Temperatursprung von etwa 0,4 Grad rechnen", sagt er. 0,4 Grad Celsius wären eine Menge; bislang hat sich die Erde seit der vorindustriellen Zeit um etwa 0,8 Grad erwärmt.
Nun werden die Emissionen nicht sofort aufhören. Aber mangels einer Kristallkugel müssen Forscher Annahmen machen, die sie dann Szenarien nennen. Für den neuen Bericht wurden unter Meinshausens Mitarbeit vier neue, sogenannte "Repräsentative Konzentrations-Szenarien" (RCP) erarbeitet. Sie decken eine weite Spannbreite von möglichen Entwicklungen bei den Treibhausgasen ab, von der radikalen Kehrtwende weg von Kohle und Erdöl bis hin zum blinden Weiter-so-wie-bisher. Aber sie alle legen eine deutliche und schnelle Luftverbesserung zugrunde. Sie sagen daher eine stärkere Erwärmung voraus; kurzfristig könnte der Saubere-Luft-Effekt die gleiche Größenordnung haben wie jener von Treibhausgasen wie CO2.
Dennoch warnen Klimaforscher davor, deshalb Filter und Katalysatoren zu verdammen - und damit beginnt die komplizierte Antwort. Dann würde man den Teufel mit Beelzebub austreiben, sagt Meinshausen, Schon weil sich der Klimawandel nicht auf Dauer mit Aerosolen verhindern lässt: "Stickoxide und Schwefeloxide bleiben nur Tage oder Wochen in der Atmosphäre; beim nächsten Regen sind sie größtenteils wieder draußen", sagt er. Dagegen reichert sich das langlebige Kohlendioxid in der Atmosphäre stetig an. Wollte man den CO2-Ausstoß langfristig mit Smog kompensieren, müsste man also immer mehr davon ertragen.
Natürlich liegt der Gedanke nahe, die klimaschützende Nebenwirkung der Luftverschmutzung auf elegantere Weise auszunutzen. Eine Möglichkeit wäre Geo-Engineering in der Stratosphäre, wo sich die Teilchen deutlich länger halten: In etwa 20Kilometern Höhe könnte man als eine Art globalen Sonnenschirm Sulfat-Aerosole oder Nanopartikel freisetzen. Die Idee hat prominente Fürsprecher, unter anderem den Chemie-Nobelpreisträger Paul Crutzen.
Mit solchen Überlegungen beschäftigt sich auch Hauke Schmidt, der am Hamburger Max-Planck-Institut für Meteorologie Prozesse in der Atmosphäre erforscht und am IPCC-Bericht beteiligt ist. "Wir haben jetzt ein besseres Verständnis, wie das Klima reagieren könnte", sagt Schmidt. "Ein Restrisiko wird immer bleiben, ich würde aktuell massiv davon abraten." Tatsächlich könnten die Folgen solcher Experimente verheerend sein, bis hin zu Hungersnöten, wenn der Monsun ausbleibt.
Ausschließen kann das niemand. Aerosole sind einer der wackligsten Posten, mit denen sich die IPCC-Autoren herumschlagen. Weder weiß man, wie sich der Verkehr in Indien oder die Umweltvorschriften in China entwickeln, noch ist klar, wie Aerosole genau wirken. Lange überschätzte man ihren Effekt, inzwischen wurde er kräftig nach unten korrigiert. Dass die Teilchen Sonnenstrahlen reflektieren, ist noch einigermaßen klar. Heikel wird es bei den indirekten Effekten, etwa auf die Wolkenbildung. "Da gibt es große Unsicherheiten", sagt Schmidt. Die Aerosolteilchen können als Kondensationskeime wirken, so dass Wasserdampf in kleineren Tröpfchen kondensiert. Die gleiche Menge Wasser würde dann mehr Wolken bilden Sonnenlicht abschirmen - wie viel mehr, weiß man nicht.
Zwar wurden in den vergangenen Jahren immer komplexere Effekte in die Klimamodelle eingebaut, aber wurden diese dadurch auch besser? "Zusätzliche Komplexität kann großen Spaß machen, aber sie sollte nicht die Tatsache verschleiern, dass vieles spekulativ ist, was Aerosol-Wolken-Wechselwirkungen angeht", warnte Bjorn Stevens, Direktor am Hamburger MPI für Meteorologie und Leitautor des Aerosol-Kapitels im IPCC-Bericht, vor einem Jahr im Fachblatt Nature. Das sieht er noch immer so: "Wir haben die Prozesse zu sehr vereinfacht." Aerosole seien so etwas wie die Dunkle Materie der Klimaforschung - was immer man nicht verstehe, schiebe man ihnen zu. Und: "Die Annahmen waren unrealistisch, was die Entwicklung der Emissionen angeht."
Das wird sogar im IPCC-Bericht angedeutet: Eine kursierende Fassung beziffert die wahrscheinliche zusätzliche Erwärmung für 2016 bis 2035 auf 0,4 bis 1,0 Grad gegenüber der Periode 1986 bis 2005. In dieser Zahl stecken Annahmen aus den RCP-Szenarien, dass sich die kühlende Wirkung der Aerosole in dem Zeitraum deutlich abschwächen wird, was die gesamte Erwärmung heben müsste. Die IPCC-Autoren sind sich aber einig, dass diese Emissionen, und damit auch die Kühlung, eher auf einem höheren Niveau als angenommen bleiben. Daher werde die gesamte kurzfristige Erwärmung wohl geringer ausfallen und näher bei 0,4 Grad als bei 1,0 Grad liegen, heißt es dann.
Die Menge an Partikeln, die weltweit die Luft trüben, ist schwer zu messen, und in die Modelle sind nur wenige Messdaten nach dem Jahr 2000 eingegangen; ab 2006 sind es sogar nur noch Prognosen. Demnach müsste die Luft schon heute weltweit sauberer geworden sein und sich bald noch deutlich weiter klären, und darauf gibt es wenig Hinweise.
Ohnehin gibt es für den Kampf gegen Luftverschmutzung ganz andere Motive als die Klimadebatte; es geht um Gesundheit und Lebensqualität. Das kann bezeugen, wer in den 1980er Jahren oder davor in Europa aufgewachsen ist. "Wenn ich mich erinnere, wie Städte bei uns damals noch gerochen haben, frage ich mich, wie wir das damals ausgehalten haben", sagt Hauke Schmidt.
In zwei Wochen ist es wieder so weit: Nach sechs Jahren veröffentlicht der Weltklimarat IPCC einen neuen Bericht zum Klimawandel. Dass man keinen Wetterbericht für den Sommer 2024 erwarten sollte, dürfte den meisten Menschen klar sein. Aber wenigstens eine klare Aussage über den Stand der Forschung? Doch schon bevor das streng geheime Papier veröffentlicht ist, zeichnet sich ab, dass bei aller Einigkeit über die Grundzüge der menschengemachten Erwärmung viele Details umstritten bleiben.
Paradox: Weniger Schadstoffe sind gut für die Luft, aber schlecht für das Klima
Das wird besonders deutlich beim Kapitel über die Wirkung der sogenannten Aerosolpartikel, besser bekannt als Luftverschmutzung. Stoffe also, die neben Kohlendioxid unter anderem aus Auto-Auspuffen und Fabrikschloten kommen, wenn diese nicht mit Filtern und Katalysatoren ausgestattet sind. Einige davon, etwa Ruß, tragen zwar zur Klimaerwärmung bei. Andere dagegen, besonders Schwefelverbindungen, legen sich wie ein Schutzschild um die Erde und reflektieren einen Teil der Sonneneinstrahlung; außerdem könnten sie die Wolkenbildung fördern. Unter dem Strich kühlen diese Schwebstoffe den Planeten - je dreckiger die Luft, desto mehr. Oder andersherum: Wenn die Luft dank strengerer Gesetze sauberer wird, wie das etwa in Europa und den USA passiert ist, und wie es China dringend nötig hat, fällt die Kühlung weg, und es wird wärmer.
Fragt sich nur: Wie viel wärmer? Darauf gibt es eine einfache und eine komplizierte Antwort. Die einfache gibt Malte Meinshausen vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. "Wenn wir die Aerosol-Emissionen sofort stoppen würden, müssten wir allein deshalb in den kommenden Jahrzehnten mit einem Temperatursprung von etwa 0,4 Grad rechnen", sagt er. 0,4 Grad Celsius wären eine Menge; bislang hat sich die Erde seit der vorindustriellen Zeit um etwa 0,8 Grad erwärmt.
Nun werden die Emissionen nicht sofort aufhören. Aber mangels einer Kristallkugel müssen Forscher Annahmen machen, die sie dann Szenarien nennen. Für den neuen Bericht wurden unter Meinshausens Mitarbeit vier neue, sogenannte "Repräsentative Konzentrations-Szenarien" (RCP) erarbeitet. Sie decken eine weite Spannbreite von möglichen Entwicklungen bei den Treibhausgasen ab, von der radikalen Kehrtwende weg von Kohle und Erdöl bis hin zum blinden Weiter-so-wie-bisher. Aber sie alle legen eine deutliche und schnelle Luftverbesserung zugrunde. Sie sagen daher eine stärkere Erwärmung voraus; kurzfristig könnte der Saubere-Luft-Effekt die gleiche Größenordnung haben wie jener von Treibhausgasen wie CO2.
Dennoch warnen Klimaforscher davor, deshalb Filter und Katalysatoren zu verdammen - und damit beginnt die komplizierte Antwort. Dann würde man den Teufel mit Beelzebub austreiben, sagt Meinshausen, Schon weil sich der Klimawandel nicht auf Dauer mit Aerosolen verhindern lässt: "Stickoxide und Schwefeloxide bleiben nur Tage oder Wochen in der Atmosphäre; beim nächsten Regen sind sie größtenteils wieder draußen", sagt er. Dagegen reichert sich das langlebige Kohlendioxid in der Atmosphäre stetig an. Wollte man den CO2-Ausstoß langfristig mit Smog kompensieren, müsste man also immer mehr davon ertragen.
Natürlich liegt der Gedanke nahe, die klimaschützende Nebenwirkung der Luftverschmutzung auf elegantere Weise auszunutzen. Eine Möglichkeit wäre Geo-Engineering in der Stratosphäre, wo sich die Teilchen deutlich länger halten: In etwa 20Kilometern Höhe könnte man als eine Art globalen Sonnenschirm Sulfat-Aerosole oder Nanopartikel freisetzen. Die Idee hat prominente Fürsprecher, unter anderem den Chemie-Nobelpreisträger Paul Crutzen.
Mit solchen Überlegungen beschäftigt sich auch Hauke Schmidt, der am Hamburger Max-Planck-Institut für Meteorologie Prozesse in der Atmosphäre erforscht und am IPCC-Bericht beteiligt ist. "Wir haben jetzt ein besseres Verständnis, wie das Klima reagieren könnte", sagt Schmidt. "Ein Restrisiko wird immer bleiben, ich würde aktuell massiv davon abraten." Tatsächlich könnten die Folgen solcher Experimente verheerend sein, bis hin zu Hungersnöten, wenn der Monsun ausbleibt.
Ausschließen kann das niemand. Aerosole sind einer der wackligsten Posten, mit denen sich die IPCC-Autoren herumschlagen. Weder weiß man, wie sich der Verkehr in Indien oder die Umweltvorschriften in China entwickeln, noch ist klar, wie Aerosole genau wirken. Lange überschätzte man ihren Effekt, inzwischen wurde er kräftig nach unten korrigiert. Dass die Teilchen Sonnenstrahlen reflektieren, ist noch einigermaßen klar. Heikel wird es bei den indirekten Effekten, etwa auf die Wolkenbildung. "Da gibt es große Unsicherheiten", sagt Schmidt. Die Aerosolteilchen können als Kondensationskeime wirken, so dass Wasserdampf in kleineren Tröpfchen kondensiert. Die gleiche Menge Wasser würde dann mehr Wolken bilden Sonnenlicht abschirmen - wie viel mehr, weiß man nicht.
Zwar wurden in den vergangenen Jahren immer komplexere Effekte in die Klimamodelle eingebaut, aber wurden diese dadurch auch besser? "Zusätzliche Komplexität kann großen Spaß machen, aber sie sollte nicht die Tatsache verschleiern, dass vieles spekulativ ist, was Aerosol-Wolken-Wechselwirkungen angeht", warnte Bjorn Stevens, Direktor am Hamburger MPI für Meteorologie und Leitautor des Aerosol-Kapitels im IPCC-Bericht, vor einem Jahr im Fachblatt Nature. Das sieht er noch immer so: "Wir haben die Prozesse zu sehr vereinfacht." Aerosole seien so etwas wie die Dunkle Materie der Klimaforschung - was immer man nicht verstehe, schiebe man ihnen zu. Und: "Die Annahmen waren unrealistisch, was die Entwicklung der Emissionen angeht."
Das wird sogar im IPCC-Bericht angedeutet: Eine kursierende Fassung beziffert die wahrscheinliche zusätzliche Erwärmung für 2016 bis 2035 auf 0,4 bis 1,0 Grad gegenüber der Periode 1986 bis 2005. In dieser Zahl stecken Annahmen aus den RCP-Szenarien, dass sich die kühlende Wirkung der Aerosole in dem Zeitraum deutlich abschwächen wird, was die gesamte Erwärmung heben müsste. Die IPCC-Autoren sind sich aber einig, dass diese Emissionen, und damit auch die Kühlung, eher auf einem höheren Niveau als angenommen bleiben. Daher werde die gesamte kurzfristige Erwärmung wohl geringer ausfallen und näher bei 0,4 Grad als bei 1,0 Grad liegen, heißt es dann.
Die Menge an Partikeln, die weltweit die Luft trüben, ist schwer zu messen, und in die Modelle sind nur wenige Messdaten nach dem Jahr 2000 eingegangen; ab 2006 sind es sogar nur noch Prognosen. Demnach müsste die Luft schon heute weltweit sauberer geworden sein und sich bald noch deutlich weiter klären, und darauf gibt es wenig Hinweise.
Ohnehin gibt es für den Kampf gegen Luftverschmutzung ganz andere Motive als die Klimadebatte; es geht um Gesundheit und Lebensqualität. Das kann bezeugen, wer in den 1980er Jahren oder davor in Europa aufgewachsen ist. "Wenn ich mich erinnere, wie Städte bei uns damals noch gerochen haben, frage ich mich, wie wir das damals ausgehalten haben", sagt Hauke Schmidt.