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Das ist Freiheit

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"GTA V" ist eine Liebeserklärung an verzweifelte Kämpfer im allzu freien Amerika

Diese Geschichte beginnt mit einer großen Lüge. "Die Inhalte dieses Spiels sind frei erfunden", steht da, noch während der Installation.

Unsinn. Nichts ist erfunden an GTA V. Dieses Spiel erzählt vom Leben, 50 Stunden lang, wenn man sehr schnell und sehr versiert spielt. In aller Regel dauert der große Spaß aber erheblich länger.



Eine Szene aus dem neuen GTA V

GTA steht für Grand Theft Auto, das ist die amerikanische juristische Bezeichnung für Autodiebstahl. Und die Abkürzung steht für die vielleicht bekannteste Spielserie, die es jemals gab. Schon das erste Spiel aus der Serie, 1997 veröffentlicht brach radikal mit bekannten Prinzipien von Computerspielen. Stattdessen stellten die Programmierer eine Welt zur Verfügung, in der der Spieler tun und lassen konnte, was er wollte. Es gibt keine Levels und selbst vordefinierte Missionen, die der Spieler wählen kann, aber nicht muss, wie zum Beispiel "Fahre an einen bestimmten Punkt und klaue ein besonders tolles Auto" lassen sich auf verschiedenen Wegen bewerkstelligen. Blutig und brutal, sanft und klug, es bleibt dem Spieler überlassen, nur Fahrzeuge nimmt er fasst immer zur Hilfe und zwar meistens, indem er einen gerade des Wegs kommenden Wagen stoppt und stiehlt. So viel zum Titel.

Über die Jahre haben die Entwickler immer größere und bombastischere Spielwelten geschaffen. Sie haben sie immer mehr an tatsächlich existierende Städte angenähert und so findet sich der Spieler in GTA V in zwei kalifornischen Countys wieder und einer Megacity namens Los Santos. Wer Kalifornien und Los Angeles kennt, erkennt beides wieder in GTA V, und zwar auf eine Art, dass einem das Herz aufgeht. In der Morgensonne zum Observatorium in den Hügeln fahren, dann einen Ausflug zum Gettycenter über der Stadt, und zurück über den Motorway Richtung Venice Beach, wo man einzelne Straßenecken im Detail wieder erkennt. Das Spiel soll 260 Millionen Dollar gekostet haben, der Vorgängertitel wurde allein in der ersten Woche des Verkaufs sechs Millionen Mal verkauft, insgesamt sind über 25 Millionen Kopien verkauft worden. Damit spielt die GTA-Serie auf einem Level mit den teuersten Hollywood-Film-Produktionen.

Wer den Daumen auf dem Controller schnell genug bewegen kann, sollte gleich zu Beginn in den Flughafen einbrechen, die Polizei abhängen und die Spielwelt ein paar Mal mit einem Learjet überfliegen, es sind berückend schöne Szenen.

Zunächst aber beginnt die Geschichte mit einem blutigen Prolog, ein Bankraub irgendwo in der amerikanischen Provinz läuft schief, Gangster sterben im Kugelhagel oder werden verhaftet, und ehe die Handlung weitergeht, vergehen zehn Jahre. Jetzt treffen die Protagonisten des Bankraubs wieder aufeinander, in Kalifornien.

Da ist zum Beispiel Michael, der im Paradies in den Hügeln von Hollywood (im Spiel: Vinewood) lebt, und gleichzeitig in der Hölle. Er ist extrem reich und sicher im Zeugenschutzprogramm, aber seine Frau schläft mit dem Tennistrainer, seine Tochter verblödet vor dem Fernseher oder dreht Sexvideos und sein Sohn ist ein verweichlichter Übergewichtiger, der sein Leben nicht auf die Reihe bekommt. Da merkt man schnell, dass auch diese GTA -Folge wieder ein scharfsinniger, böser Kommentar zur amerikanischen Gegenwart ist. Kein Charakter spielt hier mit, der nicht mehrfach gebrochen wäre, kein Klischee über die westliche Gesellschaft gibt es, das hier nicht parodiert wird.

Eine Mission etwa verlangt vom Spieler in der Rolle von Michael, die neuste Apple Keynote auf brutale Weise zu sabotieren. Dazu ist zunächst ein Besuch in der Firma, die im Spiel anders heißt, notwendig. Und davor wiederum, muss sich die Spielfigur wie ein Hipster-Programmierer kleiden, sonst käme sie nicht in das Firmengebäude, in dem dann die IT-Welt bis ins Detail, einschließlich vieler "Keep Calm"-Poster, die sich in den letzten Jahren im Netz allergrößter Beliebtheit erfreuten.

Das neue iPhone wird dann, wenn die Mission gelingt, während seiner Vorstellung in die Luft gesprengt, der Firmenchef stirbt recht unappetitlich. Der Auftraggeber für diesen Mord, der live im Fernsehen übertragen wird, guckt nicht mal zu. "Ich hab die Märkte im Auge, das reicht", sagt er und lacht dreckig.

In solchen Szenen wird die Gesellschaft nicht ohne Verachtung seziert. Das Fernsehen, die IT-Branche, der Hype um die Digitaltechnik, die Filmindustrie, der Yoga-Wahn, der Umgang der Gesellschaft mit Armen und Kranken und klar, auch die Spielebranche, alles und jeder wird kommentiert, auch die Handlung des Spielers, dessen böse Taten im Radio kommentiert werden, im Fall des gesprengten Apple-Chefs sagt die Radiosprecherin: "Der wegen Datamining harsch kritisierte Firmenchef hat jetzt seine eigenen Daten über der gesamten Bühne verstreut."

Das ist bitterböser Humor, bisweilen auch recht ordinär, und das Dauergeballere mit Schrotflinten und Maschinengewehren ist auch ordentlich brutal. Doch ergibt sich über die Dauer des Spiels ein ironische, tiefgründige Betrachtung des modernen Amerika, verdichtet in einer Geschichte. Wäre GTA V ein Buch, es wäre von Jonathan Franzen und T.C.Boyle gemeinsam geschrieben worden.

Michael jedenfalls trifft zu Beginn des Spiels auf Franklin, in dessen Haut der Spieler ebenfalls schlüpfen kann.

Frankling kommt aus South LA, und ist umgeben von cracksüchtigen Frauen und durchgeknallten Gangsterfreunden. Sein Problem und gleichzeitig seine einzige Option ist es, den amerikanischen Traum zu leben. Er will raus aus dem Ghetto und ab nach Hollywood, Karrieren, die es in LA tatsächlich regelmäßig gibt. Kein Wunder, dass aus den 15 Radiosendern, die GTA-typisch aus den Autoradios dröhnen, oft der Rapper Dr. Dre dudelt, einer, der die Karriere von Compton nach Hollywood im echten Leben hinter sich gebracht hat.

Franklin will also dorthin, wo Michael schon sitzt, und auch wenn dieser ihm zunächst den Rat gibt, aufs College zu gehen, weil man in Folge "noch mehr Leute abzocken" könnte als als Gangster, nimmt das Unheil seinen Lauf. Denn Michael erinnert sich in Anbetracht des Kriminellen aus dem Ghetto dran, dass sein Leben erheblich aufregender war, als es statt Gin Tonics am Pool Banküberfälle in der Nacht gab. Zu den beiden gesellt sich mit Trevor noch eine dritte spielbare Figur, ein durchgeknallter Psychopath und Schwerkrimineller.

Und so ist das Spiel, trotz all dem Hass auch eine Liebeserklärung. An die Figuren, verzweifelte Kämpfer im allzu freien Amerika. Es ist eine Liebeserklärung an die USA, an Kalifornien im besonderen und es ist auch ein Porträt der amerikanischen Schmelztiegel-Stadt, Prototyp Los Angeles, in der sie alle aufeinandertreffen: die Junkies, die Stars werden und die Stars, die Junkies sind, und die Gangster, die Schauspieler sein möchten und die Schauspieler, die Gangster spielen.

Die Geschichte von GTA V lässt sich nicht nur aus den drei Perspektiven der Protagonisten spielen, sie lässt sich auch in unterschiedlichen Reihenfolgen erleben. Hier ist nichts mehr linear, selbst die Erzählstruktur von Quentin Tarantinos "Pulp Fiction" wirkt wie ein arg hilfloser Versuch, wenn sich Ereignisse im Medium Spiel tatsächlich anders anordnen lassen, als im Film. Das ist Freiheit, willkommen im amerikanischen Traum. Oder auch: Albtraum. 

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