Baden-Württembergs Parteien sind sich uneinig, wie die direkte Demokratie erleichtert werden soll
Es ist knapp zwei Jahre her, es war im Herbst 2011, da erlebte Baden-Württemberg einen Wahlkampf, der weit härter war als nun der vor der Bundestagswahl. Die Volksabstimmung über Stuttgart 21 erhitzte die Gemüter, zumindest in der Landeshauptstadt und der Umgebung. Am Ende sprachen sich die Bürger mit 58,8 Prozent klar für den Weiterbau des Bahnprojekts aus - oder genauer: gegen den Ausstieg des Landes. Und in einem immerhin waren sich Sieger und Verlierer, S-21-Befürworter und S-21-Gegner einig: Das Instrument Volksabstimmung ist akut reformbedürftig.
Anders als bei Volksentscheiden etwa in Bayern hätte für ein Nein zu Stuttgart21 eine einfache Mehrheit nämlich nicht gereicht. Im Südwesten gilt bei Volksabstimmungen auf Landesebene ein Quorum, das in Deutschland seinesgleichen sucht: Ein Drittel aller Wahlberechtigten hätte gegen den Tiefbahnhof stimmen müssen, damit das Nein wirksam wird. Wohlgemerkt: Nicht ein Drittel all jener Wähler, die tatsächlich zur Abstimmung gingen und ihr Kreuzchen machten. Sondern ein Drittel aller eingetragenen Wahlberechtigten im Land. Das wären 2,5 Millionen Menschen gewesen. Volksabstimmungen in Baden-Württemberg sind also kaum zu gewinnen.
Die Baustelle von Stuttgart 21. Die Aufnahme stammt vom Herbst 2012.
Die Ein-Drittel-Hürde sollte gesenkt werden, das war Konsens nach der Entscheidung über S21. Dafür ist eine Verfassungsänderung nötig, und für die wiederum braucht es eine Zweidrittelmehrheit im Landtag. Aber die Mehrheit zeichnete sich ab: Die Grünen und die SPD wollten runter auf ein Quorum von 20 Prozent, die FDP zeigte sich durchaus offen. Die CDU strebte zunächst eine vorsichtigere Senkung auf 25 Prozent an, ließ dann aber auch Bereitschaft für 20 Prozent erkennen. Trotz dieser günstigen Ausgangslage sieht es jetzt so aus, als würde sich erst mal gar nichts tun. Für die Grünen, die Baden-Württemberg zum Musterland der Bürgerbeteiligung machen wollen, ist das ein schwerer Schlag. In der Regierung wächst der Unmut über die CDU, die, so der Vorwurf, alle Reformbemühungen blockiere.
Schon früh hatte CDU-Fraktionschef Peter Hauk darauf bestanden, dass die Quorums-Senkung Teil eines Gesamtpakets für mehr direkte Demokratie sein müsse. Hauk will so sicherstellen, dass die CDU auch die neuen Partizipationsformate in den Kommunen beeinflussen kann - denn diese könnte Grün-Rot auch ohne Verfassungsänderung und damit ohne die Christdemokraten einführen. An einem großen Wurf ist auch der Regierung gelegen: Herzstück der Paketlösung soll der "Planungsleitfaden" für Großprojekte sein, dessen Entwurf die grüne Staatsrätin für Zivilgesellschaft, Gisela Erler, kürzlich präsentierte. Die Mitsprache der Bürger soll nach Erlers Wunsch künftig früher ansetzen, existierende Beteiligungsmöglichkeiten wie der öffentliche Erörterungstermin sollen ergänzt werden: durch Bürgerdialoge, runde Tische oder Projektbeiräte.
Die CDU will dem Leitfaden jedoch noch nicht zustimmen, weil er noch nicht von den einzelnen Ministerien abgesegnet wurde. Die Regierung hält das für eine ziemlich dreiste Verzögerungstaktik. Zumal die Opposition die bisweilen glücklose Staatsrätin Erler, eine langjährige Weggefährtin von Ministerpräsident Winfried Kretschmann, offensichtlich als verwundbare Stelle im Kabinett identifiziert hat. Dazu kommt, dass Grüne und SPD in einem Punkt auch untereinander noch keinen Kompromiss gefunden haben: Bei den kommunalen Reformen wollen die Grünen die Kompetenzen der Gemeinderäte stärker zugunsten der Bürger einschränken, als es der SPD lieb ist. Bürgerentscheide sollen nach dem Willen der Grünen auch in fortgeschrittenem Planungsstadium noch möglich sein. Die Genossen sorgen sich dagegen, dass sich irgendwann niemand mehr für ein Ehrenamt ohne echte Gestaltungschance hergibt.
Dieser Meinungsverschiedenheit wegen ist es für Grün-Rot nun gar nicht so angenehm, dass ein Bündnis aus den Naturschützern des BUND, den Gewerkschaftern des DGB und des Vereins Mehr Demokratie die Regierung dazu drängt, die Bürgerbeteiligung zunächst nur in den Kommunen zu verbessern - ohne Unterstützung der CDU. Für die Senkung des Quorums auf Landesebene solle die CDU dann einen eigenen Gesetzesentwurf vorlegen.
Es ist knapp zwei Jahre her, es war im Herbst 2011, da erlebte Baden-Württemberg einen Wahlkampf, der weit härter war als nun der vor der Bundestagswahl. Die Volksabstimmung über Stuttgart 21 erhitzte die Gemüter, zumindest in der Landeshauptstadt und der Umgebung. Am Ende sprachen sich die Bürger mit 58,8 Prozent klar für den Weiterbau des Bahnprojekts aus - oder genauer: gegen den Ausstieg des Landes. Und in einem immerhin waren sich Sieger und Verlierer, S-21-Befürworter und S-21-Gegner einig: Das Instrument Volksabstimmung ist akut reformbedürftig.
Anders als bei Volksentscheiden etwa in Bayern hätte für ein Nein zu Stuttgart21 eine einfache Mehrheit nämlich nicht gereicht. Im Südwesten gilt bei Volksabstimmungen auf Landesebene ein Quorum, das in Deutschland seinesgleichen sucht: Ein Drittel aller Wahlberechtigten hätte gegen den Tiefbahnhof stimmen müssen, damit das Nein wirksam wird. Wohlgemerkt: Nicht ein Drittel all jener Wähler, die tatsächlich zur Abstimmung gingen und ihr Kreuzchen machten. Sondern ein Drittel aller eingetragenen Wahlberechtigten im Land. Das wären 2,5 Millionen Menschen gewesen. Volksabstimmungen in Baden-Württemberg sind also kaum zu gewinnen.
Die Baustelle von Stuttgart 21. Die Aufnahme stammt vom Herbst 2012.
Die Ein-Drittel-Hürde sollte gesenkt werden, das war Konsens nach der Entscheidung über S21. Dafür ist eine Verfassungsänderung nötig, und für die wiederum braucht es eine Zweidrittelmehrheit im Landtag. Aber die Mehrheit zeichnete sich ab: Die Grünen und die SPD wollten runter auf ein Quorum von 20 Prozent, die FDP zeigte sich durchaus offen. Die CDU strebte zunächst eine vorsichtigere Senkung auf 25 Prozent an, ließ dann aber auch Bereitschaft für 20 Prozent erkennen. Trotz dieser günstigen Ausgangslage sieht es jetzt so aus, als würde sich erst mal gar nichts tun. Für die Grünen, die Baden-Württemberg zum Musterland der Bürgerbeteiligung machen wollen, ist das ein schwerer Schlag. In der Regierung wächst der Unmut über die CDU, die, so der Vorwurf, alle Reformbemühungen blockiere.
Schon früh hatte CDU-Fraktionschef Peter Hauk darauf bestanden, dass die Quorums-Senkung Teil eines Gesamtpakets für mehr direkte Demokratie sein müsse. Hauk will so sicherstellen, dass die CDU auch die neuen Partizipationsformate in den Kommunen beeinflussen kann - denn diese könnte Grün-Rot auch ohne Verfassungsänderung und damit ohne die Christdemokraten einführen. An einem großen Wurf ist auch der Regierung gelegen: Herzstück der Paketlösung soll der "Planungsleitfaden" für Großprojekte sein, dessen Entwurf die grüne Staatsrätin für Zivilgesellschaft, Gisela Erler, kürzlich präsentierte. Die Mitsprache der Bürger soll nach Erlers Wunsch künftig früher ansetzen, existierende Beteiligungsmöglichkeiten wie der öffentliche Erörterungstermin sollen ergänzt werden: durch Bürgerdialoge, runde Tische oder Projektbeiräte.
Die CDU will dem Leitfaden jedoch noch nicht zustimmen, weil er noch nicht von den einzelnen Ministerien abgesegnet wurde. Die Regierung hält das für eine ziemlich dreiste Verzögerungstaktik. Zumal die Opposition die bisweilen glücklose Staatsrätin Erler, eine langjährige Weggefährtin von Ministerpräsident Winfried Kretschmann, offensichtlich als verwundbare Stelle im Kabinett identifiziert hat. Dazu kommt, dass Grüne und SPD in einem Punkt auch untereinander noch keinen Kompromiss gefunden haben: Bei den kommunalen Reformen wollen die Grünen die Kompetenzen der Gemeinderäte stärker zugunsten der Bürger einschränken, als es der SPD lieb ist. Bürgerentscheide sollen nach dem Willen der Grünen auch in fortgeschrittenem Planungsstadium noch möglich sein. Die Genossen sorgen sich dagegen, dass sich irgendwann niemand mehr für ein Ehrenamt ohne echte Gestaltungschance hergibt.
Dieser Meinungsverschiedenheit wegen ist es für Grün-Rot nun gar nicht so angenehm, dass ein Bündnis aus den Naturschützern des BUND, den Gewerkschaftern des DGB und des Vereins Mehr Demokratie die Regierung dazu drängt, die Bürgerbeteiligung zunächst nur in den Kommunen zu verbessern - ohne Unterstützung der CDU. Für die Senkung des Quorums auf Landesebene solle die CDU dann einen eigenen Gesetzesentwurf vorlegen.