Roth weg, Künast weg, Trittin weg. Doch die Grünen wissen noch nicht so recht, auf wen sie setzen sollen. Nur eins ist klar: Zwei Frauen und zwei Männer werden es sein, zwei rechts, zwei links
Es ist schon ein paar Minuten nach 13 Uhr, als Jürgen Trittin langsam ungeduldig wird. Die Sitzung sollte eigentlich schon begonnen haben, es ist das erste Treffen der neuen Grünen-Bundestagsfraktion. Die alten, nicht mehr gewählten Abgeordneten sind auch noch mal dabei, deshalb ist man in einen anderen, größeren Saal im Reichstagsgebäude ausgewichen, bezeichnet als "Protokollsaal 1". Dort steht nun Trittin und sagt: "Wir sollten jetzt einfach anfangen." Die Frau neben ihm antwortet: "Das ist eine gute Idee."
Großer Abgang: Ein Großteil der grünen Führungsmannschaft ist nach der Wahlniederlage abgetreten.
Sie heißt Britta Haßelmann, ist 51 Jahre alt und will in der Fraktion Erste Parlamentarischen Geschäftsführerin werden. Sie würde in diesem Amt Volker Beck folgen, der es mehr als ein Jahrzehnt lang hatte, und insofern hat der kleine Dialog vor Beginn dieser Sitzung durchaus eine gewisse Symbolik: Die alte Führung will es hinter sich bringen, und die neue will jetzt endlich loslegen. Es gibt ja einiges zu tun.
Es sind Tage des Umbruchs bei den Grünen. Schon am Abend zuvor hat Parteichefin Claudia Roth erklärt, dass sie nicht mehr für das Amt der Parteichefin kandidieren wird. Auch Renate Künast zeiht sich aus der ersten Reihe zurück, sie wird sich nicht mehr für den Posten der Fraktionsvorsitzenden bewerben. Und nun, am frühen Dienstagnachmittag, richten sich die Augen der Abgeordneten auf Trittin. Was er wird er tun? Er liefert, als die Türen zum Sitzungssaal dann doch endlich geschlossen sind, eine ziemlich umfassende Analyse der Gründe für die Niederlage. Zum Steuerprogramm, das nun vor allem die Realos als Hauptgrund für die Niederlage ausgemacht haben, sagt er, es sei von der Partei ohne Gegenstimme beschlossen worden. Den Widerstand, der sich dagegen entwickeln sollte, habe man unterschätzt.
Dann, so schildern es Teilnehmer, tut er, was so viele von ihm erwartet hatten, auch innerhalb seines eigenen linken Flügels: Er kündigt an, nicht wieder anzutreten. Die Fraktion, sagt er, müsse sich für die Wahl 2017 neu aufstellen. Als er fertig ist, gibt es Applaus. Stehende Ovationen.
Beinahe zwei Stunden dauert es dann, bis Trittin das auch außerhalb des Saals erklärt, kurz und knapp in die Mikrofone und Kameras. Dort sagt er außerdem, dass er, falls es Sondierungsgespräche mit anderen Parteien gebe, diese auch führen werde. Das leite sich daraus ab, dass er ja Spitzenkandidat gewesen sei. Dann ist er fertig, Fragen sind nicht zugelassen, Trittin geht zurück in den Saal. Er lächelt dieses Lächeln, das er immer gelächelt hat und das immer alle als Beweis für eine gewisse Überheblichkeit gewertet haben. Wie lang es wohl diesmal dauert, bis die ersten zugeben, dass sie es vermissen?
Das ist ja letztlich immer so oder jedenfalls fast immer, wenn einer geht, und sei er noch so sehr Reizfigur gewesen. Später heißt es dann häufig, an ihm oder ihr habe man sich wenigstens noch reiben können. Klar ist aber, dass mit Trittins Rückzug eine Ära endet: Er war schon in der rot-grünen Bundesregierung Minister, verfeindet mit Joschka Fischer, der schon so lange weg ist und jetzt ein paar Zitaten im Spiegel noch mal kräftig nachgetreten hat. Mit Trittin geht der prominenteste Vertreter Generation, die, an der Universität politisiert, durch die Irrungen und Wirrungen des linken Spektrums zu den Grünen fand.
Wer ihm folgt? Wohl ein 43 Jahre alter Bayer: Anton, genannt Toni, Hofreiter, Doktor der Biologie, bislang Vorsitzender des Verkehrsausschusses, hat seit längerer Zeit innerhalb der Linken klargemacht, dass er das Amt will. In der Sitzung dauert es nach Trittins Erklärung zwar einige Zeit, aber dann ist auch Hofreiter dran, die Reihenfolge der Redebeiträge wird ausgelost. Am Ende seines Beitrags erklärt Hofreiter seine Bewerbung um den Fraktionsvorsitz, gegen viertel nach drei. Auch er bekommt Applaus. Ovationen allerdings muss er sich erst noch verdienen.
Hofreiter ist, rein optisch und sprachlich betrachtet, der Gegenentwurf zu Trittin. Während der norddeutsch näselt und vom Erscheinungsbild her mittlerweile auch in einen Konzernvorstand passen würde, versucht Hofreiter meist erst gar nicht groß am Hochdeutsch. Vor allem aber trägt er das blonde Haar so lang, dass man ihn glatt in eines dieser Fotos von der ersten Grünen-Bundestagsfraktion hineinmontieren könnte. Der Rauschebart allerdings fehlt, im Gesicht trägt er die Haare gestutzt. Politisch wiederum ist er von Trittin nicht weit weg - andernfalls hätte ihn der linke Flügel auch kaum akzeptiert. Im Gespräch ist Hofreiter schnell, mit ihm kann man ironisieren, er ist zur Analyse und vor allem zu eigenen Gedanken fähig. Davon wird er nun einige brauchen.
Die Doppelspitzen bei den Grünen sind stets fein austariert: Mann, Frau, Realo, Linke. Nachfolgerin Künast muss also eine Frau aus dem Realo-Flügel werden. Und da macht Katrin-Göring-Eckardt in der Fraktionssitzung schnell klar, dass sie künftig auf diesem Stuhl sitzen will: Es gelte nun, sagt sie, verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen. Dies sei, so wird es leicht umständlich aus dem Saal nach draußen kolportiert, eine Führungsaufgabe, für die sie gern Verantwortung übernähme. Göring-Eckardt tritt an.
Es gibt allerdings noch eine andere Kandidatin oder jedenfalls eine, die sich vorstellen könnte zu kandidieren: So ungefähr hat sich die Freiburgerin Kerstin Andreae am Abend vor der Sitzung auf dem Realo-Treffen erklärt - mit der Einschränkung, sie sei noch nicht entschieden. Andreae, 44, bislang stellvertretende Fraktionschefin, wolle erst noch ein Realotreffen am Freitag abarten, zu dem auch Vertreter aus den Bundesländern kommen sollen - so wird es vor der Sitzung kolportiert. Jetzt, die Sitzung läuft bereits fast eine Stunde, huscht sie kurz aus der Tür. Ob sie sich gleich erklären werde? "Wenn ich ausgelost werde", sagt sie. Dann eilt sie weiter.
Andreae gilt als Frau mit Kontakten in die Wirtschaft, besonders die mittelständische in Baden-Württemberg. Als Anfang Mai die Debatte über die Steuerpläne der Grünen losgebrochen war, überreichte ein Mittelstandsverband ihr in Berlin einen Preis. Das war lange vorher entschieden worden, nun war es für sie ein Besuch in der Höhle des Löwen. Sie machte das achtbar, ließ zwar erkennen, dass auch sie nicht vollends glücklich mit den Plänen war, fiel aber auch nicht ihrer Partei in den Rücken, um sich anzubiedern.
Nun wird sie möglicherweise gegen Göring-Eckardt antreten. Während der linke Flügel klare Verhältnisse schafft, ist die Lage bei den Realos erst mal unklar. Andreae ist im Sitzungssaal erst gegen viertel nach vier an der Reihe. Sie hält sich die Kandidatur offen. Sie wolle erst den Länderrat am Samstag abwarten, auch als Kleiner Parteitag bezeichnet. Am Montag wolle sie dann erklären, ob sie antrete. Die Frage des Fraktionsvorsitzes berühre die gesamte Partei, so wird sie von Teilnehmern zitiert, daher wolle sie erst die Debatte am Samstag abwarten.
Bei den Linken in der Partei gibt es bereits erste Anzeichen von Unmut über die Personalplanungen bei den Realos - schließlich hat am Vortag bereits Parteichef Cem Özdemir angekündigt, wieder für sein Amt zu kandidieren. Mit ihm und Göring-Eckardt, so die Argumentation mancher Linker, säßen, wenn es so kommt, zwei Leute in Spitzenpositionen, die eigentlich auch Verantwortung für dieses Wahlergebnis übernehmen könnten. Oder sollten. Vielleicht hat Göring-Eckardt es auch deshalb so eilig, ihren Anspruch anzumelden, obwohl sie sich mit Andreae noch nicht geeinigt hat: Sie weiß, dass der Unmut sich durchaus noch verbreitern könnte. Sie weiß allerdings auch, dass sie den Linken in der Fraktion deutlich lieber wäre als Andreae. Die gilt vielen auf dem linken Flügel als zu wirtschaftsliberal, während Göring-Eckardt etwa in der Sozialpolitik einen ordentlichen Schwenk nach links vollzogen hat.
Mit ihrer Ansage in der Fraktion hat Göring-Eckardt erst einmal Fakten geschaffen, und sie begegnet dem Anwurf, dass auch sie als bisherige Spitzenkandidatin ja Teil der für das Ergebnis verantwortlichen Riege sei, mit einiger Chuzpe. Es "müsse natürlich nach vorn weitergehen", sagt sie, als auch sie für eine kurze Erklärung aus dem Saal gekommen ist. Wenn man das etwas böswillig deuten möchte, könnte man es so übersetzen: Ich bin eben noch ein paar Jahre jünger. Bei manchen Linken bleibt trotzdem oder vielleicht gerade deshalb Unmut zurück - schließlich so heißt es, nehme man bei ihnen das Wort Verantwortung ernst: siehe Trittin, siehe Roth.
Allerdings ist, was Roths Nachfolge an der Parteispitze betrifft, auch eine Frau im Gespräch, die ebenfalls ihren Teil Verantwortung für das Wahlergebnis trägt: Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke, so heißt es, habe in den vergangenen Tagen ihre Chancen sondiert. Sie selbst sagt dazu nichts. Auch eine andere Kandidatin will sich keinesfalls zu ihren Ambitionen äußern: Simone Peter, 47, bis Anfang vergangenen Jahres Umweltministerin im Saarland. Sie gehört zum linken Flügel, aber derzeit nennen auch Realos wohlwollend ihren Namen. Sie habe sich, so wird es auch über sie berichtet, noch nicht entschieden.
Und dann ist da noch die Frage, wer Vizepräsidentin des Bundestags wird. Bislang war das Göring-Eckardt, aber die will ja jetzt Fraktionschefin werden. Ins Bundestagspräsidium wollen an ihrer Stelle nun zwei Frauen einziehen, die gerade erst ihren Abschied verkündet hatten: Claudia Roth und Renate Künast. Beide haben ihre Ambitionen auf dieses Amt ohne Macht angemeldet, das dafür viel Ansehen und eine üppige Ausstattung etwa mit Personal verspricht. Nur eine aber kann es werden, und nun sieht es am Dienstagnachmittag erst einmal so aus, als laufe das auf einen kleinen Kampf zu. Und das an einem Tag, an dem alle ständig vom Neuanfang reden. Bei den Grünen ist eben nie etwas einfach.
Es ist schon ein paar Minuten nach 13 Uhr, als Jürgen Trittin langsam ungeduldig wird. Die Sitzung sollte eigentlich schon begonnen haben, es ist das erste Treffen der neuen Grünen-Bundestagsfraktion. Die alten, nicht mehr gewählten Abgeordneten sind auch noch mal dabei, deshalb ist man in einen anderen, größeren Saal im Reichstagsgebäude ausgewichen, bezeichnet als "Protokollsaal 1". Dort steht nun Trittin und sagt: "Wir sollten jetzt einfach anfangen." Die Frau neben ihm antwortet: "Das ist eine gute Idee."
Großer Abgang: Ein Großteil der grünen Führungsmannschaft ist nach der Wahlniederlage abgetreten.
Sie heißt Britta Haßelmann, ist 51 Jahre alt und will in der Fraktion Erste Parlamentarischen Geschäftsführerin werden. Sie würde in diesem Amt Volker Beck folgen, der es mehr als ein Jahrzehnt lang hatte, und insofern hat der kleine Dialog vor Beginn dieser Sitzung durchaus eine gewisse Symbolik: Die alte Führung will es hinter sich bringen, und die neue will jetzt endlich loslegen. Es gibt ja einiges zu tun.
Es sind Tage des Umbruchs bei den Grünen. Schon am Abend zuvor hat Parteichefin Claudia Roth erklärt, dass sie nicht mehr für das Amt der Parteichefin kandidieren wird. Auch Renate Künast zeiht sich aus der ersten Reihe zurück, sie wird sich nicht mehr für den Posten der Fraktionsvorsitzenden bewerben. Und nun, am frühen Dienstagnachmittag, richten sich die Augen der Abgeordneten auf Trittin. Was er wird er tun? Er liefert, als die Türen zum Sitzungssaal dann doch endlich geschlossen sind, eine ziemlich umfassende Analyse der Gründe für die Niederlage. Zum Steuerprogramm, das nun vor allem die Realos als Hauptgrund für die Niederlage ausgemacht haben, sagt er, es sei von der Partei ohne Gegenstimme beschlossen worden. Den Widerstand, der sich dagegen entwickeln sollte, habe man unterschätzt.
Dann, so schildern es Teilnehmer, tut er, was so viele von ihm erwartet hatten, auch innerhalb seines eigenen linken Flügels: Er kündigt an, nicht wieder anzutreten. Die Fraktion, sagt er, müsse sich für die Wahl 2017 neu aufstellen. Als er fertig ist, gibt es Applaus. Stehende Ovationen.
Beinahe zwei Stunden dauert es dann, bis Trittin das auch außerhalb des Saals erklärt, kurz und knapp in die Mikrofone und Kameras. Dort sagt er außerdem, dass er, falls es Sondierungsgespräche mit anderen Parteien gebe, diese auch führen werde. Das leite sich daraus ab, dass er ja Spitzenkandidat gewesen sei. Dann ist er fertig, Fragen sind nicht zugelassen, Trittin geht zurück in den Saal. Er lächelt dieses Lächeln, das er immer gelächelt hat und das immer alle als Beweis für eine gewisse Überheblichkeit gewertet haben. Wie lang es wohl diesmal dauert, bis die ersten zugeben, dass sie es vermissen?
Das ist ja letztlich immer so oder jedenfalls fast immer, wenn einer geht, und sei er noch so sehr Reizfigur gewesen. Später heißt es dann häufig, an ihm oder ihr habe man sich wenigstens noch reiben können. Klar ist aber, dass mit Trittins Rückzug eine Ära endet: Er war schon in der rot-grünen Bundesregierung Minister, verfeindet mit Joschka Fischer, der schon so lange weg ist und jetzt ein paar Zitaten im Spiegel noch mal kräftig nachgetreten hat. Mit Trittin geht der prominenteste Vertreter Generation, die, an der Universität politisiert, durch die Irrungen und Wirrungen des linken Spektrums zu den Grünen fand.
Wer ihm folgt? Wohl ein 43 Jahre alter Bayer: Anton, genannt Toni, Hofreiter, Doktor der Biologie, bislang Vorsitzender des Verkehrsausschusses, hat seit längerer Zeit innerhalb der Linken klargemacht, dass er das Amt will. In der Sitzung dauert es nach Trittins Erklärung zwar einige Zeit, aber dann ist auch Hofreiter dran, die Reihenfolge der Redebeiträge wird ausgelost. Am Ende seines Beitrags erklärt Hofreiter seine Bewerbung um den Fraktionsvorsitz, gegen viertel nach drei. Auch er bekommt Applaus. Ovationen allerdings muss er sich erst noch verdienen.
Hofreiter ist, rein optisch und sprachlich betrachtet, der Gegenentwurf zu Trittin. Während der norddeutsch näselt und vom Erscheinungsbild her mittlerweile auch in einen Konzernvorstand passen würde, versucht Hofreiter meist erst gar nicht groß am Hochdeutsch. Vor allem aber trägt er das blonde Haar so lang, dass man ihn glatt in eines dieser Fotos von der ersten Grünen-Bundestagsfraktion hineinmontieren könnte. Der Rauschebart allerdings fehlt, im Gesicht trägt er die Haare gestutzt. Politisch wiederum ist er von Trittin nicht weit weg - andernfalls hätte ihn der linke Flügel auch kaum akzeptiert. Im Gespräch ist Hofreiter schnell, mit ihm kann man ironisieren, er ist zur Analyse und vor allem zu eigenen Gedanken fähig. Davon wird er nun einige brauchen.
Die Doppelspitzen bei den Grünen sind stets fein austariert: Mann, Frau, Realo, Linke. Nachfolgerin Künast muss also eine Frau aus dem Realo-Flügel werden. Und da macht Katrin-Göring-Eckardt in der Fraktionssitzung schnell klar, dass sie künftig auf diesem Stuhl sitzen will: Es gelte nun, sagt sie, verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen. Dies sei, so wird es leicht umständlich aus dem Saal nach draußen kolportiert, eine Führungsaufgabe, für die sie gern Verantwortung übernähme. Göring-Eckardt tritt an.
Es gibt allerdings noch eine andere Kandidatin oder jedenfalls eine, die sich vorstellen könnte zu kandidieren: So ungefähr hat sich die Freiburgerin Kerstin Andreae am Abend vor der Sitzung auf dem Realo-Treffen erklärt - mit der Einschränkung, sie sei noch nicht entschieden. Andreae, 44, bislang stellvertretende Fraktionschefin, wolle erst noch ein Realotreffen am Freitag abarten, zu dem auch Vertreter aus den Bundesländern kommen sollen - so wird es vor der Sitzung kolportiert. Jetzt, die Sitzung läuft bereits fast eine Stunde, huscht sie kurz aus der Tür. Ob sie sich gleich erklären werde? "Wenn ich ausgelost werde", sagt sie. Dann eilt sie weiter.
Andreae gilt als Frau mit Kontakten in die Wirtschaft, besonders die mittelständische in Baden-Württemberg. Als Anfang Mai die Debatte über die Steuerpläne der Grünen losgebrochen war, überreichte ein Mittelstandsverband ihr in Berlin einen Preis. Das war lange vorher entschieden worden, nun war es für sie ein Besuch in der Höhle des Löwen. Sie machte das achtbar, ließ zwar erkennen, dass auch sie nicht vollends glücklich mit den Plänen war, fiel aber auch nicht ihrer Partei in den Rücken, um sich anzubiedern.
Nun wird sie möglicherweise gegen Göring-Eckardt antreten. Während der linke Flügel klare Verhältnisse schafft, ist die Lage bei den Realos erst mal unklar. Andreae ist im Sitzungssaal erst gegen viertel nach vier an der Reihe. Sie hält sich die Kandidatur offen. Sie wolle erst den Länderrat am Samstag abwarten, auch als Kleiner Parteitag bezeichnet. Am Montag wolle sie dann erklären, ob sie antrete. Die Frage des Fraktionsvorsitzes berühre die gesamte Partei, so wird sie von Teilnehmern zitiert, daher wolle sie erst die Debatte am Samstag abwarten.
Bei den Linken in der Partei gibt es bereits erste Anzeichen von Unmut über die Personalplanungen bei den Realos - schließlich hat am Vortag bereits Parteichef Cem Özdemir angekündigt, wieder für sein Amt zu kandidieren. Mit ihm und Göring-Eckardt, so die Argumentation mancher Linker, säßen, wenn es so kommt, zwei Leute in Spitzenpositionen, die eigentlich auch Verantwortung für dieses Wahlergebnis übernehmen könnten. Oder sollten. Vielleicht hat Göring-Eckardt es auch deshalb so eilig, ihren Anspruch anzumelden, obwohl sie sich mit Andreae noch nicht geeinigt hat: Sie weiß, dass der Unmut sich durchaus noch verbreitern könnte. Sie weiß allerdings auch, dass sie den Linken in der Fraktion deutlich lieber wäre als Andreae. Die gilt vielen auf dem linken Flügel als zu wirtschaftsliberal, während Göring-Eckardt etwa in der Sozialpolitik einen ordentlichen Schwenk nach links vollzogen hat.
Mit ihrer Ansage in der Fraktion hat Göring-Eckardt erst einmal Fakten geschaffen, und sie begegnet dem Anwurf, dass auch sie als bisherige Spitzenkandidatin ja Teil der für das Ergebnis verantwortlichen Riege sei, mit einiger Chuzpe. Es "müsse natürlich nach vorn weitergehen", sagt sie, als auch sie für eine kurze Erklärung aus dem Saal gekommen ist. Wenn man das etwas böswillig deuten möchte, könnte man es so übersetzen: Ich bin eben noch ein paar Jahre jünger. Bei manchen Linken bleibt trotzdem oder vielleicht gerade deshalb Unmut zurück - schließlich so heißt es, nehme man bei ihnen das Wort Verantwortung ernst: siehe Trittin, siehe Roth.
Allerdings ist, was Roths Nachfolge an der Parteispitze betrifft, auch eine Frau im Gespräch, die ebenfalls ihren Teil Verantwortung für das Wahlergebnis trägt: Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke, so heißt es, habe in den vergangenen Tagen ihre Chancen sondiert. Sie selbst sagt dazu nichts. Auch eine andere Kandidatin will sich keinesfalls zu ihren Ambitionen äußern: Simone Peter, 47, bis Anfang vergangenen Jahres Umweltministerin im Saarland. Sie gehört zum linken Flügel, aber derzeit nennen auch Realos wohlwollend ihren Namen. Sie habe sich, so wird es auch über sie berichtet, noch nicht entschieden.
Und dann ist da noch die Frage, wer Vizepräsidentin des Bundestags wird. Bislang war das Göring-Eckardt, aber die will ja jetzt Fraktionschefin werden. Ins Bundestagspräsidium wollen an ihrer Stelle nun zwei Frauen einziehen, die gerade erst ihren Abschied verkündet hatten: Claudia Roth und Renate Künast. Beide haben ihre Ambitionen auf dieses Amt ohne Macht angemeldet, das dafür viel Ansehen und eine üppige Ausstattung etwa mit Personal verspricht. Nur eine aber kann es werden, und nun sieht es am Dienstagnachmittag erst einmal so aus, als laufe das auf einen kleinen Kampf zu. Und das an einem Tag, an dem alle ständig vom Neuanfang reden. Bei den Grünen ist eben nie etwas einfach.