Alles halb so schlimm ist schlimm genug, denn es gibt bestenfalls eine Pause bei der Erwärmung
Vermutlich hätten die meisten Klimaforscher lieber nicht recht. Gewiss, das wäre peinlich, aber dann bliebe der Welt auch der Klimawandel erspart, die weitere Erwärmung um vielleicht drei oder vier Grad, der ausbleibende Regen über afrikanischen Feldern, die Hitzewellen in Europa, die sintflutartigen Niederschläge in Amerika, die verstärkten Taifune auf den Philippinen und die versinkenden Landstriche in Bangladesch. Aber leider können sich die Forscher nicht der Parole anschließen, die konservativ-libertäre Lobbygruppen in den USA für Klimawandelleugner in aller Welt ausgegeben haben: Dass die globale Erwärmung ausfällt, weil die Thermometer in den vergangenen 15 Jahren nicht so stark angestiegen sind, wie es die Klimaforscher erwartet hatten.
Ein riesiges Eisstück bricht vom Perito Moreno Gletscher in Patagonien ab (Archivbild von 2007)- Bilder wie dieses gehören leider nicht der Vergangenheit an
Der Weltklimarat, das von den Vereinten Nationen eingesetzte International Panel on Climate Change IPCC, ist diesem Eindruck in der am Freitag veröffentlichten Zusammenfassung seines Berichts entgegengetreten. Er hat zwar eingeräumt, dass sich die Oberfläche der Erde seit 1998 statt um 0,12 Grad Celsius pro Jahrzehnt nur um 0,05 Grad pro Dekade erwärmt. Das Wissenschaftlergremium verkündet aber zugleich, es habe keine Zweifel, dass die verzögerte Erwärmung in einigen Jahren weiter gehen wird. "Der Klimawandel ist die größte Herausforderung unserer Zeit", sagte Thomas Stocker, der Vorsitzende der IPCC-Arbeitsgruppe, bei der Vorstellung in Stockholm.
Laut dem Weltklimarat kann es kaum noch Zweifel daran geben, dass die Menschheit einen dominanten Einfluss bei der globalen Veränderung hat. Sie habe mehr als die Hälfte der Erwärmung seit der Mitte des 20. Jahrhunderts ausgelöst. Die Chance, dass sich die Forscher in diesem Punkt irren, betrage jetzt weniger als fünf Prozent, heißt es in dem Report. Das ist die gleiche Gewissheit, mit der Mediziner erklären, Zigaretten verursachten Lungenkrebs. Der IPCC nennt diese Stufe der Erkenntnis "extrem wahrscheinlich".
Viele der Aussagen in dem Bericht formulieren die Forscher mit ähnlicher Prägnanz. Es sei sehr wahrscheinlich, dass es gegen Ende des Jahrhunderts mehr und längere Hitzewellen und Starkregenfälle gebe. Viele Regionen müssten damit rechnen, dass die Ozeane an ihren Küsten, etwa bei Stürmen, extrem anstiegen. Und es sei nahezu sicher, dass weniger kalte und mehr heiße Tage und Nächte vorkommen.
Nachdem sich die Erde bis zum Jahr 2012 bereits im 0,85 Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit erwärmt hat, ist mit steigenden Temperaturen noch bis ins 22.Jahrhundert zu rechnen. Nur in einem der vier Szenarien, die der IPCC auf Supercomputern hat durchrechnen lassen, bekommt die Menschheit den Klimawandel in diesem Jahrhundert einigermaßen in den Griff. Dieses sieht voraus, dass die Thermometer bis zum Zeitraum 2081 bis 2100 um ein weiteres Grad Celsius ansteigen; damit ließe sich die international vereinbarte Zwei-Grad-Grenze der gesamten Erwärmung noch einhalten. Es setzt aber einen ehrgeizigen Klimaschutz voraus. "Dafür müssten wir alle Maßnahmen umsetzen, die wir im Arsenal haben", sagt Jochem Marotzke vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg, der als koordinierender Leitautor zur Abstimmung der Zusammenfassung in Stockholm war.
Daneben gibt es aber auch ein Szenario, das praktisch keinen Klimaschutz vorsieht. Es enthält eine weitere Erwärmung von 3,7 Grad; wegen statistischer Unsicherheiten könnten es aber auch 4,8 Grad werden. Solche Aussagen des IPCC, die er der wissenschaftlichen Präzision zuliebe einführt, werden oft missverstanden. Schöpft man diese Unsicherheiten aller Szenarien voll aus, ließe sich die Aussage des Weltklimarats als Erwärmung zwischen 0,3 und 4,8 Grad darstellen. Das klingt so unbestimmt, als wüssten die Forscher eigentlich kaum etwas über die Zukunft. Tatsächlich liegen der breiten Spanne aber vier verschiedene Szenarien zugrunde, wie sich die Emissionen der Treibhausgase in Zukunft entwickeln.
Diese wissenschaftliche Präzision haben in Stockholm offenbar die Vertreter mancher Regierungen für ihre politischen Ziele ausgenützt. Sie mussten die Zusammenfassung dort beglaubigen, damit sie internationale Gültigkeit bekommt. So wollten die Forscher zum Beispiel in die Zusammenfassung schreiben, dass sich im ehrgeizigen Szenario die Menge des freigesetzten Kohlendioxids bis 2050 halbieren müsse, erzählt Marotzke. Die saudische Delegation habe aber in einer Nachtsitzung darauf bestanden, stattdessen dort Reduktionen "von 14 bis 96 Prozent" aufzunehmen.
Ähnliche Kompromisse zwischen Regierungsdelegationen und Wissenschaftlern habe es bei einer Aussage über das Szenario ohne Klimaschutz gegeben, berichtet Ulrich Cubasch von der Freien Universität Berlin. Dort stellt die Zusammenfassung nun heraus, es sei "wahrscheinlich", dass es zu einer Erwärmung von mehr als zwei Grad gegen über dem Ende des 19. Jahrhundert führen werde. "Das ist technisch richtig, verschweigt aber, dass es mehr als vier Grad werden könnten."
In der Frage der angeblichen Erwärmungspause hat es hingegen keine politische Einflussnahme gegeben, berichten die Forscher aus Stockholm. Vorberichte hatten den Eindruck erweckt, die deutsche Regierungs-Delegation wolle die Entwicklung unter den Teppich kehren. Das bestreiten sowohl Marotzke wie Cubasch. Die Zusammenfassung enthält zwar nicht das genannte Wort "hiatus" (engl. für Auszeit, Pause), aber das habe auch niemals in den Entwürfen gestanden. "Kurzfristige Veränderungen haben eben wenig Relevanz für die Beurteilung der langfristigen Trends", sagt Marotzke.
Der IPCC sieht die Ursache für die verlangsamte Erwärmung nun vor allem bei natürlichen Fluktuationen mit einem Rhythmus von etwa einem Jahrzehnt. "Auf diese Schwankungen hat der Weltklimarat diesmal eine größere Aufmerksamkeit gelegt als beim letzten Bericht 2007", sagt Monika Rhein von der Universität Bremen, ebenfalls als koordinierende Leitautorin in Stockholm dabei. Die wichtigste davon sind vertikale Meeresströmungen im Pazifik, die offenbar in den vergangenen Jahren verstärkt warmes Wasser von der Oberfläche in die Tiefe gebracht und dafür kühleres nach oben getrieben haben.
Dass der Klimawandel deswegen nicht aufhört, sehe man bei einem Blick auf das ganze Bild, sagt Guy Brasseur vom Hamburger Climate Service Center: "Die Verlangsamung betrifft nur die Bodentemperaturen, aber andere Größen ändern sich ungebremst weiter, zum Beispiel geht das Meereis in der Arktis zurück und der Meeresspiegel steigt weiter an."
Vermutlich hätten die meisten Klimaforscher lieber nicht recht. Gewiss, das wäre peinlich, aber dann bliebe der Welt auch der Klimawandel erspart, die weitere Erwärmung um vielleicht drei oder vier Grad, der ausbleibende Regen über afrikanischen Feldern, die Hitzewellen in Europa, die sintflutartigen Niederschläge in Amerika, die verstärkten Taifune auf den Philippinen und die versinkenden Landstriche in Bangladesch. Aber leider können sich die Forscher nicht der Parole anschließen, die konservativ-libertäre Lobbygruppen in den USA für Klimawandelleugner in aller Welt ausgegeben haben: Dass die globale Erwärmung ausfällt, weil die Thermometer in den vergangenen 15 Jahren nicht so stark angestiegen sind, wie es die Klimaforscher erwartet hatten.
Ein riesiges Eisstück bricht vom Perito Moreno Gletscher in Patagonien ab (Archivbild von 2007)- Bilder wie dieses gehören leider nicht der Vergangenheit an
Der Weltklimarat, das von den Vereinten Nationen eingesetzte International Panel on Climate Change IPCC, ist diesem Eindruck in der am Freitag veröffentlichten Zusammenfassung seines Berichts entgegengetreten. Er hat zwar eingeräumt, dass sich die Oberfläche der Erde seit 1998 statt um 0,12 Grad Celsius pro Jahrzehnt nur um 0,05 Grad pro Dekade erwärmt. Das Wissenschaftlergremium verkündet aber zugleich, es habe keine Zweifel, dass die verzögerte Erwärmung in einigen Jahren weiter gehen wird. "Der Klimawandel ist die größte Herausforderung unserer Zeit", sagte Thomas Stocker, der Vorsitzende der IPCC-Arbeitsgruppe, bei der Vorstellung in Stockholm.
Laut dem Weltklimarat kann es kaum noch Zweifel daran geben, dass die Menschheit einen dominanten Einfluss bei der globalen Veränderung hat. Sie habe mehr als die Hälfte der Erwärmung seit der Mitte des 20. Jahrhunderts ausgelöst. Die Chance, dass sich die Forscher in diesem Punkt irren, betrage jetzt weniger als fünf Prozent, heißt es in dem Report. Das ist die gleiche Gewissheit, mit der Mediziner erklären, Zigaretten verursachten Lungenkrebs. Der IPCC nennt diese Stufe der Erkenntnis "extrem wahrscheinlich".
Viele der Aussagen in dem Bericht formulieren die Forscher mit ähnlicher Prägnanz. Es sei sehr wahrscheinlich, dass es gegen Ende des Jahrhunderts mehr und längere Hitzewellen und Starkregenfälle gebe. Viele Regionen müssten damit rechnen, dass die Ozeane an ihren Küsten, etwa bei Stürmen, extrem anstiegen. Und es sei nahezu sicher, dass weniger kalte und mehr heiße Tage und Nächte vorkommen.
Nachdem sich die Erde bis zum Jahr 2012 bereits im 0,85 Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit erwärmt hat, ist mit steigenden Temperaturen noch bis ins 22.Jahrhundert zu rechnen. Nur in einem der vier Szenarien, die der IPCC auf Supercomputern hat durchrechnen lassen, bekommt die Menschheit den Klimawandel in diesem Jahrhundert einigermaßen in den Griff. Dieses sieht voraus, dass die Thermometer bis zum Zeitraum 2081 bis 2100 um ein weiteres Grad Celsius ansteigen; damit ließe sich die international vereinbarte Zwei-Grad-Grenze der gesamten Erwärmung noch einhalten. Es setzt aber einen ehrgeizigen Klimaschutz voraus. "Dafür müssten wir alle Maßnahmen umsetzen, die wir im Arsenal haben", sagt Jochem Marotzke vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg, der als koordinierender Leitautor zur Abstimmung der Zusammenfassung in Stockholm war.
Daneben gibt es aber auch ein Szenario, das praktisch keinen Klimaschutz vorsieht. Es enthält eine weitere Erwärmung von 3,7 Grad; wegen statistischer Unsicherheiten könnten es aber auch 4,8 Grad werden. Solche Aussagen des IPCC, die er der wissenschaftlichen Präzision zuliebe einführt, werden oft missverstanden. Schöpft man diese Unsicherheiten aller Szenarien voll aus, ließe sich die Aussage des Weltklimarats als Erwärmung zwischen 0,3 und 4,8 Grad darstellen. Das klingt so unbestimmt, als wüssten die Forscher eigentlich kaum etwas über die Zukunft. Tatsächlich liegen der breiten Spanne aber vier verschiedene Szenarien zugrunde, wie sich die Emissionen der Treibhausgase in Zukunft entwickeln.
Diese wissenschaftliche Präzision haben in Stockholm offenbar die Vertreter mancher Regierungen für ihre politischen Ziele ausgenützt. Sie mussten die Zusammenfassung dort beglaubigen, damit sie internationale Gültigkeit bekommt. So wollten die Forscher zum Beispiel in die Zusammenfassung schreiben, dass sich im ehrgeizigen Szenario die Menge des freigesetzten Kohlendioxids bis 2050 halbieren müsse, erzählt Marotzke. Die saudische Delegation habe aber in einer Nachtsitzung darauf bestanden, stattdessen dort Reduktionen "von 14 bis 96 Prozent" aufzunehmen.
Ähnliche Kompromisse zwischen Regierungsdelegationen und Wissenschaftlern habe es bei einer Aussage über das Szenario ohne Klimaschutz gegeben, berichtet Ulrich Cubasch von der Freien Universität Berlin. Dort stellt die Zusammenfassung nun heraus, es sei "wahrscheinlich", dass es zu einer Erwärmung von mehr als zwei Grad gegen über dem Ende des 19. Jahrhundert führen werde. "Das ist technisch richtig, verschweigt aber, dass es mehr als vier Grad werden könnten."
In der Frage der angeblichen Erwärmungspause hat es hingegen keine politische Einflussnahme gegeben, berichten die Forscher aus Stockholm. Vorberichte hatten den Eindruck erweckt, die deutsche Regierungs-Delegation wolle die Entwicklung unter den Teppich kehren. Das bestreiten sowohl Marotzke wie Cubasch. Die Zusammenfassung enthält zwar nicht das genannte Wort "hiatus" (engl. für Auszeit, Pause), aber das habe auch niemals in den Entwürfen gestanden. "Kurzfristige Veränderungen haben eben wenig Relevanz für die Beurteilung der langfristigen Trends", sagt Marotzke.
Der IPCC sieht die Ursache für die verlangsamte Erwärmung nun vor allem bei natürlichen Fluktuationen mit einem Rhythmus von etwa einem Jahrzehnt. "Auf diese Schwankungen hat der Weltklimarat diesmal eine größere Aufmerksamkeit gelegt als beim letzten Bericht 2007", sagt Monika Rhein von der Universität Bremen, ebenfalls als koordinierende Leitautorin in Stockholm dabei. Die wichtigste davon sind vertikale Meeresströmungen im Pazifik, die offenbar in den vergangenen Jahren verstärkt warmes Wasser von der Oberfläche in die Tiefe gebracht und dafür kühleres nach oben getrieben haben.
Dass der Klimawandel deswegen nicht aufhört, sehe man bei einem Blick auf das ganze Bild, sagt Guy Brasseur vom Hamburger Climate Service Center: "Die Verlangsamung betrifft nur die Bodentemperaturen, aber andere Größen ändern sich ungebremst weiter, zum Beispiel geht das Meereis in der Arktis zurück und der Meeresspiegel steigt weiter an."