Vergeblich hat sich ein Jugendsozialwerk gegen dunkle Schatten aus der Vergangenheit zu wehren versucht. Die Organisation wollte vor dem Landgericht MünchenI dem Onlinearchiv der Wochenzeitung Die Zeit verbieten lassen, einen 34 Jahre alten Skandalbericht über den Gründer der "Salem-Bruderschaft" durch das Internet zugänglich zu machen. Die Pressekammer hat die Klage nun aber abgewiesen: Originalberichte über zeitgeschichtliche Ereignisse müssen weiterhin einsehbar sein, meint das Gericht.
Nikolaus Brender im Januar 2002 in Frankfurt am Main.
Auslöser des Rechtsstreits war ein kritischen Artikel von 1979 des späteren ZDF-Chefredakteurs Nikolaus Brender, durch den sich das Sozialwerk aktuell an den Pranger gestellt sieht: Da die Zeit ihr Archiv digitalisiert und online gestellt habe, tauche der uralte Bericht bei Suchen über Internetsuchmaschinen wie Google wieder auf.
Unter der Überschrift "Gottfried Müllers kleine Pimpfe" hatte Brender damals über fragwürdige Ansichten des Gründers der Salem-Bruderschaft geschrieben (die in keinem Zusammenhang mit dem Eliteinternat Salem am Bodensee steht). Der Journalist nannte das Erziehungskonzept Müllers "ein übles Gemisch aus religiösem Sektierertum, Blut- und Bodenmystik und überständigem Gedankengut". Das Berliner Jugendamt hatte damals daher die Einweisung von Heimkindern in Salem-Dörfer gestoppt.
Die Bruderschaft firmiert seit 2009 als "Salem International". Die in Höchheim, Unterfranken, ansässige GmbH unterhält Kinder- und Jugenddörfer im In- und Ausland, finanziert durch Spenden und Gelder von Jugendbehörden. Der Brender-Artikel sei "überholt und daher aktuell unwahr", sagte die Organisation nun vor Gericht. Das Bereithalten des Artikels sei unzulässig, da der falsche Eindruck erweckt werde, dass Jugendämter dem Werk nach wie vor keine Kinder mehr anvertrauen. Der Artikel dürfe nicht mehr im Internet erscheinen, verlangte die GmbH. Das Zeit-Archiv konterte, dass der damals aufgegriffene Skandal bis in die heutige Zeit von politischer und gesellschaftlicher Bedeutung sei, wie aktuelle Diskussionen über die Erziehungseinrichtungen der Fünfziger- bis Siebzigerjahre zeigten.
Das Gericht stellt nun in seinem Urteil fest, dass selbst unbefangene Leser leicht erkennen können, dass es sich um jahrzehntealte "Archiv-Berichterstattung" handelt. Hier gehe es um den Umgang der Behörden mit Erziehungseinrichtungen der Nachkriegszeit als zeitgeschichtliches Ereignis. "Das ist im Zusammenhang mit der Aufarbeitung des Erziehungswesens jener Zeit auch heute noch von öffentlichem Interesse, welches das Persönlichkeitsrecht der Klägerin überwiegt", sagt die Kammer. Zumal Brender damals unstreitig wahre Tatsachenbehauptungen geschrieben und diese in zulässiger Weise bewertet habe. Das Urteil (Az.:9O18516/13) ist noch nicht rechtskräftig.
Das Urteil kollidiert nicht mit dem von EU-Kommissarin Viviane Reding geforderte "Recht auf Vergessen" im Internet: Diese Forderung beziehe sich nicht auf Pressearchive, hat Reding deutlich gemacht. Ihr Vorstoß zielt vor allem auf soziale Netzwerke wie Facebook.
Nikolaus Brender im Januar 2002 in Frankfurt am Main.
Auslöser des Rechtsstreits war ein kritischen Artikel von 1979 des späteren ZDF-Chefredakteurs Nikolaus Brender, durch den sich das Sozialwerk aktuell an den Pranger gestellt sieht: Da die Zeit ihr Archiv digitalisiert und online gestellt habe, tauche der uralte Bericht bei Suchen über Internetsuchmaschinen wie Google wieder auf.
Unter der Überschrift "Gottfried Müllers kleine Pimpfe" hatte Brender damals über fragwürdige Ansichten des Gründers der Salem-Bruderschaft geschrieben (die in keinem Zusammenhang mit dem Eliteinternat Salem am Bodensee steht). Der Journalist nannte das Erziehungskonzept Müllers "ein übles Gemisch aus religiösem Sektierertum, Blut- und Bodenmystik und überständigem Gedankengut". Das Berliner Jugendamt hatte damals daher die Einweisung von Heimkindern in Salem-Dörfer gestoppt.
Die Bruderschaft firmiert seit 2009 als "Salem International". Die in Höchheim, Unterfranken, ansässige GmbH unterhält Kinder- und Jugenddörfer im In- und Ausland, finanziert durch Spenden und Gelder von Jugendbehörden. Der Brender-Artikel sei "überholt und daher aktuell unwahr", sagte die Organisation nun vor Gericht. Das Bereithalten des Artikels sei unzulässig, da der falsche Eindruck erweckt werde, dass Jugendämter dem Werk nach wie vor keine Kinder mehr anvertrauen. Der Artikel dürfe nicht mehr im Internet erscheinen, verlangte die GmbH. Das Zeit-Archiv konterte, dass der damals aufgegriffene Skandal bis in die heutige Zeit von politischer und gesellschaftlicher Bedeutung sei, wie aktuelle Diskussionen über die Erziehungseinrichtungen der Fünfziger- bis Siebzigerjahre zeigten.
Das Gericht stellt nun in seinem Urteil fest, dass selbst unbefangene Leser leicht erkennen können, dass es sich um jahrzehntealte "Archiv-Berichterstattung" handelt. Hier gehe es um den Umgang der Behörden mit Erziehungseinrichtungen der Nachkriegszeit als zeitgeschichtliches Ereignis. "Das ist im Zusammenhang mit der Aufarbeitung des Erziehungswesens jener Zeit auch heute noch von öffentlichem Interesse, welches das Persönlichkeitsrecht der Klägerin überwiegt", sagt die Kammer. Zumal Brender damals unstreitig wahre Tatsachenbehauptungen geschrieben und diese in zulässiger Weise bewertet habe. Das Urteil (Az.:9O18516/13) ist noch nicht rechtskräftig.
Das Urteil kollidiert nicht mit dem von EU-Kommissarin Viviane Reding geforderte "Recht auf Vergessen" im Internet: Diese Forderung beziehe sich nicht auf Pressearchive, hat Reding deutlich gemacht. Ihr Vorstoß zielt vor allem auf soziale Netzwerke wie Facebook.