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Top Secret Germany

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Fotografieren? Verboten. Eine kleine Drohne aufsteigen lassen und das Gelände filmen? Prompt schickt die Polizei einen Hubschrauber. Wer wissen will, was wirklich auf amerikanischen Militär- und Geheimdienststützpunkten in der Bundesrepublik vor sich geht, kann nicht einfach dort nachschauen. Natürlich nicht. Die USA schützen, wie jedes andere Land, ihre Geheimnisse. Aber die USA sind eben nicht jedes Land, und auf US-Stützpunkten in Deutschland gehen Dinge vor sich, von denen die Deutschen wissen sollten: Von deutschem Boden aus werden beziehungsweise wurden Drohnenangriffe in Afrika gesteuert, Entführungen organisiert oder Foltergefängnisse geplant. Die Bundesrepublik ist längst ein Dreh- und Angelpunkt für Amerikas "Krieg gegen den Terror".



Wiesbaden: Hauptwuartier des US-Heeres in Europa. Die Datenjournalisten von OpenDataCity haben nun herausgefunden, mit welchen Abhörtechnologien sie ausgestattet ist.

Ein fast zwanzigköpfiges Team des Norddeutschen Rundfunks und der Süddeutschen Zeitung hat sich vor mehr als einem Jahr auf die Suche gemacht nach den geheimen Stützpunkten und Schaltzentralen, den Strippenziehern und Agenten der Amerikaner - und nach ihren Opfern. Es war eine Recherche, die durch ganz Europa führte, nach Afrika, in die USA - und ins Internet. Denn dort hinterlassen Amerikas Agenten viele Spuren.

Etwa auf der Homepage des Federal Procurement Data Systems: Die USA veröffentlichen dort, in einer Datenbank, alle Zuschläge für Staatsaufträge, deren Volumen 3000 Dollar übersteigt. Firma, Leistung, Auftragsvolumen: alles einsehbar auf https://www.fpds.gov. Die Berliner Datenjournalismus-Agentur OpenDataCity hat diese Datenbank der Staatsaufträge systematisch ausgelesen. Experten sagen dazu: scrapen, die Inhalte wurden sozusagen aus dem Internet gekratzt und dann so abgespeichert, dass sie gefiltert werden können.

Die offizielle Datenbank enthält 257910 Einträge zu Deutschland. Erst mit den richtigen Suchworten kommen die Taten der geheimen Krieger ans Tageslicht. Interessant sind etwa alle Aufträge mit dem internen Schlüssel "R423". Damit werden Dienstleistungen verbucht, die eng mit den Geheimdiensten verbunden sind. Oder "0066 MI" - es ist der Codename für die 66. Military Intelligence Brigade, die in den NSA-Stützpunkten in Wiesbaden und Darmstadt-Griesheim stationiert ist. Ihre Spionagezentralen zählen zu den bestgesicherten Gebäuden in der Republik, eigentlich. Durch die Datenbank erhält man wichtige Hinweise auf Geheimdienstoperationen, aber auch Details: etwa, dass die Agenten gerade neue PCs bekommen haben, das Modell Optiplex 790 von Dell, oder dass ein deutscher Mittelständler Schreibtische geliefert hat, in L-Form. Oder das: Im sogenannten Dagger-Complex bei Darmstadt hat die Mickan Generalbaugesellschaft Amberg eben eine Klimaanlage eingebaut, für knapp 140000 Dollar. Die Rechner der Agenten brauchen Kühlung.

Die Datenbank lässt viele Rückschlüsse zu, und durch die schiere Masse der Informationen entsteht ein Bild - das Bild vom US-Stützpunkt Deutschland. Die Daten sind auch die Grundlage einer interaktiven Karte auf www.geheimerkrieg.de, die die geheimen Orte des US-Militärs vorstellt.

In den kommenden zwei Wochen enthüllen die SZ und der Norddeutsche Rundfunk in der Serie "Der geheime Krieg", was der Secret Service auf deutschem Boden treibt, wie geheime CIA-Missionen ausgerechnet von der Bundesrepublik aus gesteuert werden und welch brisante Informationen deutsche Agenten bereitwillig an ihre US-Kollegen weiterreichen. An diesem Freitag erscheint im Rowohlt-Verlag das Buch "Geheimer Krieg", verfasst von den beiden SZ-Autoren und NDR-Mitarbeitern Christian Fuchs und John Goetz. Die ARD sendet zum Thema am 28.November einen Schwerpunktabend mit einer Dokumentation des NDR-Politikmagazins "Panorama", gefolgt von der Talkshow "Beckmann".

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