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Die Musik des Motors

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Der Auspuff scheppert, der Motor stottert, die Bremsen quietschen anders als sonst. Für den Autofahrer bedeutet das: Da stimmt etwas nicht. Ein beunruhigendes Gefühl. Die Geräusche, die ein Fahrzeug macht, fallen einem oft erst auf, wenn sie anders klingen als sonst. "Wir haben die Erfahrung gemacht, wie sich ein Auto anhört. Das sind Schemata, die wir verinnerlicht haben", sagt Jörg Becker-Schweitzer, Professor für Schwingungstechnik und Physik an der Fachhochschule Düsseldorf.



Für ein hochwertiges Auto ist der Sound unentbehrlich. Nicht nur der Motor muss gut klingen, auch der Innenraum und das Schließen der Türen muss sich richtig anhören.

Für Autobauer, vor allem für die hochpreisigen, ist der gute und gleichmäßige Klang eines Fahrzeugs deshalb ein wichtiges Thema. Schon bei der Konstruktion werden die Geräusche berücksichtigt, die Motor, Auspuff, Türen oder andere Komponenten eines Fahrzeugs machen. Ganze Abteilungen arbeiten in den Unternehmen daran, ein stimmiges Klangbild zu erzeugen. Bei Audi sind es beispielsweise 100 Mitarbeiter, bei BMW 200. Neben Akustik-Ingenieuren und Physikern sind es auch Quereinsteiger wie Musiker, Tontechniker oder andere Sound-Spezialisten.

"Geräusche wecken Assoziationen", sagt Gert Schmidt, emeritierter Soziologie-Professor der Uni Erlangen-Nürnberg. Die Autotür beispielsweise sei ein großes Thema für Hersteller. "Wenn eine Tür leicht und scheppernd ins Schloss fällt, denkt man gleich: Blechdose. Gibt es hingegen ein sattes, dumpfes Geräusch, dann klingt das solide und zuverlässig." Man hat das Gefühl, in einem sicheren Wagen zu sitzen.

Dass viele Fahrer eine akustische Rückmeldung zu schätzen wissen, ja sogar nicht darauf verzichten wollen, zeigte sich, als bei einigen Autos das Geräusch des Blinkers fehlte. Früher erzeugte ein mechanisches Relais das obligatorische Klick-Klack. Weil inzwischen der Blinker über die Elektronik gesteuert wird, gibt es dieses Geräusch nicht mehr. Viele Kunden vermissten das akustische Signal beim Abbiegen. Die meisten Hersteller ahmen deswegen heute das Klick-Klack künstlich nach.

Der Sound eines Wagens ist aber auch eine Art Markenzeichen. Autoliebhaber können Fahrzeuge schon von Weitem am Klang erkennen: Ein Porsche, der röhrt und heult; alte Dieselmotoren, die hämmern und schlagen; der Trabbi mit dem ratternden Geräusch des Zweitakter-Motors. "Der Sound muss zum Charakter des Fahrzeugs passen", sagt Klaus Genuit, Honorarprofessor für Psychoakustik an der RWTH Aachen und Geschäftsführer von Head Acoustics, einem Unternehmen, das Autobauer weltweit beim Sounddesign berät.

Während es bei Kleinwagen vor allem darum gehe, unangenehme Stör- und Nebengeräusche zu eliminieren, gestalten Autobauer im hochpreisigen Segment den Sound ihrer Modelle bis ins Detail. So auch Hersteller von Sportwagen wie Porsche. Denn das kraftvolle, tief-frequente und mitunter röhrende Geräusch des Porsches gehört zum Fahrerlebnis. "Der Fahrer erwartet eine bestimmte akustische Antwort, wenn er Gas gibt", sagt Schmidt. Bei älteren Modellen war noch ein luftgekühlter Motor ausschlaggebend für den charakteristischen Sound. Dass die neueren Porsche-Modelle trotz der Wasserkühlung, auf die man umgestiegen ist, ähnlich klingen wie früher, hält Genuit für eine "akustische Meisterleistung der Ingenieure".

Auch andere Autohersteller wollen gewohnte Geräuschkulissen beibehalten. Heute werden zunehmend leichtere Materialien wie Aluminium oder künftig auch Carbon im Autobau verwendet. "Ohne Nachbearbeitung des Sounds würde das nicht gut klingen", sagt Genuit. Dasselbe gilt für größere Autos, in die man Vierzylinder- statt Achtzylinder-Motoren einbaut, um Sprit zu sparen. Auch hier wird akustisch nachgeholfen. "Der Fahrer soll weiterhin das Gefühl haben, Power unter der Motorhaube zu haben", sagt Schmidt.

Eine neue Herausforderung kommt auf die Hersteller von Elektrofahrzeugen zu. Denn die klingen anders als Verbrennungsmotoren. Sie sind insgesamt leiser und machen im Leerlauf und beim Anfahren so gut wie keine Geräusche. "Der Fahrer bekommt erst mal keine akustische Rückmeldung, wie schnell er fährt", sagt Jörg Becker-Schweitzer. Erst ab etwa 50 Kilometer pro Stunde könne man die Reifen auf der Straße deutlich hören. Deswegen experimentieren die Hersteller mit Soundkulissen. Als Orientierung für den Fahrer und um anderen Verkehrsteilnehmern zu signalisieren: Achtung, da kommt ein Auto!

Auf EU-Ebene wird derzeit darüber diskutiert, ob Autobauer gesetzlich verpflichtet werden sollen, Elektroautos lauter zu machen. Um sie mit einem eigenen Sound auszustatten, verstärken einige Hersteller etwa das Geräusch, das der Elektromotor selbst macht. Doch wie es sich schließlich anhören soll - daran tüfteln die Sounddesigner noch. Genuit ist lediglich sicher, dass es in Zukunft insgesamt leiser werden wird auf den Straßen. Das ist schon mal ein beruhigendes Gefühl.

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