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Dann lieber ein Glas Wein

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Die Jugend ist vorbei. In jeder Hinsicht. Die Gewinnerin der Hungerspiele, Katniss Everdeen, ist nach ihrem Sieg wieder zurück in ihrem Heimatdorf. Aber was hat sie davon? Dem Lumpenproletariat der Minen ist sie zwar entkommen, jetzt wohnt sie allerdings in einem hässlichen Regierungsbungalow. Auch das selbstverständliche Glück ihrer Teenagerliebe ist von den Spielen größtenteils ruiniert. Jennifer Lawrence, die Darstellerin der Katniss, wirkt wie eine junge Frau mit Kriegstrauma - die adoleszente Wut, die ihr im ersten Teil so gut stand, hat sich verflüchtigt.



Eine Szene aus dem zweiten Teil der "Tribute von Panem"-Filmreihe.

Das repressiv-diktatorische System, das seine Kinder in tödliche Gladiatorenkämpfe schickt, wird derweil immer brutaler. In den zwölf Distrikten, die für die Hauptstadt malochen und hungern, wächst revolutionäre Wut. Präsident Snow geht gegen die Menschen vor, mit Militäreinsatz und ohne Skrupel. Katniss, nach den Spielen zur Symbolfigur des Freiheitsdrangs avanciert, ordnet sich vorerst unter - kann aber doch nicht einfach beenden, was sie angefangen hat.

Zunächst jedoch erhält sie eine kleine Lektion in Medienkunde: Wer einmal aus der Anonymität der Masse gerissen wurde, muss womöglich den Rest seines Lebens vor Kameras verbringen - das weiß jeder, der nach 1990 zur Welt kam, und Katniss Everdeen lernt das jetzt auch. Sie und ihr Mitgewinner Peeta sind Medienstars, die für die Zwecke der Regierung eingesetzt werden, unterwegs durch sämtliche Distrikte - und gerade beim Thema Medien läuft der Film zu großen Momenten auf. Selten hat man so exemplarisch gesehen, wie unberechenbar die Macht der Bilder sein kann. Selbst wenn man komplette Verlogenheit inszeniert, blitzen an den Rändern Momente auf, in denen die Realität sichtbar wird. Wer nach solchen Momenten sucht, und das gilt nicht nur für die Unterdrückten, wird fündig werden.

Das System reagiert auf die Unsicherheit, indem es ständig die Regeln ändert. Neueste Zumutung: Zum 75. Jubiläum der Hungerspiele müssen die Sieger der Vergangenheit erneut um ihr Leben zu kämpfen, auch Katniss. Da stöhnt dann selbst das sensationsgierige Publikum in der Hauptstadt Kapitol, der kommende Aufstand wird befeuert durch das Mitgefühl mit den Kämpfern wider Willen - ein schöner Gedanke.

Dem Drive des Films tut diese neue Unentschlossenheit allerdings weniger gut. Soll man dem Melodram nachgeben, das in der Rettung des geliebten Mitkämpfers liegt? Oder doch wieder den Thrill der Action zelebrieren? Der Regisseur Francis Lawrence scheint da so orientierungslos wie seine Hauptfigur.

Wie erleichternd eine entschiedene Haltung wirkt, sieht man an der neuen Kriegerin Johanna, gespielt von Jena Malone: ein Mädchen mit Axt und forschem Mundwerk, das nichts mehr zu verlieren hat. In der Kampfarena reckt sie die Faust zum künstlichen Himmel und schimpft gegen die Mächtigen, die irgendwo dort oben am Kontrollpult sitzen müssen. Sie ist, wie Katniss Everdeen früher war, und läuft ihr im Gefecht allemal den Rang ab. Die unbeschwerte Anarchie des ersten Teils, bei dem schlicht jeder gegen jeden antrat, in einer Art 'Herr der Fliegen' auf der Elektrogitarre, ist aber vorbei. Und das ist fast ein bisschen schade.

Ein Vorteil dagegen ist, dass man in der Fortsetzung mehr von den anderen Schauspielern sieht. Zum Beispiel von Donald Sutherland als Präsident Snow. Der Regent von Panem ringt immer wieder um den richtigen Weg, seine Macht zu verteidigen. Alle töten, insbesondere Katniss - das ist zwar sein erster Impuls, aber dann trifft er auf Philip Seymour Hoffman, den neuen Designer der Hungerspiele. Da wird über Taktik und Strategie diskutiert, über Täuschung und Gegentäuschung und über die Notwendigkeit rollender Köpfe. Diese Gespräche haben eine amüsierte Leichtigkeit - selbst wenn einer der Sprechenden weiß, dass auch sein eigener Kopf nicht unbedingt sicher auf dem Körper sitzt.

Während Jennifer Lawrence, die aktuelle Oscargewinnerin, händeringend die Teenagerdramatik bedient, erkennt man an den beiden Herren erfreut die Fähigkeit, durch Selbstironie, verbale Finten und doppelte Böden den Umgangston aufzulockern, bei einem Glas des allerbesten Weins. Dekadent, ganz klar - aber es hat seine Reize, selbst in diesem unwohnlichen Kapitol, das nach Comic-Manier aus Ostblock- und Nazi-Motiven zusammenbastelt ist. Diktatoren, Game- und Fashiondesigner jedenfalls haben hier ihren Spaß. Nur wie lange noch? Das wird man in den Fortsetzungen erfahren.

Die Tribute von Panem: Catching Fire, USA 2013 - Regie: Francis Lawrence. Buch: Simon Beaufoy nach dem Roman von Suzanne Collins. Kostüm: Trish Summerville. Mit Jennifer Lawrence, Josh Hutcherson, Philip Seymour Hoffman, Donald Sutherland, Jena Malone. 146 Minuten. Studiocanal.

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