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Stadt to go

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Wer die Fülle an Dönerbuden, Asia-Imbissen, Pizza-Diensten und amerikanischen Schachtelwirten als Zeichen des Niedergangs guter alter Ernährungskultur deutet, liegt daneben. Essen to go, zum Mitnehmen, und Heimservices gibt es ein paar Jahrhunderte länger als die Mikrowelle. Viele Reichstagsgesandte hielten es schon im Regensburg des 18. Jahrhunderts für praktischer, sich die Mahlzeit liefern zu lassen - und für sicherer, denn so brauchten sie keinen eigenen Ofen im Haus und bannten die Brandgefahr. Und die Wirte in der alten City, die lebten gut von diesem Geschäft. Sie verteilten sogar - wie heute - Faltzettel mit ihren Menüs, mitunter zweisprachig. Regensburg, der Sitz des Immerwährenden Reichstags, war international.



In der ältesten Bratwurststube der Welt "Wurstkuchl" in Regensburg wurde wohl schon damals die ein oder andere Wurst gegrillt, um sie dann an hunrige Reichstaggesandte zu verkaufen.

Wie die Stadt an der Donau vom Reichstag profitierte, zeigt eine kleine Sonderausstellung im Historischen Museum der Stadt. Mehr als 350 Fürsten und Städte waren beim Reichstag immatrikuliert, bis zu 150Diplomaten lebten dauerhaft in der Stadt, viele von ihnen vertraten mehrere Auftraggeber, weil sich kleinere Reichsstände das Geld für eigene Gesandte sparten. Die Diplomaten wollten nicht nur kulinarisch versorgt sein, was sich auf die Gasthausdichte auswirkte. Sie wollten auch möglichst unterhaltsame Abwechslung von ermüdenden Beratungen geboten bekommen.

Für das kulturelle Rahmenprogramm fühlte sich der oberste Vertreter des Kaisers verantwortlich, der Prinzipalkommissar. Von der Mitte des 18. Jahrhunderts an hatten die Fürsten von Thurn und Taxis diesen Posten inne. Sie betrieben ein Hoftheater. Einige der 80 Exponate stammen aus Thurn-und-Taxis-Beständen. Darunter sind spektakuläre Objekte - etwa die Portechaise (Sänfte) einer Fürstin. Emanuel Schikaneder, der Librettist von Mozarts "Zauberflöte", leitete das fürstliche Theater, doch das Haus Thurn und Taxis bot keineswegs nur Hochkultur.

Im Norden der Stadt errichtete es ein Hatztheater, in dem ziemlich niedrige Instinkte angesprochen wurden. Sonntags wurden vor Publikum Bären, Esel, Affen, Wölfe und Stiere aufeinander losgelassen, im "Hatzbuch" (Abbildung:Katalog) des fürstlichen Hatzmeisters Johannes Lingauer ist zu sehen, wie sich auch Stuntmen in die Manege wagten. "Eine unheilige Allianz von Pöbel und Adel" kreischte auf den Rängen, heißt es. So war das, im internationalen Regensburg.

Von Prinzen, Bürgern und Hanswursten. Regensburg zur Zeit des Immerwährenden Reichstags. Historisches Museum Regensburg. Bis 9. Februar. Katalog (Verlag Schnell & Steiner) 24,95 Euro.

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