Irgendwann knallt ein Flüchtling eine Brieftasche auf den Tisch, klappt sie auf, er ist jetzt ziemlich wütend, und zieht Plastikkarten heraus, eine nach der anderen. "Hier", sagt er, "Gesundheitskarte aus Italien, Aufenthaltsgenehmigung, Ausweis. Wir haben alles. Unsere Asylverfahren sind abgeschlossen. Wir dürfen uns frei bewegen in ganz Europa, aber wir dürfen nicht arbeiten, gar nichts."
Demonstranten gehen für eine andere Asylpolitik in Berlin auf die Straße. 80 Flüchtlinge sind in ein Altenheim in Wedding umgezogen.
Donnerstagmorgen im Berliner Armeleuteviertel Wedding, Besuch in einem Altenheim, dem die Alten abhanden gekommen sind. Das hier ist ein Heim der Caritas, das für Senioren nicht mehr taugt, weshalb 80 Flüchtlinge hier einziehen durften. Fast alle sind Männer aus afrikanischen Ländern, viele sind über Libyen nach Lampedusa geflohen und auf eine Odyssee durch Europa geschickt worden. Zuletzt haben sie auf dem Oranienplatz in Kreuzberg gelebt, in Zelten, haben gegen das Arbeitsverbot für Flüchtlinge protestiert, die Residenzpflicht, Abschiebungen. Nun wird es kalt und es gibt Ärger, also hat die Caritas die Geflohenen aufgenommen. Die Zelte aber, die sie zurückgelassen haben, sind zu einem Politikum geworden.
Man könnte auch sagen: zum Pulverfass. Mancher würde da gern zündeln.
Die linke Szene in Kreuzberg zum Beispiel scheint wenig gegen einen Krawall ums Camp am Oranienplatz zu haben. Das sollte bis auf ein Infozelt verschwinden vor ein paar Tagen, weil die Flüchtlinge ins Altenheim im Wedding verfrachtet wurden. Kaum aber wollte die Polizei die Schlafzelte abbauen, saßen schon neue Flüchtlinge drin. Dazu erschienen ein paar hundert Unterstützer zur Spontandemo gegen die Räumung. Ergebnis: 31 verletzte Beamte, Pfefferspray auf bei den Seiten - und eine Bezirksbürgermeisterin in der Klemme.
Monika Herrmann ist eine kernige Person, die noch nicht lange Bürgermeisterin ist in Kreuzberg. Sie ist von den Grünen und hat jetzt alle Not, das Kreuzberger Selbstverständnis eines weltoffenen Biotops zu verteidigen. Viele Berliner, allen voran Innensenator Frank Henkel (CDU), verstehen nicht, warum Kreuzberg immer mehr Flüchtlingen Zuflucht gewährt. Eine ausrangierte Schule wurde da zur Verfügung gestellt. Das Haus ist total kaputt, es gab Streit unter Flüchtlingen, eine Messerstecherei. Auch die grüne Bürgermeisterin erklärte das Projekt für gescheitert, und weil der Winter kommt, hob sie gleich auch noch die Duldung für das Flüchtlingscamp am Oranienplatz auf. Die Bewohner bekamen ein Plätzchen im Altenheim, aus dem Abbau der Zelte aber wurde nichts, wie gesagt, weil die "Kiezmiliz" auftauchte.
Der Dank für die chaotische Aktion erreichte Monika Herrmann am Mittwochabend. Da tagte im Kreuzberger Rathaus das Bezirksparlament, genauer gesagt: Es wollte tagen, als 250 junge Leute aller möglichen Muttersprachen mit Pudelmützen und Transparenten herein stürmten, Tribüne und Rednerpult besetzten, nach Kräften rauchten und schimpften, im Saal herumkletterten und Sachen skandierten wie "No border, no nation, stop deportation".
Die Bezirksbürgermeisterin versuchte den Radau zu übertönen und im Getümmel die Presse zu instruieren. Was sie von dem Ultimatum des Innensenators halte, wurde sie gefragt. "Die Situation hat sich nicht verbessert, sie hat sich verschärft", antwortete sie. "Und sie wird sich in den nächsten Wochen weiter verschärfen." Gemeint war die Ankündigung von Innensenator Henkel, die Schlafzelte am Oranienplatz räumen zu lassen, falls der Bezirk das nicht selbst schaffe. Bis zu 16. Dezember, so Henkel, sollen sie weg sein, sonst werde er zu "bezirksaufsichtsrechtlichen Maßnahmen" greifen. Das wurde so verstanden, dass der Senat dann räumt.
Nun regiert die Berliner CDU mit der SPD und einem Regieredenden Bürgermeister, der gern ein Herz für Flüchtlinge zeigt. Aus dem Hause Wowereit aber drang bislang eher Ausweichendes. "Das ist ein rechtswidriger Zustand, der muss beendet werden", sagte Senatssprecher Richard Meng. "Unser Wunsch ist es aber, dass das in Kooperation, nicht in Konfrontation geschieht." Was er nicht sagen will, sagt jetzt der Rest der Stadt: dass der Innensenator mit seinem Ultimatum in Zugzwang gebracht hat. Die Kreuzberger Bürgermeisterin nämlich verweigert sich einer Räumung. "Soll ich die Leute aus den Zelten tragen?" fragte sie. "Soll ich 500 Leute in die Schlacht schicken? Nein."
Wie es weiter gehen soll, weiß keiner, denn eine Räumung mit Terminankündigung, das wäre bestellte Randale, befürchten viele. Senator Henkel aber gibt sich unbeirrt, seine Forderung sei "eindeutig", sagte sein Sprecher. Immerhin, man könne ja mal miteinander reden.
Gute Idee, das Reden, findet Christian Hanke, der von Henkels Drohung wenig hält. "Wer auf die Palme geht, muss irgendwann auch wieder runter kommen." Hanke ist SPD-Bürgermeister von Mitte, am Donnerstag besuchte er das Altenheim, in dem nun Flüchtlingen leben. Die Kommunen werden allein gelassen mit einem Problem, für das in ganz Europa Lösungen fehlen, sagte er. Auch Caritas-Direktorin Ulrike Kostka hat die hektischen Manöver satt. "Wir brauchen Strategien, wie wir mit der Sache in Zukunft umgehen", sagte sie. Kostka schlägt einen runden Tisch vor, an dem auch Kirchen und Flüchtlinge sitzen sollen, noch vor Weihnachten, "wir kriegen das hin." Sie hätte auch sagen können: "Wir müssen irgendwas hinkriegen."
Demonstranten gehen für eine andere Asylpolitik in Berlin auf die Straße. 80 Flüchtlinge sind in ein Altenheim in Wedding umgezogen.
Donnerstagmorgen im Berliner Armeleuteviertel Wedding, Besuch in einem Altenheim, dem die Alten abhanden gekommen sind. Das hier ist ein Heim der Caritas, das für Senioren nicht mehr taugt, weshalb 80 Flüchtlinge hier einziehen durften. Fast alle sind Männer aus afrikanischen Ländern, viele sind über Libyen nach Lampedusa geflohen und auf eine Odyssee durch Europa geschickt worden. Zuletzt haben sie auf dem Oranienplatz in Kreuzberg gelebt, in Zelten, haben gegen das Arbeitsverbot für Flüchtlinge protestiert, die Residenzpflicht, Abschiebungen. Nun wird es kalt und es gibt Ärger, also hat die Caritas die Geflohenen aufgenommen. Die Zelte aber, die sie zurückgelassen haben, sind zu einem Politikum geworden.
Man könnte auch sagen: zum Pulverfass. Mancher würde da gern zündeln.
Die linke Szene in Kreuzberg zum Beispiel scheint wenig gegen einen Krawall ums Camp am Oranienplatz zu haben. Das sollte bis auf ein Infozelt verschwinden vor ein paar Tagen, weil die Flüchtlinge ins Altenheim im Wedding verfrachtet wurden. Kaum aber wollte die Polizei die Schlafzelte abbauen, saßen schon neue Flüchtlinge drin. Dazu erschienen ein paar hundert Unterstützer zur Spontandemo gegen die Räumung. Ergebnis: 31 verletzte Beamte, Pfefferspray auf bei den Seiten - und eine Bezirksbürgermeisterin in der Klemme.
Monika Herrmann ist eine kernige Person, die noch nicht lange Bürgermeisterin ist in Kreuzberg. Sie ist von den Grünen und hat jetzt alle Not, das Kreuzberger Selbstverständnis eines weltoffenen Biotops zu verteidigen. Viele Berliner, allen voran Innensenator Frank Henkel (CDU), verstehen nicht, warum Kreuzberg immer mehr Flüchtlingen Zuflucht gewährt. Eine ausrangierte Schule wurde da zur Verfügung gestellt. Das Haus ist total kaputt, es gab Streit unter Flüchtlingen, eine Messerstecherei. Auch die grüne Bürgermeisterin erklärte das Projekt für gescheitert, und weil der Winter kommt, hob sie gleich auch noch die Duldung für das Flüchtlingscamp am Oranienplatz auf. Die Bewohner bekamen ein Plätzchen im Altenheim, aus dem Abbau der Zelte aber wurde nichts, wie gesagt, weil die "Kiezmiliz" auftauchte.
Der Dank für die chaotische Aktion erreichte Monika Herrmann am Mittwochabend. Da tagte im Kreuzberger Rathaus das Bezirksparlament, genauer gesagt: Es wollte tagen, als 250 junge Leute aller möglichen Muttersprachen mit Pudelmützen und Transparenten herein stürmten, Tribüne und Rednerpult besetzten, nach Kräften rauchten und schimpften, im Saal herumkletterten und Sachen skandierten wie "No border, no nation, stop deportation".
Die Bezirksbürgermeisterin versuchte den Radau zu übertönen und im Getümmel die Presse zu instruieren. Was sie von dem Ultimatum des Innensenators halte, wurde sie gefragt. "Die Situation hat sich nicht verbessert, sie hat sich verschärft", antwortete sie. "Und sie wird sich in den nächsten Wochen weiter verschärfen." Gemeint war die Ankündigung von Innensenator Henkel, die Schlafzelte am Oranienplatz räumen zu lassen, falls der Bezirk das nicht selbst schaffe. Bis zu 16. Dezember, so Henkel, sollen sie weg sein, sonst werde er zu "bezirksaufsichtsrechtlichen Maßnahmen" greifen. Das wurde so verstanden, dass der Senat dann räumt.
Nun regiert die Berliner CDU mit der SPD und einem Regieredenden Bürgermeister, der gern ein Herz für Flüchtlinge zeigt. Aus dem Hause Wowereit aber drang bislang eher Ausweichendes. "Das ist ein rechtswidriger Zustand, der muss beendet werden", sagte Senatssprecher Richard Meng. "Unser Wunsch ist es aber, dass das in Kooperation, nicht in Konfrontation geschieht." Was er nicht sagen will, sagt jetzt der Rest der Stadt: dass der Innensenator mit seinem Ultimatum in Zugzwang gebracht hat. Die Kreuzberger Bürgermeisterin nämlich verweigert sich einer Räumung. "Soll ich die Leute aus den Zelten tragen?" fragte sie. "Soll ich 500 Leute in die Schlacht schicken? Nein."
Wie es weiter gehen soll, weiß keiner, denn eine Räumung mit Terminankündigung, das wäre bestellte Randale, befürchten viele. Senator Henkel aber gibt sich unbeirrt, seine Forderung sei "eindeutig", sagte sein Sprecher. Immerhin, man könne ja mal miteinander reden.
Gute Idee, das Reden, findet Christian Hanke, der von Henkels Drohung wenig hält. "Wer auf die Palme geht, muss irgendwann auch wieder runter kommen." Hanke ist SPD-Bürgermeister von Mitte, am Donnerstag besuchte er das Altenheim, in dem nun Flüchtlingen leben. Die Kommunen werden allein gelassen mit einem Problem, für das in ganz Europa Lösungen fehlen, sagte er. Auch Caritas-Direktorin Ulrike Kostka hat die hektischen Manöver satt. "Wir brauchen Strategien, wie wir mit der Sache in Zukunft umgehen", sagte sie. Kostka schlägt einen runden Tisch vor, an dem auch Kirchen und Flüchtlinge sitzen sollen, noch vor Weihnachten, "wir kriegen das hin." Sie hätte auch sagen können: "Wir müssen irgendwas hinkriegen."