Bernd Schlömer hat ganz offensichtlich genug. Gerade hatten die Piraten ihren Bundesvorsitzenden verabschiedet, da eilte er schon aus der Bremer Messehalle, erst mal weg von diesem Parteitag, nach Hamburg, Weihnachtsgeschenke kaufen. Von unterwegs meldete er sich noch einmal per Twitter, zwei Worte nur: "wieder frei". Es folgte das Zeichen /. Im Kürzelcode der Netz-Nerds bedeutet das: Jubel.
Eineinhalb Jahre hatte der Ministerialrat aus dem Bundesverteidigungsministerium diese Partei zu führen versucht, die so etwas zumeist nur ungern mit sich geschehen lässt. "Es war schön, manchmal mehr, manchmal weniger", hatte er den Mitgliedern zuvor noch zum Abschied zugerufen, "ihr seid eine tolle Partei." Die freilich hatte nur dünnen Applaus übrig für den Einsatz ihres Chefs und dessen ebenso ehrenamtlichen Vorstandskollegen. Keine Blumen, keine Dankesworte, ein gemeinsames Abschiedsfoto, das war's.
Bernd Schlömer verabschiedet sich vom Bundesparteivorsitz.
Eine Abrechnung gab es freilich nicht, nicht einmal den Ansatz einer Debatte darüber, woran es denn gelegen haben könnte, dass die Partei, die zu Beginn von Schlömers Amtszeit in Umfragen noch mit zweistelligen Prozentwerten prunkte, sich in der Bundestagswahl bei gerade noch 2,2 Prozent verlor. Die nach Bremen gereisten Mitglieder zelebrierten lieber ihre gewohnten Parteitagsrituale, stritten über Tagesordnung, Geschäftsordnung, Wahlordnung und sogar die Art und Weise, wie ein Stimmzettel zu falten sei, bis sie endlich einen neuen Vorsitzenden hatten: Thorsten Wirth, 45, Programmierer mit abgebrochenem Physikstudium, derzeit Referent der Piratenfraktion im Frankfurter Rathaus und damit nach eigener Einschätzung "ein Berufspirat, wenn man so will", soll die Partei nun aus ihrem Tief holen.
"Ich werde mein Bestes tun, die Piraten wieder dahin zu führen, wo sie 2009 angefangen haben", sagte er nach der Wahl. Damit meinte er nicht die Wahlergebnisse, die vor dem kurzen Höhenflug, der die Partei in vier Landtage brachte, ähnlich niedrig lagen wie heute. Den "Spirit" und "die Aufbruchsstimmung" von damals wolle er: "Wir haben die Progressivität verloren." Die Piraten dürften "nicht wie professionelle Politiker auftreten" und sich "im Anzug hinstellen und irgendeinen Blub-Blub verbreiten", sagte Wirth der Süddeutschen Zeitung: "Wir werden deswegen gewählt, weil wir anders sind."
In seiner Vorstellungsrede hatte Wirth, seit 2006 bei den Piraten und damit schon Veteran, vor allem den etwas anderen Slang der Partei bedient, unter häufiger Verwendung eines Fäkalworts: "Was ist scheiße gelaufen?" Die hastig abgespulte Rede reichte Wirth, um 78 Prozent der anwesenden Mitglieder für sich zu gewinnen.
Der Andrang auf die undankbaren und unbezahlten Führungsämter war allerdings nicht sehr groß. Zwei der sechs Kandidaten kamen nicht einmal rechtzeitig zu ihrer Bewerbungsrede auf die Bühne. Einer zeterte von "faschistoiden Zuständen" bei den Piraten: "In dieser Partei herrscht Krieg", schrie er unter dem Gejohle des Publikums, ehe ihm die Tagungsleitung das Mikrofon abdrehte. Es gebe "sehr viel leistungsunabhängiges Selbstwertgefühl auf der Vorstellungsbühne heute", ätzte der schleswig-holsteinische Landtagsabgeordnete Wolfgang Dudda auf Twitter.
"Es gibt ja viele, die es könnten, aber die wollen sich das nicht zumuten", erklärt Klaus Peukert, auch er einer der Vorstände, die nicht weitermachen. Die bisherige politische Geschäftsführerin Katharina Nocun etwa und ihre Vorvorgängerin Marina Weisband haben beide erklärt, sich ein Amt im Vorstand finanziell nicht leisten zu können. Ihre Führung zu bezahlen, und sei es nur als Geringverdiener, aber will sich die klamme Partei jedoch nicht leisten. Nur Vorstände, die sonst auf Hartz IV angewiesen wären, sollen bezahlt werden. Der Trubel um die staatliche Stütze für den ehemaligen Geschäftsführer Johannes Ponader soll sich nicht wiederholen.
"Viele unserer Leute sind ausgebrannt", hat auch Wirth erkannt, "Motivation ist jetzt das Gebot." Tatsächlich waren nach Bremen nur etwa 1000 Mitglieder gereist, auf dem Parteitag in Bochum vor einem Jahr waren es noch doppelt so viele. Immerhin schafften es die einst als Männerverein berüchtigten Piraten, mehrere Frauen in den komplett erneuerten Vorstand zu wählen. So ist nun die 32-jährige Ingenieurin Caro Mahn-Gauseweg aus Görlitz stellvertretende Vorsitzende, die Rheinländerin Stephanie Schmiedke Generalsekretärin.
Das neben dem Vorsitz sichtbarste Amt fiel einem Mann zu, der mit Schwarzbart und langem Pferdeschwanz äußerlich das Klischeebild eines Piraten erfüllt. "Wir sind nicht am Boden", darauf beharrte der Politikstudent Björn Niklas Semrau, 35. "2,2 Prozent muss man erst mal erreichen". Das Gründungsmitglied aus Hessen das nicht ironisch. Die Partei habe ihre Ziele "nicht laut genug formuliert", sagte Semrau und warb nach seiner Wahl für eine Position "zwischen Professionalität und Punk-Rock". In der Halle gab es Punk jedoch nur wegen der Tagesordnung, der Berliner Abgeordnete Christopher Lauer wurde laut: "Ihr habt doch einen Sockenschuss!"
Eineinhalb Jahre hatte der Ministerialrat aus dem Bundesverteidigungsministerium diese Partei zu führen versucht, die so etwas zumeist nur ungern mit sich geschehen lässt. "Es war schön, manchmal mehr, manchmal weniger", hatte er den Mitgliedern zuvor noch zum Abschied zugerufen, "ihr seid eine tolle Partei." Die freilich hatte nur dünnen Applaus übrig für den Einsatz ihres Chefs und dessen ebenso ehrenamtlichen Vorstandskollegen. Keine Blumen, keine Dankesworte, ein gemeinsames Abschiedsfoto, das war's.
Bernd Schlömer verabschiedet sich vom Bundesparteivorsitz.
Eine Abrechnung gab es freilich nicht, nicht einmal den Ansatz einer Debatte darüber, woran es denn gelegen haben könnte, dass die Partei, die zu Beginn von Schlömers Amtszeit in Umfragen noch mit zweistelligen Prozentwerten prunkte, sich in der Bundestagswahl bei gerade noch 2,2 Prozent verlor. Die nach Bremen gereisten Mitglieder zelebrierten lieber ihre gewohnten Parteitagsrituale, stritten über Tagesordnung, Geschäftsordnung, Wahlordnung und sogar die Art und Weise, wie ein Stimmzettel zu falten sei, bis sie endlich einen neuen Vorsitzenden hatten: Thorsten Wirth, 45, Programmierer mit abgebrochenem Physikstudium, derzeit Referent der Piratenfraktion im Frankfurter Rathaus und damit nach eigener Einschätzung "ein Berufspirat, wenn man so will", soll die Partei nun aus ihrem Tief holen.
"Ich werde mein Bestes tun, die Piraten wieder dahin zu führen, wo sie 2009 angefangen haben", sagte er nach der Wahl. Damit meinte er nicht die Wahlergebnisse, die vor dem kurzen Höhenflug, der die Partei in vier Landtage brachte, ähnlich niedrig lagen wie heute. Den "Spirit" und "die Aufbruchsstimmung" von damals wolle er: "Wir haben die Progressivität verloren." Die Piraten dürften "nicht wie professionelle Politiker auftreten" und sich "im Anzug hinstellen und irgendeinen Blub-Blub verbreiten", sagte Wirth der Süddeutschen Zeitung: "Wir werden deswegen gewählt, weil wir anders sind."
In seiner Vorstellungsrede hatte Wirth, seit 2006 bei den Piraten und damit schon Veteran, vor allem den etwas anderen Slang der Partei bedient, unter häufiger Verwendung eines Fäkalworts: "Was ist scheiße gelaufen?" Die hastig abgespulte Rede reichte Wirth, um 78 Prozent der anwesenden Mitglieder für sich zu gewinnen.
Der Andrang auf die undankbaren und unbezahlten Führungsämter war allerdings nicht sehr groß. Zwei der sechs Kandidaten kamen nicht einmal rechtzeitig zu ihrer Bewerbungsrede auf die Bühne. Einer zeterte von "faschistoiden Zuständen" bei den Piraten: "In dieser Partei herrscht Krieg", schrie er unter dem Gejohle des Publikums, ehe ihm die Tagungsleitung das Mikrofon abdrehte. Es gebe "sehr viel leistungsunabhängiges Selbstwertgefühl auf der Vorstellungsbühne heute", ätzte der schleswig-holsteinische Landtagsabgeordnete Wolfgang Dudda auf Twitter.
"Es gibt ja viele, die es könnten, aber die wollen sich das nicht zumuten", erklärt Klaus Peukert, auch er einer der Vorstände, die nicht weitermachen. Die bisherige politische Geschäftsführerin Katharina Nocun etwa und ihre Vorvorgängerin Marina Weisband haben beide erklärt, sich ein Amt im Vorstand finanziell nicht leisten zu können. Ihre Führung zu bezahlen, und sei es nur als Geringverdiener, aber will sich die klamme Partei jedoch nicht leisten. Nur Vorstände, die sonst auf Hartz IV angewiesen wären, sollen bezahlt werden. Der Trubel um die staatliche Stütze für den ehemaligen Geschäftsführer Johannes Ponader soll sich nicht wiederholen.
"Viele unserer Leute sind ausgebrannt", hat auch Wirth erkannt, "Motivation ist jetzt das Gebot." Tatsächlich waren nach Bremen nur etwa 1000 Mitglieder gereist, auf dem Parteitag in Bochum vor einem Jahr waren es noch doppelt so viele. Immerhin schafften es die einst als Männerverein berüchtigten Piraten, mehrere Frauen in den komplett erneuerten Vorstand zu wählen. So ist nun die 32-jährige Ingenieurin Caro Mahn-Gauseweg aus Görlitz stellvertretende Vorsitzende, die Rheinländerin Stephanie Schmiedke Generalsekretärin.
Das neben dem Vorsitz sichtbarste Amt fiel einem Mann zu, der mit Schwarzbart und langem Pferdeschwanz äußerlich das Klischeebild eines Piraten erfüllt. "Wir sind nicht am Boden", darauf beharrte der Politikstudent Björn Niklas Semrau, 35. "2,2 Prozent muss man erst mal erreichen". Das Gründungsmitglied aus Hessen das nicht ironisch. Die Partei habe ihre Ziele "nicht laut genug formuliert", sagte Semrau und warb nach seiner Wahl für eine Position "zwischen Professionalität und Punk-Rock". In der Halle gab es Punk jedoch nur wegen der Tagesordnung, der Berliner Abgeordnete Christopher Lauer wurde laut: "Ihr habt doch einen Sockenschuss!"