Die eine Seite spricht von einem "hochschulpolitischen Erdbeben", mit der "Monopolstellung der Universitäten" werde es bald ein Ende haben. Die andere Seite droht, man werde sich "öffentlich zur Wehr setzen"; die Politik überschreite eine "rote Linie". Die zwei Stellungnahmen - eine vom Präsidenten der Fachhochschule Flensburg, die andere vom Kanzler der Universität Kiel - zeigen mit ihrer Naturkatastrophen- und Kriegsrhetorik: Mit dem Plan, als erstes Bundesland den Fachhochschulen (FH) ein eigenes Promotionsrecht einräumen, hat Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Waltraud Wende Wirbel ausgelöst.
An den FHs werde genauso geforscht wie an Universitäten. Also sollten sie auch die gleichen Rechte haben, hatte sie kürzlich in der Süddeutschen Zeitung gesagt. "Es gibt nicht Forschung erster und zweiter Klasse." Womöglich ein Vorbild für andere Länder? Bisher können Doktortitel nur an Universitäten erworben werden, und deren Chefs wählen bekanntlich schon mal deftigere Worte, wenn es um die Verteidigung ihres Privilegs geht.
Mit leiseren Tönen, dafür einer entscheidenden Frage hat Norman Weiss, Vorsitzender des Doktorandennetzwerks Thesis, in der taz den Vorstoß kommentiert: Er frage sich, wozu Fachhochschulen noch nötig seien, "wenn sie auf einem universitären Niveau sein sollen". Die FHs müssen sich wohl auf den Selbstfindungstrip begeben. Zumal sie auf üppige Fördergelder vom Bund hoffen können. Schon die vergangenen Regierungen hatten ein FH-Forschungsprogramm aufgelegt, Hunderte Millionen Euro gab es seit 2006. Es geht an den praxisorientierten Standorten selten um Grundlagenforschung, mit der man auf Kongressen auftreten könnte, eher um industrienahe Projekte. Vor allem dieser Transfer von Wissenschaft scheint für die Politik besonders wichtig zu sein. Im schwarz-roten Koalitionsvertrag, in dem viele andere wichtige Aspekte der Hochschulpolitik vergessen wurden, heißt es: "Die Förderung der Forschung an Fachhochschulen bietet insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen in regionalen Kooperationen große Chancen zur Innovationsförderung. Wir werden die Förderung des Bundes für die angewandte Forschung an Fachhochschulen ausbauen."
Bald auch für FH-Absolventen: ein Doktorhut.
Natürlich, sagt Hans-Hennig von Grünberg, werde man bei den Promotionen Lösungen finden müssen - zumal wenn weiterhin Geld in den Ausbau der Forschung an FHs fließe. Der Professor für Physikalische Chemie ist Präsident der Hochschule Niederrhein mit Standorten in Krefeld und Mönchengladbach und hat soeben ein Kooperationskolleg für Doktoranden aufgelegt. In Zusammenarbeit mit Universitäten können so FH-Absolventen promovieren, die Uni verleiht den Titel. Nahezu bundesweit gibt es inzwischen solche gemeinsamen Kollegs, sie umschiffen galant die heikle Frage des Promotionsprivilegs.
Grünberg geht es in der Debatte aber um etwas anderes: "Der Streit um das Promotionsrecht ist eigentlich ein Nebenkriegsschauplatz. Wir müssen endlich die Rolle der Verfolger der Universitäten loswerden und stattdessen die wirklich originelle Bildungs- und Ausbildungsidee der Fachhochschulen in den Vordergrund der Debatte rücken." Der ständige Statuskampf zwischen Unis und FHs liege daran, "dass wir nie wirklich explizit ausformuliert haben, was genau der gesellschaftliche Auftrag der Fachhochschulen ist." Für Grünberg dient als Leitbild das Zukunftsgutachten des Wissenschaftsrates vom Sommer. Die Regierungsberater hatten ein Szenario zur Wissenschaftslandschaft bis 2025 erstellt. Ausdifferenzierung sei nötig, die Rede war von der "Öffnung für vielfältige Profile". So seien die Lehre oder der Transfer von Wissen in die Wirtschaft ebenso als "Leistungsdimension" geeignet wie die Grundlagenforschung: "Nicht jede Hochschule muss allen Anforderungen gleichermaßen gerecht werden.".
Dass die FHs stark in der Lehre sind, ist unbestritten. Jeder dritte Student sitzt heute nicht an der Uni im Hörsaal; und die Bologna-Reform mit dem Abschluss Bachelor, der in sechs Semestern auf den Arbeitsmarkt vorbereiten soll, wurde an den meisten FHs besser umgesetzt als an den Unis. Man müsse, sagt Grünberg, nun die Chance ergreifen und die wichtige Brückenfunktion der angewandten Forschung in den
Fokus stellen. Er stellt gar das traditionelle Humboldt-Ideal von Forschung und Lehre infrage, dieses müsse auf die Verhältnisse an den FHs angepasst werden: Wenn die Fachhochschulen selbstbewusster das Ideal der Einheit von Lehre und Transfer für sich reklamierten, könne das als zweites Humboldt-Ideal gelten - "damit hätten die Fachhochschulen dann ihre eigene Philosophie und würden endlich nicht mehr nur als Beiwerk der Universitäten wahrgenommen werden."
Letztlich zeigt die Debatte, wie stark das deutsche Hochschulsystem in Bewegung gekommen ist. Vor gut 40 Jahren, als erste FHs gegründet wurden, sollten sie etwas bessere Berufsschulen sein. Manche von ihnen forschen heute auf Universitätsniveau, andere haben sich stets als Unterrichtsstätten definiert. Andererseits gibt es durchaus Unis, deren Forschungsleistung bescheiden ist. Nicolai Müller-Bromley, Rektor der Hochschule Osnabrück und Chef des Hochschullehrerbundes, der Vertretung der FH-Professoren, schrieb unlängst in einem Essay: Die FHs seien gut beraten, wenn sie ihre Vorteile pflegten, anwendungsorientierte Lehre und Forschung, aber mit Promotionsrecht. "Es wäre nicht erstrebenswert, wenn sie nach Erhalt des Promotionsrechts stillschweigend zu Universitäten mutierten." Angesichts der geforderten Profilbildung werde aber "die eine oder andere Fachhochschule möglicherweise den Weg in Richtung Universität einschlagen". Auch sei damit zu rechnen, dass im Wettbewerb ganz neue Hochschultypen entstünden.
Dass man Universitäten mit schlechter Forschung zu Fachhochschulen herabstufen und im Gegenzug herausragende FHs in den Rang einer Uni erheben könnte - das hatte der Chef der Hochschulrektorenkonferenz, Horst Hippler, schon mal vorgeschlagen. Empörung löste er vor anderthalb Jahren damit aus, Wissenschaft "ist nicht die Deutsche Fußball-Liga", hieß es selbst von FH-Seite. Mittlerweile ist die Idee offenbar gar nicht mehr so abwegig.
An den FHs werde genauso geforscht wie an Universitäten. Also sollten sie auch die gleichen Rechte haben, hatte sie kürzlich in der Süddeutschen Zeitung gesagt. "Es gibt nicht Forschung erster und zweiter Klasse." Womöglich ein Vorbild für andere Länder? Bisher können Doktortitel nur an Universitäten erworben werden, und deren Chefs wählen bekanntlich schon mal deftigere Worte, wenn es um die Verteidigung ihres Privilegs geht.
Mit leiseren Tönen, dafür einer entscheidenden Frage hat Norman Weiss, Vorsitzender des Doktorandennetzwerks Thesis, in der taz den Vorstoß kommentiert: Er frage sich, wozu Fachhochschulen noch nötig seien, "wenn sie auf einem universitären Niveau sein sollen". Die FHs müssen sich wohl auf den Selbstfindungstrip begeben. Zumal sie auf üppige Fördergelder vom Bund hoffen können. Schon die vergangenen Regierungen hatten ein FH-Forschungsprogramm aufgelegt, Hunderte Millionen Euro gab es seit 2006. Es geht an den praxisorientierten Standorten selten um Grundlagenforschung, mit der man auf Kongressen auftreten könnte, eher um industrienahe Projekte. Vor allem dieser Transfer von Wissenschaft scheint für die Politik besonders wichtig zu sein. Im schwarz-roten Koalitionsvertrag, in dem viele andere wichtige Aspekte der Hochschulpolitik vergessen wurden, heißt es: "Die Förderung der Forschung an Fachhochschulen bietet insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen in regionalen Kooperationen große Chancen zur Innovationsförderung. Wir werden die Förderung des Bundes für die angewandte Forschung an Fachhochschulen ausbauen."
Bald auch für FH-Absolventen: ein Doktorhut.
Natürlich, sagt Hans-Hennig von Grünberg, werde man bei den Promotionen Lösungen finden müssen - zumal wenn weiterhin Geld in den Ausbau der Forschung an FHs fließe. Der Professor für Physikalische Chemie ist Präsident der Hochschule Niederrhein mit Standorten in Krefeld und Mönchengladbach und hat soeben ein Kooperationskolleg für Doktoranden aufgelegt. In Zusammenarbeit mit Universitäten können so FH-Absolventen promovieren, die Uni verleiht den Titel. Nahezu bundesweit gibt es inzwischen solche gemeinsamen Kollegs, sie umschiffen galant die heikle Frage des Promotionsprivilegs.
Grünberg geht es in der Debatte aber um etwas anderes: "Der Streit um das Promotionsrecht ist eigentlich ein Nebenkriegsschauplatz. Wir müssen endlich die Rolle der Verfolger der Universitäten loswerden und stattdessen die wirklich originelle Bildungs- und Ausbildungsidee der Fachhochschulen in den Vordergrund der Debatte rücken." Der ständige Statuskampf zwischen Unis und FHs liege daran, "dass wir nie wirklich explizit ausformuliert haben, was genau der gesellschaftliche Auftrag der Fachhochschulen ist." Für Grünberg dient als Leitbild das Zukunftsgutachten des Wissenschaftsrates vom Sommer. Die Regierungsberater hatten ein Szenario zur Wissenschaftslandschaft bis 2025 erstellt. Ausdifferenzierung sei nötig, die Rede war von der "Öffnung für vielfältige Profile". So seien die Lehre oder der Transfer von Wissen in die Wirtschaft ebenso als "Leistungsdimension" geeignet wie die Grundlagenforschung: "Nicht jede Hochschule muss allen Anforderungen gleichermaßen gerecht werden.".
Dass die FHs stark in der Lehre sind, ist unbestritten. Jeder dritte Student sitzt heute nicht an der Uni im Hörsaal; und die Bologna-Reform mit dem Abschluss Bachelor, der in sechs Semestern auf den Arbeitsmarkt vorbereiten soll, wurde an den meisten FHs besser umgesetzt als an den Unis. Man müsse, sagt Grünberg, nun die Chance ergreifen und die wichtige Brückenfunktion der angewandten Forschung in den
Fokus stellen. Er stellt gar das traditionelle Humboldt-Ideal von Forschung und Lehre infrage, dieses müsse auf die Verhältnisse an den FHs angepasst werden: Wenn die Fachhochschulen selbstbewusster das Ideal der Einheit von Lehre und Transfer für sich reklamierten, könne das als zweites Humboldt-Ideal gelten - "damit hätten die Fachhochschulen dann ihre eigene Philosophie und würden endlich nicht mehr nur als Beiwerk der Universitäten wahrgenommen werden."
Letztlich zeigt die Debatte, wie stark das deutsche Hochschulsystem in Bewegung gekommen ist. Vor gut 40 Jahren, als erste FHs gegründet wurden, sollten sie etwas bessere Berufsschulen sein. Manche von ihnen forschen heute auf Universitätsniveau, andere haben sich stets als Unterrichtsstätten definiert. Andererseits gibt es durchaus Unis, deren Forschungsleistung bescheiden ist. Nicolai Müller-Bromley, Rektor der Hochschule Osnabrück und Chef des Hochschullehrerbundes, der Vertretung der FH-Professoren, schrieb unlängst in einem Essay: Die FHs seien gut beraten, wenn sie ihre Vorteile pflegten, anwendungsorientierte Lehre und Forschung, aber mit Promotionsrecht. "Es wäre nicht erstrebenswert, wenn sie nach Erhalt des Promotionsrechts stillschweigend zu Universitäten mutierten." Angesichts der geforderten Profilbildung werde aber "die eine oder andere Fachhochschule möglicherweise den Weg in Richtung Universität einschlagen". Auch sei damit zu rechnen, dass im Wettbewerb ganz neue Hochschultypen entstünden.
Dass man Universitäten mit schlechter Forschung zu Fachhochschulen herabstufen und im Gegenzug herausragende FHs in den Rang einer Uni erheben könnte - das hatte der Chef der Hochschulrektorenkonferenz, Horst Hippler, schon mal vorgeschlagen. Empörung löste er vor anderthalb Jahren damit aus, Wissenschaft "ist nicht die Deutsche Fußball-Liga", hieß es selbst von FH-Seite. Mittlerweile ist die Idee offenbar gar nicht mehr so abwegig.