Der Fortschritt sieht ganz unspektakulär aus. Oberflächlich besteht er aus einer Glaskabine und einem Flachbildschirm. Wenn man die Kabine betritt, erscheint auf dem Monitor eine junge Frau. „Ich sitze ganz in Ihrer Nähe“, versichert sie. „Wo genau, darf ich Ihnen nicht sagen.“ Die Kabine steht im Demonstrationslabor auf dem Campus des Netzwerkausrüsters Cisco Systems in San José, einem der größten und traditionsreichsten Unternehmen des Silicon Valley. Das Entscheidende dabei sieht man gar nicht: Sie ist mit dem Internet verbunden; die junge Frau auf dem Monitor mag in einem Büro bei Cisco arbeiten, sie könnte auch am anderen Ende der Welt sitzen. Und darauf kom
Das "Internet of Everything" wird in Silicon Valley entwickelt. Dieses System soll kosten sparen und bürgernah sein.
Die Installation nennt sich „Telepräsenz-Kiosk“ und gehört zu dem Programm „Virtual Citizen’s Service“, mit dem Cisco Großstädte auf der ganzen Welt als Kunden gewinnen möchte. Der „Virtuelle Bürger-Service“ könnte, so die Idee, einer Stadtverwaltung dabei helfen, Kosten zu sparen und gleichzeitig bürgernah zu sein. Wenn Bürger einen Bauantrag stellen oder Umweltschäden melden wollen, dann gehen sie einfach zum nächsten Telepräsenz-Kiosk und können dort mit leibhaftigen Angestellten der Stadt reden. Die Stadt spart Geld, der Bürger Zeit. „Die Regierung kann auf kostengünstige Weise mit Bürgern kommunizieren, indem sie Telepräsenz-Kioske in Büros ohne Personal installiert“, verspricht Cisco.
So sieht sie aus, die schöne neue Welt des „Internet of Everything“, des Internets von allem. Es ist der derzeit wichtigste Trend im Silicon Valley: Heute sind die Menschen über Laptop, iPad oder Smartphone vernetzt, schon am Ende dieses Jahrzehnts könnte die komplette physische Umwelt interaktiv sein: Autos, Fabriken, Krankenhäuser, Rathäuser. „Bisher war das Internet eine Sache zwischen Menschen und Maschinen, jetzt bringt es Maschinen mit anderen Maschinen zusammen“, sagt Guido Jouret. Der Ingenieur wurde Ende Oktober zum General Manager des Projekts „Internet of Everything“ ernannt. „Uns steht eine zweite industrielle Revolution bevor“, glaubt Jouret. „Heute sind nur vier Prozent aller Fabriken vernetzt, es könnten 96 Prozent sein.“ Das Ergebnis wäre ein enormer Effizienzsprung. John Chambers, der Starmanager, der seit 18 Jahren an der Spitze von Cisco steht, sagt voraus, dass Unternehmen einen Wert von 14,4 Billionen Dollar schaffen können, wenn sie die Möglichkeiten des Internets konsequent nutzen.
Cisco Systems setzt wie kaum eine andere Firma auf das „Internet of Everything“. Es ist eine Sache der schieren Notwendigkeit. Cisco – der Name leitet sich aus den fünf letzten Buchstaben von San Francisco ab – wurde 1984 gegründet und wuchs mit Produkten, die Computer untereinander vernetzten. Mit seinen Routern und Vernetzungen gehörte Cisco zu den Hauptgewinnern des Internetbooms der Neunzigerjahre. Kurz bevor die Spekulationsblase platzte, Anfang 2000, war Cisco mit mehr als 500 Milliarden Dollar Börsenwert kurzzeitig das teuerste Unternehmen der Welt.
Heute kostet Cisco nur noch 109 Milliarden Dollar und ringt um seine Zukunft. Ein typisches Silicon-Valley-Schicksal: Das Internet hat Cisco groß gemacht, jetzt droht es der Firma die Geschäftsgrundlage zu entziehen. Cisco muss sein Geschäftsmodell erneuern, betonte Konzernchef John Chambers in der vergangenen Woche vor Analysten. Gleichzeitig strich er seine Prognose für den Umsatz der kommenden drei bis fünf Jahre zusammen. Bereits im August hatte Cisco angekündigt, 4000 Jobs abbauen zu wollen – fünf Prozent der Belegschaft.
Deshalb ist das „Internet of Everything“ so wichtig. Der Begriff gründet sich auf das „Internet der Dinge“ („Internet of Things“), das der britische Techniker Kevin Ashton 1999 erfunden hatte, um die Verbindung von virtueller und physischer Welt zu beschreiben: „Wenn wir Computer hätten, die alles wissen, was man über Dinge wissen kann, und dabei Daten ohne unser Zutun sammeln, dann wären wir in der Lage, alles zu verfolgen und zu messen und in großem Umfang Abfall, Verluste und Kosten vermeiden“, schrieb Ashton damals. Es war eine Vision vor ihrer Zeit – ein Jahr später platzte die Internetblase.
Der Fortschritt ist seither nicht stehen geblieben. Peter Middleton von der Analysefirma Gartner sagt: „Bis 2020 werden die Kosten von Komponenten so gesunken sein, dass Konnektivität eine Standardeigenschaft sein wird. Das eröffnet die Möglichkeit, fast alles miteinander zu verbinden, vom sehr Einfachen bis zum sehr Komplexen, und dafür Fernsteuerung, Überwachung und Messung anzubieten.“
Tatsächlich kann man das Internet der Dinge heute schon besichtigen. Zum Beispiel in Barcelona. Dort hat die Stadtverwaltung Straßenlampen installiert, die mit Sensoren ausgestattet sind. Sie schalten sich nur dann ein, wenn sie gebraucht werden, wenn also Passanten unterwegs sind. Zwischen 40 und 60 Prozent Strom kann so gespart werden, glauben die Experten der Stadt. Am Union Square in Manhattan hat die Stadt New York in Zusammenarbeit mit Cisco zwei alte Telefonzellen mit modernen, 80 Zentimeter hohen Bildschirmen ausgestattet. Die sind mit dem Internet verbunden, wodurch Touristen und Anwohner dort alles über Restaurants im Viertel, das Wetter oder Störungen der U-Bahn erfahren können. Irgendwann soll auch eine Kamera installiert werden: Erkennt das System einen Blindenhund, dann schaltet es auf Sprachbedienung.
Wenn alles mit Kameras und Sensoren ausgestattet ist, dann hat dies eine unvermeidbare Konsequenz: Es fällt eine kaum fassbare Menge an Daten an. Die Daten können genutzt, aber eben auch missbraucht werden. „Das Internet der Dinge hat auch eine dunkle Seite“, räumt Guido Jouret ein, und er schließt daraus: „Sicherheit und Datenschutz werden zentrale Themen sein“, was das Problem beschreibt, aber noch keine Lösung erkennen lässt.
Wie brisant die Sache mit der Datensicherheit ist, hat Cisco gerade erst erfahren. Im laufenden Quartal werden die Umsätze aus den Schwellenländern vermutlich um zwölf Prozent zurückgehen. In Brasilien verkauft Cisco 25 Prozent weniger, in Russland 30 Prozent und in China 18 Prozent weniger. Finanzchef Frank Calderoni räumte ein, dass die Unklarheiten nach den Enthüllungen des Ex-NSA-Mitarbeiters Edward Snowden viele Menschen ins Grübeln brachten – und Unternehmen zögern, wie sie das IT-Budget einsetzen.
Möglicherweise erzwingt jedoch gerade der wirtschaftliche Druck des „Internet of Everything“ Fortschritte beim Datenschutz. Dave Evans, der sich „Chef-Zukunftsforscher“ von Cisco nennt, fordert in einem Blog nichts weniger als eine „Bill of Rights“ des Datenschutzes, was in Amerika einen besonderen Klang hat: In der „Bill of Rights“ sind die verfassungsmäßigen Freiheiten der Bürger zusammengefasst. Persönliche Daten sollten „wie Geld“ werden und durch das Eigentumsprivileg geschützt werden, schreibt Evans. Er räumt ein, dass das sehr ehrgeizig ist, aber im Silicon Valley ist eben Optimismus angesagt: „Es liegt an uns sicherzustellen, dass, wenn das Internet der Dinge sich entwickelt, das Internet weiterhin eine machtvolle Quelle bleibt, um das Leben der Menschen zu verbessern.“
Das "Internet of Everything" wird in Silicon Valley entwickelt. Dieses System soll kosten sparen und bürgernah sein.
Die Installation nennt sich „Telepräsenz-Kiosk“ und gehört zu dem Programm „Virtual Citizen’s Service“, mit dem Cisco Großstädte auf der ganzen Welt als Kunden gewinnen möchte. Der „Virtuelle Bürger-Service“ könnte, so die Idee, einer Stadtverwaltung dabei helfen, Kosten zu sparen und gleichzeitig bürgernah zu sein. Wenn Bürger einen Bauantrag stellen oder Umweltschäden melden wollen, dann gehen sie einfach zum nächsten Telepräsenz-Kiosk und können dort mit leibhaftigen Angestellten der Stadt reden. Die Stadt spart Geld, der Bürger Zeit. „Die Regierung kann auf kostengünstige Weise mit Bürgern kommunizieren, indem sie Telepräsenz-Kioske in Büros ohne Personal installiert“, verspricht Cisco.
So sieht sie aus, die schöne neue Welt des „Internet of Everything“, des Internets von allem. Es ist der derzeit wichtigste Trend im Silicon Valley: Heute sind die Menschen über Laptop, iPad oder Smartphone vernetzt, schon am Ende dieses Jahrzehnts könnte die komplette physische Umwelt interaktiv sein: Autos, Fabriken, Krankenhäuser, Rathäuser. „Bisher war das Internet eine Sache zwischen Menschen und Maschinen, jetzt bringt es Maschinen mit anderen Maschinen zusammen“, sagt Guido Jouret. Der Ingenieur wurde Ende Oktober zum General Manager des Projekts „Internet of Everything“ ernannt. „Uns steht eine zweite industrielle Revolution bevor“, glaubt Jouret. „Heute sind nur vier Prozent aller Fabriken vernetzt, es könnten 96 Prozent sein.“ Das Ergebnis wäre ein enormer Effizienzsprung. John Chambers, der Starmanager, der seit 18 Jahren an der Spitze von Cisco steht, sagt voraus, dass Unternehmen einen Wert von 14,4 Billionen Dollar schaffen können, wenn sie die Möglichkeiten des Internets konsequent nutzen.
Cisco Systems setzt wie kaum eine andere Firma auf das „Internet of Everything“. Es ist eine Sache der schieren Notwendigkeit. Cisco – der Name leitet sich aus den fünf letzten Buchstaben von San Francisco ab – wurde 1984 gegründet und wuchs mit Produkten, die Computer untereinander vernetzten. Mit seinen Routern und Vernetzungen gehörte Cisco zu den Hauptgewinnern des Internetbooms der Neunzigerjahre. Kurz bevor die Spekulationsblase platzte, Anfang 2000, war Cisco mit mehr als 500 Milliarden Dollar Börsenwert kurzzeitig das teuerste Unternehmen der Welt.
Heute kostet Cisco nur noch 109 Milliarden Dollar und ringt um seine Zukunft. Ein typisches Silicon-Valley-Schicksal: Das Internet hat Cisco groß gemacht, jetzt droht es der Firma die Geschäftsgrundlage zu entziehen. Cisco muss sein Geschäftsmodell erneuern, betonte Konzernchef John Chambers in der vergangenen Woche vor Analysten. Gleichzeitig strich er seine Prognose für den Umsatz der kommenden drei bis fünf Jahre zusammen. Bereits im August hatte Cisco angekündigt, 4000 Jobs abbauen zu wollen – fünf Prozent der Belegschaft.
Deshalb ist das „Internet of Everything“ so wichtig. Der Begriff gründet sich auf das „Internet der Dinge“ („Internet of Things“), das der britische Techniker Kevin Ashton 1999 erfunden hatte, um die Verbindung von virtueller und physischer Welt zu beschreiben: „Wenn wir Computer hätten, die alles wissen, was man über Dinge wissen kann, und dabei Daten ohne unser Zutun sammeln, dann wären wir in der Lage, alles zu verfolgen und zu messen und in großem Umfang Abfall, Verluste und Kosten vermeiden“, schrieb Ashton damals. Es war eine Vision vor ihrer Zeit – ein Jahr später platzte die Internetblase.
Der Fortschritt ist seither nicht stehen geblieben. Peter Middleton von der Analysefirma Gartner sagt: „Bis 2020 werden die Kosten von Komponenten so gesunken sein, dass Konnektivität eine Standardeigenschaft sein wird. Das eröffnet die Möglichkeit, fast alles miteinander zu verbinden, vom sehr Einfachen bis zum sehr Komplexen, und dafür Fernsteuerung, Überwachung und Messung anzubieten.“
Tatsächlich kann man das Internet der Dinge heute schon besichtigen. Zum Beispiel in Barcelona. Dort hat die Stadtverwaltung Straßenlampen installiert, die mit Sensoren ausgestattet sind. Sie schalten sich nur dann ein, wenn sie gebraucht werden, wenn also Passanten unterwegs sind. Zwischen 40 und 60 Prozent Strom kann so gespart werden, glauben die Experten der Stadt. Am Union Square in Manhattan hat die Stadt New York in Zusammenarbeit mit Cisco zwei alte Telefonzellen mit modernen, 80 Zentimeter hohen Bildschirmen ausgestattet. Die sind mit dem Internet verbunden, wodurch Touristen und Anwohner dort alles über Restaurants im Viertel, das Wetter oder Störungen der U-Bahn erfahren können. Irgendwann soll auch eine Kamera installiert werden: Erkennt das System einen Blindenhund, dann schaltet es auf Sprachbedienung.
Wenn alles mit Kameras und Sensoren ausgestattet ist, dann hat dies eine unvermeidbare Konsequenz: Es fällt eine kaum fassbare Menge an Daten an. Die Daten können genutzt, aber eben auch missbraucht werden. „Das Internet der Dinge hat auch eine dunkle Seite“, räumt Guido Jouret ein, und er schließt daraus: „Sicherheit und Datenschutz werden zentrale Themen sein“, was das Problem beschreibt, aber noch keine Lösung erkennen lässt.
Wie brisant die Sache mit der Datensicherheit ist, hat Cisco gerade erst erfahren. Im laufenden Quartal werden die Umsätze aus den Schwellenländern vermutlich um zwölf Prozent zurückgehen. In Brasilien verkauft Cisco 25 Prozent weniger, in Russland 30 Prozent und in China 18 Prozent weniger. Finanzchef Frank Calderoni räumte ein, dass die Unklarheiten nach den Enthüllungen des Ex-NSA-Mitarbeiters Edward Snowden viele Menschen ins Grübeln brachten – und Unternehmen zögern, wie sie das IT-Budget einsetzen.
Möglicherweise erzwingt jedoch gerade der wirtschaftliche Druck des „Internet of Everything“ Fortschritte beim Datenschutz. Dave Evans, der sich „Chef-Zukunftsforscher“ von Cisco nennt, fordert in einem Blog nichts weniger als eine „Bill of Rights“ des Datenschutzes, was in Amerika einen besonderen Klang hat: In der „Bill of Rights“ sind die verfassungsmäßigen Freiheiten der Bürger zusammengefasst. Persönliche Daten sollten „wie Geld“ werden und durch das Eigentumsprivileg geschützt werden, schreibt Evans. Er räumt ein, dass das sehr ehrgeizig ist, aber im Silicon Valley ist eben Optimismus angesagt: „Es liegt an uns sicherzustellen, dass, wenn das Internet der Dinge sich entwickelt, das Internet weiterhin eine machtvolle Quelle bleibt, um das Leben der Menschen zu verbessern.“